Sibylle PfeifferCDU/CSU - Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns Entwicklungspolitiker ist Afrika definitiv der Hauptarbeitsplatz, und zwar aus sehr vielen Gründen. Ein Grund ist die geografische Nähe zum europäischen Kontinent, die wir im Übrigen zurzeit ganz dramatisch an der Flüchtlingsthematik sehen. Ein weiterer Grund ist die große Armut, die in einigen Ländern Afrikas herrscht. Es gibt ziemlich große Baustellen, denen wir uns noch zuwenden müssen, wie die Einbindung in den Welthandel, Frau Roth, die Bekämpfung der Korruption oder auch das Thema „Governance vor Ort“. Das alles führt dazu, dass wir den Schwerpunkt unserer Entwicklungspolitik natürlich und zu Recht auf Afrika gelegt haben; das hat der Minister uns ja eben weiß Gott eindrücklich beschrieben.
Nun ist es aber leider so, dass in vielen Medien – manchmal auch unter uns – der Eindruck vermittelt wird, Afrika sei ein komplett verlorener Kontinent: zu viele Bürgerkriege – jawohl; große Armut – stimmt. Es findet aber keine Differenzierung statt. Afrika ist ein heterogener Kontinent, genau wie Europa, genau wie Asien. Ich bin diese Schwarz-Weiß-Malerei, vor allen Dingen aus der linken Ecke, lieber Niema Movassat, eigentlich leid. Ich verstehe nicht, was euch umtreibt.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Es geht um die Fakten!)
In Deutschland ist alles furchtbar. In Afrika ist alles furchtbar. Es ist alles furchtbar.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das sind Zahlen der Weltbank und der WHO! Ich bitte Sie!)
– Natürlich.
Ich gehe beispielhaft auf einige Punkte ein: das Menschenrecht auf Nahrung. Der Minister hat dazu gerade sehr ordentlich und differenziert vorgetragen. Zum Thema „Grüne Zentren“ muss ich sagen: Jawohl, alle Vorgängerregierungen haben das Thema „Ländliche Entwicklung“ vernachlässigt. Es gab Zeiten – da waren wir nicht an der Regierung –, in denen überhaupt nicht darüber geredet wurde. Aber was der Minister jetzt deutlich gemacht hat, ist: Wir müssen aufholen – natürlich müssen wir aufholen –, und Ziel muss es sein – natürlich –,die ländliche Entwicklung zu stärken, Exzellenzinitiativen auf den Weg zu bringen und durch Learning by Doing und durch Ausbildung eine Zukunft für die ländliche Entwicklung zu schaffen. Wenn das keine gute Idee und entwicklungsförderlich ist, dann weiß ich es nicht.
Heike Hänsel, wir waren zusammen in Guatemala. Nirgends kann man besser als dort sehen, wie nachhaltiger Kaffeeanbau praktiziert wird: vom Setzling bis zum Export nach Europa. Hallo, wenn das keine gute Arbeit ist!
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Sie ist natürlich noch nicht so nachhaltig, und sie ist auch noch nicht so ausgebaut, wie es vielleicht notwendig wäre. Aber, liebe Freunde, wie wollen wir die Welt denn von heute auf morgen ändern? Liebe Claudia Roth, ihr habt vier Jahre Zeit gehabt, die Politik zu ändern. Ihr habt gar nichts gemacht; ihr habt es schlechter gemacht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir sind auf einem guten Weg. Wir machen es richtig. Ich glaube, wir haben mit unserem Minister Müller jemanden, der die Arbeit genau richtig macht, –
Frau Kollegin?
– mit viel Herzblut, viel Energie und ganz viel zusätzlichem Geld. Ich will nur einmal daran erinnern, wer eine ODA-Quote von 0,7 versprochen hat und wer sie wann, wo, wie und mit wessen Unterstützung erreicht hat; das wollen wir doch einmal ganz klar festhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es sind nämlich wir, die das jetzt geschafft haben: zusammen mit der SPD –
Frau Kollegin Pfeiffer?
– und mit einem Minister, der sich dafür einsetzt und eine Unterstützung hat, die ihresgleichen sucht, nämlich die Unterstützung der Frau Bundeskanzlerin.
Frau Kollegin Pfeiffer, ich möchte Ihnen die Gelegenheit geben, einmal Luft zu holen. Der Kollege Movassat hat gefragt, ob er Ihnen eine Frage stellen kann.
Wenn ich sie jetzt nicht zulasse, dann will er sie hinterher stellen.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da sind wir hartnäckig!)
Sie sind damit einverstanden, okay.
Frau Kollegin Pfeiffer, Sie haben völlig recht: Die Linke ist hartnäckig. – Sie haben gerade einzelne Projekte dargestellt und Maßnahmen vorgestellt, bei denen es gut läuft und die sicherlich sinnvoll sind. Meine Frage ist aber: Sehen Sie nicht auch, dass die derzeit betriebene Freihandelspolitik, namentlich die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die EPAs, solche Erfolge gefährdet?
Ich habe in meiner Rede ja Herrn Nooke zitiert, der explizit auf die Gefahren hingewiesen und gesagt hat, dass die Erfolge, die durch die Entwicklungspolitik erzielt wurden, durch die Handelspolitik zunichtegemacht werden. Sehen Sie nicht auch, dass die Freihandelspolitik, die auch die Bundesregierung bisher unterstützt, entwicklungspolitische Erfolge gefährdet?
Erstens. Das kann ich so nicht sehen, weil wir das Ganze noch nicht abgeschlossen haben.
Zweitens. Natürlich ist es richtig, ordentlich und gut, dass es in der Bundesregierung jemanden gibt, der uns zusätzlich darauf hinweist, wo wir bei der Erarbeitung der Verträge noch besonders aufpassen müssen.
Sie tun hier aber schon wieder das, was Sie gerne machen; Sie sehen nämlich nur Schwarz oder Weiß. Freunde, dazwischen gibt es eine ganze Palette von Grautönen! Diesen Bereich müssen wir uns einmal angucken.
Ich nenne noch mehr Beispiele dafür, an denen deutlich wird, wie gut es in Afrika teilweise läuft:
In Subsahara-Afrika steigt das Pro-Kopf-Einkommen inzwischen um 3 bis 4 Prozent. Hallo! Zum Vergleich können wir ja einmal nach Europa gucken.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Die Müttersterblichkeit ist zwar immer noch zu hoch und dramatisch, aber sie ist immerhin um 47 Prozent gesunken. Das Glas ist entweder halb voll oder halb leer. Für mich ist es – ihr kennt mich alle – immer halb voll.
Und in 25 von 39 Ländern in Subsahara-Afrika ist man mittlerweile so weit, dass bis zu 65 Prozent der Kinder in die Schule gehen. Hallo!
Das alles reicht natürlich nicht; das weiß ich. Es gibt noch viel zu tun; das weiß ich. Man kann auch noch viel mehr machen; das weiß ich auch. Man kann aber nicht einfach nur sagen: Das ist alles Mist, das ist alles Käse, und wir wollen das nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Stefan Rebmann [SPD])
Hinzu kommt nämlich, dass Afrika wesentlich besser ist als sein Ruf. Es gibt viele positive Beispiele dafür, die ich jetzt nicht alle nennen will.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei positive Beispiele!)
Das Wirtschaftswachstum beträgt dort 6 Prozent. Hallo! Wann haben wir denn in Europa das letzte Mal von 6 Prozent geträumt?
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Aber wem kommt das Wachstum zugute? Das ist ja die Frage!)
– Das hätte ich im nächsten Satz gesagt. – Wir wissen, dass es dort Korruption gibt – das habe ich am Anfang meiner Rede schon angeprangert –, und wir wissen auch, dass es dort Eliten gibt, die nicht funktionieren. Hier müssen dicke Bretter gebohrt werden. Ich habe gestern zwölf Kolleginnen aus afrikanischen Parlamenten getroffen. Sie wissen all das auch, und sie arbeiten genau wie wir daran, das zu ändern – wir von der einen Seite, sie von der anderen. Liebe Freunde, es ist doch nicht so, dass wir das alles alleine machen können. Von uns geht doch nicht die Glückseligkeit aus.
Frau Kollegin Pfeiffer, der Kollege Kekeritz von den Grünen würde gerne eine Frage stellen.
Ja.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das gibt ordentlich Redezeit!)
Immer wenn es um das Wachstum geht, fühle ich mich angesprochen. – Es ist ja schön, dass das Wachstum dort enorm ist. Ich war von 1988 bis 1990 in Kamerun. Damals hat dort im Prinzip kein Mensch gehungert. Seitdem hatte Kamerun im Schnitt ein Wachstum von 6 bis 8 Prozent jährlich, und heute müssen wir feststellen, dass in Kamerun 13 Prozent der Menschen hungern.
Es entwickelt sich dort ein kleiner Mittelstand, und es gibt auch ganz wenige, die extrem reich sind. Wissen Sie: Wenn ich 1 Million Euro und Sie 100 Euro verdienen, dann müssten Sie nach Ihrer Logik sagen: Euch zweien geht es doch gut. – Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Was sagen Sie dazu, dass es dort seit Jahrzehnten Wachstum gibt, während gleichzeitig sehr viele Menschen die katastrophalen Auswirkungen ihrer Armut spüren? 13 Prozent der Menschen in Kamerun hungern. Es gibt dort unten jetzt einen enormen Drogenhandel, einen enormen Menschenhandel und einen enormen Waffenhandel. Also, wie ist das zu verstehen?
Jetzt machen wir wieder genau dasselbe wie vorher: Ich erzähle von den wunderbaren Dingen, die sich in Afrika entwickeln, und andere erzählen von den Katastrophen.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe ja das, was Sie gesagt haben, nicht bestritten. Schauen wir uns Simbabwe als bestes Beispiel dafür an: Simbabwe hat lange Zeit aufgrund seiner hervorragenden Landwirtschaft den ganzen Süden von Afrika ernährt. Wie ist die Situation jetzt? Chaos! Warum gibt es dieses Chaos? Genau aus den von Ihnen genannten Gründen, vor allen Dingen wegen Korruption. Das ist doch das Thema. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, aber wir können die Länder nicht aus der eigenen Verantwortung entlassen. Wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten. Wir können das nicht alleine machen. Das ist doch das Thema.
(Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Glorifizierung des Wachstums ist falsch!)
– Nein, genau darum geht es.
Liebe Kollegin Roth, ich habe Ihnen ganz genau zugehört. All das, was Sie sagen, ist richtig.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)
Aber auch da fehlte mir ein bisschen, dass mehr als nur Schwarz oder Weiß dargestellt wird. Aber was mir vor allem fehlt, ist ein konkreter Vorschlag. All das, was Sie angesprochen haben, kann man machen. Man kann sagen: „Die Situation ist beklagenswert“, „Eigentlich steht dort etwas anderes“, und: „Der Minister hat dazu dies gesagt, jemand anderes jenes“. Aber wo ist eine konkrete Alternative? Wir wären gerne dabei und wären auch bereit, Ihre Vorschläge aufzugreifen.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!)
Wir machen ja in der Entwicklungspolitik gerne all das, was Afrika hilft und was dazu führt, dass es Afrika gut geht. Wenn es Afrika gut geht, dann geht es auch uns gut und umgekehrt. Machen wir uns doch nichts vor: All das, was in der großen weiten Welt passiert, tangiert auch uns, und die Probleme im Rest der Welt sind auch ganz schnell unsere Probleme.
Wenn es uns gelingt, das, was in Afrika gut läuft, zu verstärken, zu unterstützen und die Intensität dieser Entwicklung zu verdoppeln und zu verdreifachen, und zwar mit Unterstützung der einzelnen Länder, dann sehe ich für Afrika nicht schwarz. Wir werden in diesem Herbst die MDGs gemeinsam mit den Entwicklungsländern umsetzen. Dann schauen wir, was dabei herauskommt.
Ich jedenfalls glaube, dass das, was wir machen, Afrika nach vorne bringen wird. Und da, wo wir unterstützend tätig werden können, wollen wir das gerne tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Jetzt hat Gabi Weber, SPD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5267515 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika |