Sabine Sütterlin-WaackCDU/CSU - Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Insbesondere an Sie, liebe Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, eine Frage vorab: Wollen wir diese Debatte über die Öffnung der Ehe jetzt eigentlich in jeder Sitzungswoche führen?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring- Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu, und schon ist die Debatte vorbei!)
Wollen Sie immer wieder versuchen, uns mit diesem Thema vorzuführen, nur um damit die Schlagzeilen zu beherrschen?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring- Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Schlagzeilen! Uns geht es um die Sache!)
Ich schließe mich vollständig der Meinung meines Kollegen Stefan Kaufmann an, der in der letzten Woche zu bedenken gab, dass Sie damit in der Sache überhaupt nichts erreichen
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
und womöglich am Ende mehr Widerstand provozieren, als Ihnen um der Sache willen lieb sein müsste.
(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Richtig! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmen Sie dann zu, wenn wir es nicht mehr machen?)
Gesellschaftliche Änderungen, meine Damen und Herren, benötigen Akzeptanz. Sie brauchen Zeit. Selten konnte man einen rasanteren gesellschaftlichen Wandel betrachten.
(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Hören Sie doch einmal zu!
(Michaela Noll [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Hören Sie doch zu! Wir haben Ihnen auch zugehört!)
Woher kommen wir in der Bundesrepublik Deutschland beim Thema Gleichstellung? Bis 1994 waren sexuelle Handlungen unter Männern nach dem damaligen § 175 Strafgesetzbuch strafbar. Viele Männer sind deshalb verurteilt worden und haben Strafen in Haftanstalten verbüßt. Auch über dieses Thema müssen wir reden.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)
Der Deutsche Bundestag hat sich auf den Weg gemacht und hat im Jahr 2000 einstimmig eine Entschuldigung für diese Menschen, die nach 1945 verurteilt worden sind, ausgesprochen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Aber Sie mussten wir auch nötigen!)
Eine Rehabilitation allerdings hat bis jetzt noch nicht stattgefunden. Eine pauschale Aufhebung, eine Generalkassation der Urteile, die nicht im Unrechtsstaat, sondern in der Bundesrepublik Deutschland erlassen wurden, wurde lange Zeit als nicht vereinbar mit dem Prinzip der Gewaltenteilung des Rechtsstaats angesehen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Jedenfalls von der CSU!)
Auch hier müssen wir diskutieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Es mehren sich die juristischen Expertisen, in denen es heißt: Wir können die Fehlentscheidungen, allesamt Verstöße gegen die Menschenwürde, rechtssicher korrigieren – durch ein Gesetz des Deutschen Bundestages.
(Johannes Kahrs [SPD]: Da warten wir nur auf Sie! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie!)
Sieben Jahre später, also seit 2001, können gleichgeschlechtliche Paare eine staatlich anerkannte und legalisierte Verbindung eingehen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das wissen wir alles! Sagen Sie uns doch mal was Neues!)
Andere gesetzliche Gleichstellungen wie zum Beispiel im Einkommensteuerrecht – das haben wir eben gehört –,im Erbrecht und im Adoptionsrecht folgten. Wir sind noch nicht am Ende dieser Entwicklung angekommen.
Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 haben wir Folgendes festgelegt:
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann auch auf dem Standesamt!)
Genau das geschieht jetzt mit dem Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner, in dem für alle noch fehlenden Bereiche im Zivil- und Verfahrensrecht und auch im sonstigen öffentlichen Recht die Lebenspartner Eheleuten gleichgestellt werden. Nach der parlamentarischen Sommerpause werden wir es hier behandeln. Damit gibt es tatsächlich nur noch die beiden viel diskutierten Punkte der Begrifflichkeit und der Volladoption, die zur vollkommenen Gleichstellung fehlen.
Wir als große Volkspartei, lieber Herr Beck, sind aber nicht so gleichförmig aufgestellt wie Ihre Partei.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie uns das bitte schriftlich geben, dass wir gleichförmig aufgestellt sind? Das hätten wir gerne schriftlich!)
Bei uns gibt es nicht nur Zustimmung zu diesem Thema. Wir können diese Punkte nicht einfach so abräumen. Wenn Sie sich die Entwicklung, die ich gerade aufgezeigt habe und deren Ausgangspunkt vor Augen führen: Ist es da verwerflich oder gar homophob, Herr Kollege Hofreiter, dass es einige gibt, die sich damit schwertun, die der Meinung sind, die Ehe sei ausschließlich die Verbindung von Mann und Frau?
