18.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 12

Philipp LengsfeldCDU/CSU - Investitionen in die Wissenschaft

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bündnis 90/Die Grünen entdecken ihr Herz für Wissenschaft und Forschung. Das ist für mich zunächst einmal eine sehr gute Nachricht. Dieses Land braucht exzellente Wissenschaft und Forschung. Aber eines kann ich Ihnen auch versichern: Wir, die Union, sind die Forschungspartei in diesem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es braucht schon wesentlich mehr Anstrengung als diesen einen Antrag, damit sich daran etwas ändert. Aber ich nehme den Ball gerne auf. Also lassen Sie uns zwei wesentliche Aspekte vertiefen.

Zuerst greifen die Grünen eine altbekannte Forderung der Union auf: steuerliche Forschungsförderung.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann machen Sie es doch! Stimmen Sie doch zu!)

Sie fordern 15 Prozent Steuergutschrift für Forschung und Entwicklung, aber nur für kleine und mittlere Unternehmen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, zu Recht!)

Zu einer steuerlichen Forschungsförderung für alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, wie es der BDI fordert, können Sie sich dagegen nicht durchringen. Aber es würde sich lohnen, über diese Position zu debattieren. Es wäre eine Position, die über das hinausgeht, was wir als Koalition schon ausdiskutiert haben.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ausdiskutiert, dass Sie nichts machen!)

Denn wie in allen Fragen des Steuerrechts gibt es auch bei der steuerlichen Forschungsförderung ernstzunehmende Bedenken. Wir haben Angst vor Fehlanreizen, vor zu viel Bürokratie, vor Ungerechtigkeiten, aber auch vor Mitnahmeeffekten. Deshalb hat sich die Koalition im Kompromiss darauf geeinigt, dass die Priorität in dieser Legislatur auf die direkte Forschungsförderung gelegt wird, insbesondere des Mittelstands. Da steht Deutschland sehr, sehr gut da.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die Förderung von Bildung und Forschung hat für diese Koalition höchste Priorität. Lassen Sie uns kurz einmal von Geld reden. Der Haushalt unseres Ministeriums beträgt – Sie kennen die Zahlen; aber ich sage es gerne noch einmal – stolze 15 Milliarden Euro und wurde über die Jahre kontinuierlich gesteigert. In der deutschen Wissenschaftslandschaft hat sich mit Impulsen des Bundes wie der Exzellenzinitiative oder dem Pakt für Forschung und Innovation eine enorme Dynamik entfaltet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Durch die Hightech-Strategie hat die Bundesregierung die Forschungsförderung für große Herausforderungen gebündelt, Zukunftsprojekte definiert und diese auch massiv finanziell unterlegt. Sie hat in der letzten Legislaturperiode zum Beispiel die Gesundheitsforschung strukturell weiterentwickelt und massiv gestärkt.

Exemplarisch möchte ich ein Leuchtturmprojekt nennen – natürlich kommt mein Beispiel aus Berlin; das werden Sie mir verzeihen –: die Gründung des BIG, des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung. Das BIG bringt Grundlagenforschung und klinische Anwendungen – eigentlich liegen Welten dazwischen – in einem gemeinsamen Forschungsraum zusammen.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da ist die SPD auch dabei!)

Das ist ein tolles Projekt und ein gutes Beispiel für konsequente Forschungsförderung unter Führung der Union.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen eine reibungslose Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Über allem steht die Richtschnur – das ist heute auch noch nicht erwähnt worden –: 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, also von Wirtschaft und Staat, für Forschung und Entwicklung – das ist der Kern –, und dieses Ziel erreicht Deutschland. Hier sind wir gerade im europäischen Maßstab vorbildlich.

Steuerliche Forschungsförderung hin oder her: Die deutsche Forschungspolitik ist auf dem richtigen Weg. Trotzdem – und damit schließe ich die Diskussion um Geld ab – gibt sich die Union mit dem Erreichten nicht zufrieden. Wir freuen uns, wenn wir mit Bündnis 90/Die Grünen einen weiteren Partner für noch bessere Förderung von Wissenschaft und Forschung haben.

