Kerstin GrieseSPD - Weltweite Lage der Religions- und Glaubensfreiheit
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute einen fraktionsübergreifenden Antrag, mit dem wir einen Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Glaubensfreiheit fordern. Ich bin froh, dass wir zwischen drei Fraktionen zu einer guten Einigung gekommen sind, und freue mich, dass auch die Linksfraktion zustimmen will.
Auch ich will mich zuerst ganz herzlich bei Volker Beck bedanken, dem religionspolitischen Sprecher der Grünen, der diese Initiative ergriffen und die anderen Fraktionen eingeladen hat. Ich bedanke mich auch herzlich bei meinem Kollegen Franz Josef Jung, dem Beauftragten für Kirchen und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Fraktion, bei den Menschenrechtspolitikerinnen und -politikern meiner Fraktion, bei Frank Schwabe, Rolf Mützenich und vielen anderen für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Erstellung dieses sicherlich etwas ungewöhnlichen Antrags.
Wir bitten das Auswärtige Amt, einen Bericht vorzulegen, in dem die Lage und die Bemühungen der Bundesregierung um die Religions- und Glaubensfreiheit weltweit dargestellt sind. Ich danke auch unserem Außenminister Frank-Walter Steinmeier herzlich dafür, dass er eine große Sensibilität für dieses Thema beweist, indem er auf seinen Reisen immer wieder auf die Einhaltung der Menschenrechte drängt, und möchte aus einer Rede zitieren, die er zuletzt an der Universität in Tunis bewusst als Christ in einem muslimischen Land gehalten hat. Dort hat er gesagt – ich zitiere –:
Ich denke, damit hat er sehr klug das Problem beschrieben, das in vielen Ländern der Region besteht.
Dass dieser Antrag von mehreren Fraktionen gestellt worden ist, zeigt die überparteiliche Bedeutung dieses elementaren Menschenrechts, der Religions- und Glaubensfreiheit, das sich in allen internationalen Menschenrechtsvereinbarungen auf der Ebene der Europäischen Union, des Europarats und der Vereinten Nationen findet. Mir ist wichtig, dass der Begriff der Religions- und Glaubensfreiheit dabei in einem umfassenden Sinn zu verstehen ist – so haben wir es auch im Antrag angelegt –: Es geht zum Ersten um das Recht, einen Glauben zu bilden und Religion zu leben und auszuüben. Es geht zum Zweiten darum – das ist aktuell in vielen Ländern ein lebensgefährliches Problem –, seine Religion wechseln zu dürfen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)
Zum Dritten geht es um die negative Religionsfreiheit. Auch das Nichtglauben muss selbstverständlich geschützt und erlaubt sein. Gleichzeitig umfasst die Religions- und Glaubensfreiheit zwei Dimensionen: die individuelle, die des Einzelnen, der seinen Glauben lebt, und die kollektive Ausübung, zum Beispiel den Bau von Gotteshäusern. Dabei ist die Religionsfreiheit nicht abhängig von der Größe der Gruppe, der diese Freiheit gewährt wird; sie gilt immer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschen, die ihren Glauben leben, und ihre Religionsgemeinschaften sind leider weltweit einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt. Sie werden schikaniert, bedrängt, unterdrückt, repressiv behandelt, verfolgt und angegriffen, und es geht so weit, dass sie an Leib und Leben bedroht werden. Deshalb sage ich ganz klar: Unsere Solidarität gilt denjenigen, die von diesen Bedrohungen und Verfolgungen betroffen sind.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In unserem Antrag nehmen wir Menschenrechtsverletzungen wie in Afrika, in Asien oder im Nahen und Mittleren Osten in den Blick. Wir wollen aber ausdrücklich nicht davon absehen, dass auch in Europa das Recht auf Religionsfreiheit immer wieder eingefordert und geschützt werden muss. Deshalb soll es in diesem Bericht ausdrücklich um die Religionsfreiheit generell gehen und nicht ausschließlich um verfolgte und bedrängte Christen, auch wenn sie eine sehr große Gruppe der aufgrund ihrer Religion Verfolgten sind. Wir wissen – das ist schon angeführt worden –, dass zurzeit vor allem in den Gebieten, in denen der IS herrscht und Menschen bedroht, die Lage ganz besonders gefährlich ist. Der IS bedroht gleichermaßen Schiiten, Jesiden und Christen – alle, die in seinen Augen andersgläubig sind. Die Berichte über Verfolgung, Vertreibung, Zerstörung von Gotteshäusern, Gefangenschaft und massenhafte Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen erschüttern uns zutiefst.
