18.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 7 + ZP 1

Johannes FechnerSPD - Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Mitglieder der Fraktion der Grünen! Ja, die Fraktion der Grünen möchte ich besonders anreden, weil sie uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Gelegenheit gibt, unsere Position darzulegen und einmal mehr über dieses wichtige Thema zu diskutieren. Die SPD setzt sich seit vielen Jahre für die Ehe für alle ein; denn für uns gibt es keine Liebe erster und zweiter Klasse. Eine moderne Gesellschaft darf keinen Unterschied zwischen homosexuellen und heterosexuellen Paaren machen. Deswegen setzen wir uns dafür ein, jegliche Diskriminierung aufzuheben. Wir wollen die Ehe für alle.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir werden in Kürze den Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner verabschieden, mit dem wir viele Regelungen beseitigen, bei denen es Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren gibt. Wir machen dies, weil es für uns keine Gründe mehr gibt, gleichgeschlechtliche Paare anders zu behandeln als heterosexuelle Paare. Wir ermöglichen es zum Beispiel, dass ein Partner beim Tod seines Partners in dessen Mietvertrag eintritt. Das war bisher nur Ehegatten möglich. Wir schaffen etwa im Zwangsversteigerungsrecht Schutzrechte, die bisher nur für Ehegatten galten. Wie Sie sehen, stellt dieses Gesetz keine Ohrfeige für Schwule und Lesben dar, wie es der Vorredner – zu Unrecht – behauptet hat. Vielmehr ändern wir über 23 Gesetze und Verordnungen, um gleichgeschlechtliche Paare mit heterosexuellen Paaren gleichzustellen. Daran sehen Sie, wie wichtig es uns ist, jegliche Diskriminierung zu beseitigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir von der SPD wollen aber auch weitergehen. Wir wollen gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglichen, sich gemeinsam für die Adoption eines Kindes zu bewerben. Es gibt weder medizinische noch entwicklungspsychologische Gründe, die begründen, warum Kindern Nachteile entstehen, wenn sie von gleichgeschlechtlichen Paaren aufgezogen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade weil es keinen Grund gibt, warum homosexuelle Paare per se schlechtere Eltern sind, müssen homosexuelle Paare die Möglichkeit haben, sich für die Adoption eines Kindes zu bewerben; genau darum geht es uns.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen keinen Rechtsanspruch auf Kindesadoption schaffen; denn über die Adoption entscheidet letztendlich das Familiengericht.

(Johannes Kahrs [SPD]: Gut so!)

Wir meinen: Ob ein Paar ein Kind adoptieren darf, muss das Familiengericht entscheiden, und zwar ausschließlich danach, ob es dem Kindeswohl dient, und nicht danach, welches Geschlecht bzw. welche sexuelle Orientierung das Paar hat. Entscheidend muss immer das Kindeswohl sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Auch ich bedauere, dass die Union hier nach wie vor eine andere Position vertritt als die SPD. Viele in Ihren Reihen wissen längst, dass in einer modernen Gesellschaft diese Ungleichbehandlungen nicht aufrechterhalten werden können. Da der Tag sowieso kommen wird, an dem Sie diese Haltung aufgrund des gesellschaftlichen Drucks oder einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgeben müssen, sollten wir noch in dieser Legislaturperiode diese Diskriminierung von homosexuellen Paaren aufheben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind für die Ehe für alle. Wir möchten im BGB definieren, dass eine Ehe zwischen zwei erwachsenen Menschen geschlossen werden kann, unabhängig vom Geschlecht. 21 europäische Staaten haben schon die Lebenspartnerschaft, und in Europa haben zehn Staaten die Ehe für alle Menschen eingeführt. Es wird Zeit, dass auch wir in Deutschland diesen Schritt gehen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun gibt es die Ansicht, dass dafür eine Verfassungsänderung erforderlich sei. Diese Einschätzung teile ich ausdrücklich nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nicht zuletzt ein Gutachten von Frau Dr. Wapler von der Friedrich-Ebert-Stiftung hat präzise aufgezeigt, dass eine Verfassungsänderung nicht erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht versteht die Institute der Ehe und der Lebenspartnerschaft als funktionell gleichartig und hat schon 1993 ausdrücklich geurteilt, dass der Begriff der Ehe einem gesellschaftlichen Wandel unterliegt. Nichtsdestotrotz halte ich eine Verfassungsänderung für sinnvoll und wünschenswert; denn dann gäbe es keine Diskussionen mehr zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit, vor allem aber stünde dann auch die gleichgeschlechtliche Ehe im Grundgesetz unter besonderem Schutz. Deshalb sollte auch eine Ehe, die allen erwachsenen Menschen offensteht, im Grundgesetz als Ehe so benannt sein.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Denn was schadet es denn Familien, in denen Ehepartner Mann und Frau sind, wenn die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zugelassen würde? Nichts, aber auch gar nichts. Es gibt hier keine Konkurrenzsituation. Deshalb sollten wir allen Menschen, gleich welcher sexuellen Orientierung und gleich welchen Geschlechts, die Eheschließung ermöglichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unser Ziel ist damit klar: Wir wollen die vollständige Gleichheit zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren. Wir wollen die Ehe für alle. Wir wollen nicht nur die Sukzessivadoption, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, mitgemacht haben, sondern wir wollen das volle Adoptionsrecht für alle Paare unabhängig vom Geschlecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage es nochmals: Ich bedauere es sehr, dass wir hier keine freie Abstimmung haben, also unser Koalitionspartner die Abstimmung nicht freigegeben hat; denn nicht nur in der Bevölkerung, sondern vor allem hier im Bundestag – da bin ich mir sicher – gibt es eine große Mehrheit für die Ehe für alle.

Man hört nun – dies zum Schluss –, dass in der Union im Dezember auf dem Bundesparteitag Beratungen über die aktuelle Beschlusslage stattfinden sollen. Um diesen Prozess in der Union hin zu der überfälligen Gleichstellung von heterosexuellen und homosexuellen Paaren zu beschleunigen, möchte auch ich einen Beitrag leisten. Ich wohne nicht weit weg von Karlsruhe. Ich biete ausdrücklich an, als Gastredner die vielen guten Argumente vorzutragen, um bei euch den Prozess zu beschleunigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen die Ehe für alle, wir müssen alle Diskriminierungen abschaffen.

Vielen Dank. Ich freue mich auf die Einladung.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Volker Beck, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5266344
Wahlperiode 18
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare
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