Ein „Wissenschaftswunder“, Herr Gehring, wie Sie es nennen, hängt aber nicht nur vom Geld und der Infrastruktur ab – so wichtig die auch sein mögen –, sondern auch vom gesellschaftlichen Klima. Und da geht es übrigens auch – das ist heute ebenfalls noch nicht erwähnt worden – um ein klares Leistungsprinzip; das ist wichtig. Aber noch viel wichtiger für den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland, geradezu ein Schlüssel, ist die Denk- und Forschungsfreiheit. Und hier, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, gehen unsere Ansichten momentan leider ziemlich grundsätzlich auseinander.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie, statt Forschungsfreiheit zu befördern, lieber Forschungsplanwirtschaft mit klaren Vorgaben installieren wollen:

(Lachen des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Darauf haben wir gewartet!)

Böse Forschung darf nicht gemacht werden, aber gute Forschung wird gefördert bis zum Abwinken. Ich halte dies im Kern für innovationsfeindlich; denn Innovation ist ganz selten ein Produkt staatlich gelenkter Vorgaben. Daran hat uns übrigens auch der Nobelpreisträger Stefan Hell in dieser Woche im Ausschuss erinnert. Es geht nicht um die Unterscheidung von guter und böser Forschung; vielmehr muss zwischen erfolgreicher und mittelmäßiger Forschung unterschieden werden.

Für den Forschungsstandort Deutschland ist es brandgefährlich, wenn wir zu viele Forschungsfelder pauschal verdammen. Ich kann die Reizthemen gerne noch einmal aufrufen:

Nehmen wir die Energieforschung. Hier wollen Sie die Forschung zum Beispiel für die Felder Erdgas- und Kohleförderung und -verwertung ganz verbieten, genauso wie die Fusionsforschung.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen da nicht Milliarden versenken! ITER ist ein Milliardengrab!)

Dabei sind dies technologisch eminent wichtige Themen. Ein klassischer Portfolio-Leitspruch lautet: Never place all eggs in one basket. Das gilt auch für die Energieforschung, meine Damen und Herren.

Oder das Thema optimierte Pflanzenzucht – hier gucke ich in Richtung der Linken –: Das Wort „Grüne Gentechnik“ ist in Deutschland inzwischen fast ein Unwort. Hier reden wir nicht mehr von Forschungsfreiheit, sondern praktisch vom Gegenteil: von Gängelung und Stigmatisierung von Forschung.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Never, never düngt zu viel!)

Teilweise wurden Forscherinnen und Forscher bedroht, ihre Arbeitsfelder zerstört, und als Krönung wurde erfolgreichen Lehrstuhlinhabern von grün beeinflussten Landesregierungen de facto Berufsverbot erteilt. Das schwächt unsere Hochschulen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Oder das Reizthema Tiermodelle, das heißt präklinische Forschung. Auch hier wird im Land eine forschungs- und entwicklungsfeindliche Stimmung geschürt, auch von Teilen von Bündnis 90/Die Grünen. Aber forschungsfeindliche Angst- und Stimmungsmache in diesem Land ist kein Weg für ein „Wissenschaftswunder“.

Dies betrifft im Übrigen auch das Reizthema Militärforschung.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mal etwas zum Thema Hochschulbau sagen? Zur Infrastruktur?)

Gerade für Hochschulen – Herr Gehring, Hochschulen sind Ihnen ja so wichtig – gilt: Zivilklauseln und Diskussionen über Dual Use oder „böses“ Industriesponsoring befördern kein Wissenschaftswunder, eher im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])

Forschung und Innovation brauchen Forschungsfreiheit, ein klares Leistungsprinzip und gute Förder- und Forschungsbedingungen. Für all dies steht die Union.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union steht für Militärforschung! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wie wäre es denn mit mehr Forschungsverantwortung? Das kennt ihr nicht!)

Das Wort hat der Kollege Oliver Kaczmarek für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5267667
Wahlperiode 18
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Investitionen in die Wissenschaft
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