Karl-Heinz BrunnerSPD - Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Kollege Hoffmann, Sie haben bemängelt, dass die bisherigen Diskussionen und Debatten zum Thema „Ehe für alle“, zur Frage der Diskriminierung und der Gleichberechtigung in diesem Land zu emotional sind. Ich sage: Sie sind Gott sei Dank emotional, weil die Menschen frühmorgens mit Emotionen erwachen und abends mit Emotionen zu Bett gehen. Das macht uns Menschen aus. Das unterscheidet uns von allen anderen Lebewesen. Wir haben Emotionen und dürfen diese Emotionen auch darstellen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, gestern Nachmittag haben wir in einem sehr würdigen Rahmen eine Debatte zum 17. Juni 1953 gehabt. Wir haben in der Debatte gehört, dass die Menschen für bessere Lebensbedingungen auf die Straße gegangen sind. Sie sind für die Freiheit auf die Straße gegangen. Sie sind dafür auf die Straße gegangen, frei zu leben, ohne Zwang zu leben und ohne Repressalien. Das war gut so, und wir haben gestern dafür gedankt. Aber dazu gehört auch ein Leben ohne Diskriminierung; denn das sind auch Repressalien. Deshalb könnte man, wenn man es nicht schwarz auf weiß lesen würde, kaum glauben, dass noch heute, im Jahr 2015, im Bundeszentralregister der Straftaten über 3 000 Datensätze mit dem Eintrag „§ 175 StGB“ enthalten sind. Damit werden alte, anständige Männer dieses Landes weiterhin stigmatisiert, diskriminiert und nach vielen Jahren noch immer verhöhnt. Sie können nicht versöhnt mit ihrem Land sterben, für das sie so viel getan haben,
(Mechthild Rawert [SPD]: Da müssen wir etwas tun!)
und das nur deshalb, weil sie zu ihrer Liebe standen.
Ich bin sehr froh, Kolleginnen und Kollegen, dass nach den Entscheidungen der Völker und der Parlamente in Irland und Slowenien Bewegung auch in die Union gekommen ist. Das ist schön. Ich wünsche Ihnen, Frau Sütterlin-Waack, liebe Sabine, und Ihren Mitstreitern viel Glück in der Union,
(Beifall bei der LINKEN)
dass wir recht schnell und recht bald eine vernünftige und gute Entscheidung in diesem Land bekommen. Wir wollen ohne Krawall, vielmehr versöhnend das tun, was notwendig ist. Wir wollen das Verständnis von Ehe, nein, das Zusammenstehen von Menschen gleich welchen Geschlechts, gleich welcher Orientierung endlich so regeln, dass es keine Diskriminierung, keine Repressalien gibt. Deshalb ist es gut, und ich sage Danke, dass die Grünen einen Gesetzentwurf und die Linken den Antrag, dem Beschluss des Bundesrates zu folgen, eingebracht haben; denn die Zeit läuft, nicht nur für die alten Männer, von denen ich gesprochen habe – eine Legislatur ist nicht unendlich. Die Menschen erwarten Lösungen. Mit Verlaub, die zuvor Genannten leben auch nicht ewig.
Warum spreche ich gerade über dieses Thema?
Erstens. Weil durch die vergangenen Reden mein Standpunkt zur Ehe für alle bekannt ist. Man kann sich wiederholen und es noch einmal sagen. Ich glaube, es ändert am Inhalt nichts. Man weiß es.
Zweitens. Weil ich Diskriminierung und Intoleranz furchtbar finde und sie immer noch erfolgt: offen, versteckt und subtil. Aufgrund mancher Bemerkung bezüglich Gleichbehandlung – oder Gleichem im Ungleichen, wie ich es bei meinem Vorredner gehört habe – könnte man dies fast meinen.
Drittens. Weil ich weiß, dass es noch immer einige andere Baustellen gibt. Zum einen wurden die nach § 175 StGB zu Unrecht verurteilten Männer kriminalisiert, weil eine menschenverachtende Ideologie der Nazis ihre Liebe unter Strafe stellte, und zum anderen machte das nicht minder – das müssen wir auch eingestehen – miefige, intolerante, spießige Nachkriegsdeutschland munter mit der Hatz weiter. Da müssen wir aufräumen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Ironie der Geschichte – deshalb ist der 17. Juni passend – ist: Nicht freiwillig, nicht aus Einsicht, wurde § 175 StGB aufgehoben. Nein, ohne Wiedervereinigung und Angleichung der Rechtsvorschriften des Unrechtsregimes der DDR gäbe es den § 175 StGB womöglich heute noch; er ist erst aufgrund des Einigungsvertrages 1994 aufgehoben worden.
Deshalb appelliere ich an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Räumen wir bei uns endlich ganz auf! Geben wir den Verurteilten ihre Würde zurück! Schaffen wir in unserem Land einen Aktionsplan gegen Homophobie! Es gab viele Gipfel, vielleicht kann Frau Merkel einen Gipfel gegen die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen und allen anderen einberufen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Mechthild Rawert [SPD]: Sehr gute Idee!)
Er sollte dann aber auch Ergebnisse bringen. Beenden wir endlich die Ungleichbehandlung von Lebenspartnerschaften und Ehen! Und nicht zuletzt: Bauen wir die Diskriminierung in unserem Land ab, so wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben! Liebe Union, machen wir es miteinander, machen wir es gemeinsam!
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD] – Mechthild Rawert [SPD]: Bald!)
Bei der Regierungserklärung zum Europäischen Rat hat die Kanzlerin zu Großbritannien und Griechenland erklärt, was ich nur unterstreichen kann: Man kann über alles reden. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung jedoch darf nicht zur Diskussion stehen. – Recht haben Sie, Frau Merkel. Dieses Prinzip gilt,
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und zwar nicht nur für Dienstleistungen, nicht nur für den Waren- und Reiseverkehr, sondern auch für die Menschen Europas, für die Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Geben Sie Ihr Bauchgefühl auf. Machen Sie den Weg frei für Ehe und Familie, und zwar für alle.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Caren Lay, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5266427 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare |