Simone RaatzSPD - Investitionen in die Wissenschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst: Es ist gut, dass wir hier im Plenum innerhalb eines Jahres mehrfach zu dem wichtigen Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ sprechen, dank Ihrer Fraktion, Herr Gehring, und auch dank Ihrer Fraktion, Herr Lenkert.
Es ist, denke ich, gut, dass wir uns alle, wie wir hier sitzen, einig sind, dass etwas in unserem Wissenschaftssystem aus dem Lot geraten ist und dass wir es korrigieren wollen. Darin sind wir uns hier einig, und das ist gut. Aber – das muss ich auch sagen – es ist schade, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass Sie nicht deutlich mehr aus dem Thema Wissenschaftswunder gemacht haben; denn das Thema ist ja wirklich vielversprechend. Aber als ich dann in den Antrag geschaut habe, habe ich gedacht: Oje, der ist doch mit heißer Nadel gestrickt, wenig kreativ, und außer dem Titel – da muss ich sagen: ja, darüber denkt man noch einmal nach – findet man eigentlich Althergebrachtes.
Sie haben hier jetzt noch einmal ausgeführt, dass es bröckelnde Bauten gibt. Nun weiß ich nicht, wo Sie sich überall hinbewegen und nachschauen. Ich denke, das ist ein bisschen übertrieben. Da, wo ich war – in Hochschulen, Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen –, kann man doch sehen, dass viel gebaut wurde, viel getan wurde, auch wenn es vielleicht an manchen Stellen noch ein bisschen bröckelt. Aber ich denke, auch das kriegen wir noch hin.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eins ist uns, denke ich, klar – dabei sollte es auch bleiben; meine CDU-Kollegin, Frau Giousouf, ist auch schon ein wenig darauf eingegangen –: Für Wunder ist der Vatikan zuständig,
(René Röspel [SPD]: Der schafft das aber auch nicht!)
für die Realpolitik sollten wir zuständig sein. So ist bereits vieles von dem, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, auf den Weg gebracht. Wir als Koalition haben – das nur noch einmal zur Erinnerung – 2014 die Fortsetzung des Hochschulpakts beschlossen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben die Verlängerung des Paktes für Forschung und Innovation erreicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben als Koalitionsfraktionen – das möchte ich hier auch noch einmal erwähnen; ich denke, man sollte das immer wieder betonen – die hundertprozentige Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund ermöglicht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Natürlich haben wir damit auch finanzielle Spielräume in den Ländern geschaffen.
Ja, wir werden auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zum 1. Januar 2016 novellieren, so wie wir es gesagt haben. Da sind wir uns in der Koalition einig. Auch wenn es manchmal nicht so zu sein scheint: Wir kriegen das gemeinsam hin. Wenn Sie hier von einer Verzögerungstaktik sprechen, muss ich sagen: Die praktizieren wir nicht. Wir haben gesagt: Zum 1. Januar 2016 wird dieses Gesetz novelliert. – Ich denke, da sind wir gemeinsam auf einem guten Weg.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Entwurf sollte ja schon im letzten Jahr vorliegen!)
Außerdem werden wir als Koalitionsfraktion ab 2017 1 Milliarde Euro zusätzlich für einen vierten Pakt bereitstellen. In einer der letzten Debatten haben wir uns schon darauf verständigt. Die geschäftsführenden Fraktionsvorstände von SPD und CDU/CSU befürworten, dass diese Mittel bereitgestellt werden. Jetzt geht es um die inhaltliche Ausgestaltung des Paktes für den wissenschaftlichen Nachwuchs und akademischen Mittelbau. Natürlich können Sie sich gerne mit Ihren Ideen und Hinweisen in den Gestaltungsprozess einbringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der Fraktion der Grünen, ich denke, ich habe deutlich machen können, was Realpolitik bedeutet. Einige Projekte habe ich genannt. Was ich aber nicht unter Realpolitik verstehe, ist die willkürliche Forderung nach 10 000 zusätzlichen Nachwuchsstellen. Vorhin kam schon einmal der Zwischenruf: Warum 10 000? – Wie kommen Sie auf diese Zahl? Vielleicht bekommen wir heute in der Debatte noch eine Antwort.