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Diese Menschen denken, dass das Institut für die dauerhafte Verbindung zwischen zwei Frauen oder zwei Männern, die Verantwortung füreinander übernehmen, das der eingetragenen Lebenspartnerschaft sei.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das ist Diskriminierung!)
Auch diese Ansichten müssen wir respektieren. Am Rande bemerkt: Bis zum heutigen Tag befinden sie sich mit dieser Meinung in guter Gesellschaft, nämlich in der von Bundesverfassungsrichtern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch viele in unserer Partei, die anders denken,
(Johannes Kahrs [SPD]: Ja!)
die der Meinung sind, wir sollten die Debatte als Pro-Ehe-Diskussion ansehen und die sich darüber freuen, dass sich die früher von linker Seite als urkonservativ beschimpfte Ehe plötzlich ungeahnter Beliebtheit erfreut.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Genau! Wir wollen auch spießig sein! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht, dass ihr es noch zur Pflicht macht!)
Die Zahl der eingetragenen Lebenspartnerschaften wächst rasant. Derzeit gibt es rund 35 000 eingetragene Lebenspartnerschaften, 2007 waren das noch nicht einmal die Hälfte. Ich bin der Meinung, dass wir diese Wertedebatte mutig und selbstbewusst führen sollten. Einer umfassenden Diskussion auf dem Bundesparteitag im Dezember in Karlsruhe sollten wir uns nicht verschließen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Genau!)
– Sogar Applaus von den Grünen; das ist ja wunderbar.
(Johannes Kahrs [SPD]: Ich komme auch gerne vorbei!)
Einige von uns in der CDU und vereinzelt auch in der CSU – meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie können das heute in der Süddeutschen Zeitung nachlesen – können sich vorstellen, Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft gleichwertig nebeneinanderzustellen. Die CDU-Landtagsfraktion in meinem Heimatbundesland Schleswig-Holstein hat sich diese Woche für die vollständige Gleichstellung ausgesprochen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Ich freue mich, dass wir ein derart breites Meinungsspektrum in unserer Partei haben. Nach meinem Verständnis wäre eine Gleichstellung aber nur dann möglich, wenn gleiche Rechte und Pflichten gelten würden.
Wenn man die weitestgehend redaktionellen Änderungen des Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner außen vor lässt, dann fehlt, wie erwähnt, nur noch die gemeinsame Volladoption zur vollständigen Gleichstellung. Ich habe es schon so oft gesagt und bin dafür von einigen Oppositionskollegen bitter beschimpft worden – ich halte es aber aufrecht –: Wir müssen darauf achten, dass es den Kindern gut geht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Johannes Kahrs [SPD]: Das müssen wir immer!)
Frau Kollegin Winkelmeier-Becker hat in ihrer Rede in der Aktuellen Stunde letzte Woche entsprechende Überlegungen angestellt. Ist es richtig, dass das Alter der möglichen Adoptiveltern, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Wohnverhältnisse und die Stabilität ihrer Beziehung bei der Auswahl eine Rolle spielen, aber nicht, ob das Kind künftig zwei Männer oder zwei Frauen als wichtigste Bezugspersonen hat? Ist man schon deshalb reaktionär, weil man darüber nachdenkt? Ist es nicht zulässig, darüber zu reden, ob es für Kinder wichtig ist, in der entscheidenden Phase ihrer Prägung von Männern und Frauen begleitet zu werden?
Wir müssen darüber reden. Denn Unverständnis und Ablehnung liegen meist vor, wenn Menschen keine näheren Kenntnisse haben, wenn sie nicht wissen, wie in homosexuellen Partnerschaften – auch mit Kindern – liebevoll und verantwortungsbewusst miteinander umgegangen wird.
Ich habe den Eindruck, dass wir in der Gesellschaft eine noch nie dagewesene offene Diskussion zur Frage der vollständigen Gleichstellung von homosexuellen Menschen führen. Wir sollten diese fortführen und dann entscheiden. Es kann gut sein, dass die vollständige rechtliche Gleichstellung noch etwas Zeit braucht. Das mögen viele als Ungerechtigkeit empfinden. Ein Drama ist es angesichts der bereits erzielten fast vollständigen Angleichung nicht. Drastische gesellschaftliche Veränderungen – und über nichts anderes sprechen wir – benötigen Akzeptanz, und Akzeptanz braucht Zeit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: 15 Jahre müssen doch reichen!)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist Harald Petzold, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5266331 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare |