Volker KauderCDU/CSU - Weltweite Lage der Religions- und Glaubensfreiheit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir diskutieren nicht zum ersten Mal hier im Deutschen Bundestag über Religionsfreiheit als Menschenrecht oder über die Situation von Religionsgruppen – Christen, Muslimen und anderen – in der ganzen Welt. Aber zum ersten Mal legen wir, CDU/CSU, SPD und Grüne, einen Antrag vor, der eine Aufforderung an die Bundesregierung beinhaltet, bis zum nächsten Jahr, 2016, einen Bericht über die Situation der Religionsfreiheit in der ganzen Welt vorzulegen. Dies ist nicht zuletzt – vielleicht kann man sogar sagen: in erster Linie – ein Verdienst des Kollegen Beck von den Grünen. Es passiert sehr selten, Herr Beck, dass ich Sie besonders zu loben habe;
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
aber es ist so, dass Sie diesen Antrag mit auf den Weg gebracht und unterstützt haben. Das zeigt – von der ganz linken Seite dieses Hauses einmal abgesehen –, dass dies ein Thema ist, das alle im Deutschen Bundestag beschäftigt.
Die CDU/CSU-Fraktion hat immer wieder Anträge zu diesem Thema gestellt, vor allem angeregt durch die Kollegin Steinbach. Wir haben immer wieder versucht, deutlich zu machen, dass Religionsfreiheit nicht ein Thema des christlichen Abendlandes ist. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass Religionsfreiheit ein Menschenrecht ist. 1948 wurde die Menschenrechtscharta der UNO verabschiedet, in der das Recht auf Religionsfreiheit festgelegt ist. Fast alle Staaten haben diese Konvention angenommen. Umso mehr ist man überrascht, dass die Religionsfreiheit auch in Staaten verletzt wird, die diese Konvention angenommen haben.
Warum jetzt dieser Antrag? Die Situation hat sich dramatisch verändert, um nicht zu sagen: dramatisch verschlechtert. Dies hat auch etwas mit der Entwicklung im Nahen Osten zu tun, mit dem IS. Vor einem Jahr ist der IS in Mossul eingefallen. Mossul ist eine Stadt mit 3 Millionen Einwohnern, darunter vielleicht 40 000 bis 50 000 Christen und einige Tausend Jesiden. Mossul war so etwas wie ein religiöses Mosaik im Nahen Osten: Verschiedene Glaubensgruppierungen haben ohne Probleme miteinander und nebeneinander gelebt. In Mossul lebten Sunniten, Schiiten, Christen und Jesiden – das waren die größten Religionsgruppen –; aber seit dem Eindringen des IS ist die Situation eine ganz andere: Der IS hat die Christen und die Jesiden vertrieben oder ermordet, sie wurden vergewaltigt und auf dem Sklavenmarkt verkauft – und dies alles im Namen der Religion. Jetzt gibt es überhaupt keine Religionsfreiheit mehr, auch nicht für die Angehörigen der unterschiedlichen Richtungen im Islam. Es gibt nur noch die eine Auffassung, und wer der nicht folgt, wird vertrieben oder umgebracht.
Wir sagen – so steht es auch in unserem Antrag –: Wir wollen nicht, dass eine Richtung, eine Glaubensgruppe besonders begünstigt wird. Wir wollen, dass jeder nach seinem Glauben frei und unabhängig in der ganzen Welt leben darf. – Darum geht es.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir hier in Deutschland sagen: Glaubensfreiheit heißt, dass jeder im Rahmen unserer Gesetze seinen Glauben hier frei leben kann. Deswegen dürfen Muslime hier natürlich ihre Moscheen bauen – das ist ja überhaupt keine Frage –, und auch Christen und andere Religionsgruppen dürfen ihre Gottes- und Gebetshäuser bauen.
Religionsfreiheit heißt, dass dies für alle in aller Welt gewährleistet sein muss. Ich will nur einen kleinen politischen Schlenker machen: Das, was bei uns erlaubt und möglich ist, muss beispielsweise auch in der Türkei möglich sein. Wie die Türken ihre Gotteshäuser und Glaubenseinrichtungen hier bauen können, müssen – das verlangen wir – in der Türkei auch die wenigen Christen, die es dort noch gibt, ihre kleinen Kirchlein bauen dürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist der entscheidende Punkt. Um mehr geht es gar nicht.
Wir sehen aber auch, dass es kleine Gruppen gibt, die nicht in Frieden leben können, zum Beispiel die Bahai und andere. Beispielsweise in Myanmar quälen die an sich so friedlichen Buddhisten eine Gruppe von Menschen und vertreiben sie aus ihrer Heimat.
Da, glaube ich, muss die Botschaft sein: Wir wollen, dass die Menschen ihren Glauben offen bekennen und leben können oder auch das Recht haben, nichts zu glauben. Die Religionsfreiheit ist das zentralste Menschenrecht überhaupt, weil es nämlich über das eigene Leben hier hinausweist, weil es die Menschen mit der Frage konfrontiert: War es dies, oder gibt es noch etwas anderes? Deswegen ist es natürlich auch richtig, dass man in einem gewissen Rahmen Religionsfreiheit und Religion schützt.
Aber ich bin sehr vorsichtig, wenn es darum geht, Blasphemiegesetze auszuweiten und Strafen neu einzuführen. Wir müssen sehen, dass ein Staat nicht alles verbieten kann, was seine Werteordnung nicht richtig findet. Deswegen sage ich: Es braucht auch mehr Zivilcourage. Wir können nicht alles verbieten und immer genau feststellen, ob etwas eine Gotteslästerung ist oder nicht.
Ich kann auch nur sagen: Ich selber habe den Satz „Ich bin Charlie“ nie unterschrieben.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das glaube ich sofort!)
Aber ich werde mich immer dafür einsetzen, dass „Charlie“ möglich ist und dass dies auch gemacht werden kann. Zur gleichen Zeit warne ich aber auch davor, mit den religiösen Gefühlen und religiösen Symbolen anderer Gruppen zu spielen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Darin liegt ein großes Problem. Dies kann man nicht staatlich verbieten, aber wir müssen aufstehen und dies klar und deutlich sagen. Auf der anderen Seite geht es aber auch gar nicht, dass Gruppierungen, die sich gekränkt und beleidigt fühlen, selber zu Maßnahmen greifen und aus Rache andere Menschen umbringen. Dazu gibt es in keiner Religion ein Recht.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sehen auch, dass im Namen von Religionen schweres Unrecht getan wird. Deswegen verlange ich und verlangen viele von uns, dass die Religionsfreiheit gewährleistet wird. Denn dort, wo Religionsfreiheit nicht besteht, gibt es keine wirkliche Freiheit – ohne Religionsfreiheit keine Freiheit. Dort, wo die Menschen ihren Glauben nicht frei leben können, kommt es zu Konflikten.
Wir fordern die Bundesregierung jetzt auf, uns einen Bericht vorzulegen. Natürlich gibt es im Menschenrechtsbericht immer wieder Hinweise, aber es gibt noch keine systematische Darstellung zum Thema Religionsfreiheit in der Welt. Die UNO hat sich gerade jetzt im März wieder mit dem Thema befasst. In jedem Jahr gibt es einen Bericht zur Religionsfreiheit und zur Situation der Religionen. Aber wirklich getan hat sich noch nichts. Deswegen verspreche ich mir von diesem Bericht neben der Information darüber, was in der Welt los ist, auch einen neuen Impuls. Ich finde, es ist völlig klar, völlig richtig und auch notwendig: Zu einer wertegeleiteten Außenpolitik, die wir hier im Deutschen Bundestag machen und die auch in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben ist, gehört der Einsatz für das Recht auf Religionsfreiheit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
Die Kollegin Annette Groth hat für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5266689 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Weltweite Lage der Religions- und Glaubensfreiheit |