Wir erleben, dass die Zahl der gewalttätigen Übergriffe, für deren Begründung die Religion instrumentalisiert wird, zugenommen hat. Heiner Bielefeldt, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, hat in seinem sehr lesenswerten Bericht vor dem UN-Menschenrechtsrat zum „Umgang mit kollektiven Erscheinungsformen religiösen Hasses“ darauf aufmerksam gemacht. Er hat deutlich gemacht, dass Religion nie die alleinige Ursache für Konflikte ist, dass sie oft instrumentalisiert und zur Begründung von Hass und Gewalt herangezogen wird. Das führt zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Wichtig ist hier, die Ursachen von Gewalt zu untersuchen, um Gewalt im Namen der Religion zu verhindern. Es geht auch darum, immer wieder zu betonen, dass Gewalt im Namen der Religion nicht historisch in einer Religion angelegt ist – leider haben das viele Religionen in ihrer Geschichte erlebt –, sondern sich Menschen dafür entscheiden und daher auch die Verantwortung für diese Gewalt tragen. Deshalb müssen wir, wenn wir zu einer nachhaltigen Prävention und zu Lösungsansätzen gelangen wollen, die Faktoren untersuchen, die zu dieser Gewalt führen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Als typische Faktoren nennt Heiner Bielefeldt den Vertrauensverlust in den Rechtsstaat, aber auch eine engstirnige, oft patriarchalische und polarisierende Auslegung religiöser Texte sowie die ökonomische und politische Diskriminierung einer religiösen Gruppe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Religionsfreiheit heißt immer auch die Religionsfreiheit der anderen, um ein Zitat zu bemühen. Es geht darum, ein Leben in Toleranz und Respekt voreinander zu führen. Ein gutes Miteinander der Religionen ist der Schlüssel zum Frieden. Da hilft es auch nicht, wenn Angehörige einer Religion zu Opfern und Angehörige einer anderen Religion zu Tätern gemacht werden. Religionen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Unser Ziel muss es sein, im Sinne der Religionsfreiheit ein gutes und friedliches Miteinander zu fördern und es in einen menschenrechtlichen Zusammenhang zu setzen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Seit 2013 gibt es von den beiden großen Kirchen den „Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“, der in Deutschland von der EKD und der Bischofskonferenz herausgegeben wird und den ich ausdrücklich loben möchte. Er ist wichtig, weil es eine wissenschaftliche Ausarbeitung ist. In anderen Berichten werden eher populistisch Indizes und Rankinglisten dargestellt. Der Bericht der Bundesregierung, den wir mit unserem Antrag fordern, soll eine sinnvolle Ergänzung dieses Ökumenischen Berichts sein. Durch die genauere Untersuchung der Ursachen kann geholfen werden, die Religions- und Glaubensfreiheit weltweit zu stärken.
Zum Abschluss mein herzlicher Dank an alle, die sich in verschiedenen Regionen dieser Welt für die Durchsetzung von Menschenrechten und ganz besonders für die Durchsetzung der Religionsfreiheit engagieren. Meine Solidarität gilt allen, die wegen ihres Glaubens bedrängt oder verfolgt werden. Auf ihr Schicksal wollen wir aufmerksam machen, damit so etwas nicht wieder passiert.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5266769 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Weltweite Lage der Religions- und Glaubensfreiheit |