Auch wir sind der Meinung: Ja, wir brauchen mehr Stellen im System.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Aber Sie haben ja gar keinen Vorschlag!)
Weil Sie gerade ein bisschen schimpfen: Im Endeffekt müssen wir natürlich auch auf die Situation der Länder schauen und auf das, was da passiert. Nicht, dass wir das alles toll finden. Aber man muss natürlich auch sagen: Wir haben eine reellere Zahl ins Gespräch gebracht,
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wäre denn Ihre Zahl?)
nämlich 1 500 zusätzliche Juniorprofessuren mit Tenure- Track-Option. Ihre Forderung nach 10 000 zusätzlichen Stellen löst weder bestehende Probleme noch kann oder will das irgendein Bundesland finanzieren. Da müssen wir einmal genau hinschauen.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es kommt auf das Modell an!)
Alleine schon das, was wir auf den Weg gebracht haben, führt nicht in jedem Falle bei allen Länderministern zu Freude. Auch da müssen wir schauen, wen wir da mitnehmen. Ich bin auch gespannt, ob Ihre Wissenschaftsministerin, Frau Theresia Bauer, sagt: Toll, diese Mittel stelle ich zur Verfügung.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist mit der abgestimmt! Die findet das ganz toll!)
Denn einen gewissen Anteil bei Bund-Länder-Programmen müssen eben auch die Länder leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen: Statt dieser Wunderpolitik hätten Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, besser Gedanken dazu machen sollen, was wir ohne Mittel oder ohne viel Geld im System ändern können. Das ist einiges. Ich bin nämlich der Auffassung, dass sich an erster Stelle etwas in den Köpfen der Präsidenten unserer außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie der Kanzlerinnen und Kanzler unserer Hochschulen ändern muss.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bauen Sie mal ohne Geld!)
Das muss sich ändern, ohne dass da gleich wieder Geld fließt.
Sie – die Kanzler und auch die Präsidenten – sollten ihre Einrichtungen nicht nur als Ort für Forschung und Lehre begreifen, sondern sich eben endlich auch als gute Arbeitgeber verstehen. Ich denke, darauf kommt es an: Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern planbarere und verlässlichere Karriereperspektiven bieten.
Wir hatten den Nobelpreisträger für Chemie zu Gast im Ausschuss. Das, was er dort deutlich machte, sehe ich auch so. Zu kurze Vertragslaufzeiten reduzieren die Risikobereitschaft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Themen abseits vom Mainstream anzugehen. Darunter leidet ganz erheblich die Qualität von wissenschaftlicher Arbeit, Innovationen bleiben aus – wir beklagen das zunehmend – und gut ausgebildete Fachkräfte verlassen unser Land. Ich denke, hier wollen wir gemeinsam gegensteuern.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an zweiter Stelle stehen für uns Personalentwicklungskonzepte. Lassen Sie uns uns gemeinsam dafür einsetzen, dass Personalentwicklungskonzepte zur Regel im deutschen Wissenschaftssystem werden. Eine wie von der Europäischen Charta für Forscher vorgeschlagene Laufbahnentwicklungsstrategie sollte zukünftig auch an unseren Einrichtungen Standard sein. Dazu gehören unter anderem die Formulierung von Lern- und Berufszielen, aber auch allgemeine Beratungsgespräche.
Personalentwicklung bedeutet aber auch, unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern rechtzeitig ein Signal zu geben, wenn man deren Zukunft nicht an der Hochschule oder einem Forschungsinstitut sieht. Es geht darum, die Forscherinnen und Forscher in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu fördern und planbare Karriereziele aufzuzeigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Wissenschaftssystem braucht kein Wunder, wie von den Grünen gefordert, sondern eine realistische und vor allem verlässliche und längerfristig orientierte Wissenschaftspolitik. Die Große Koalition hat bereits viel für das Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ getan – und das in dieser Legislatur. Sie können sich sicher sein: Wir bleiben weiterhin dran.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Dr. Philipp Lengsfeld.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5267608 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Investitionen in die Wissenschaft |