18.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 14

Herlind GundelachCDU/CSU - Herkunft von Konfliktrohstoffen und Menschenrechte

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In unserem Grundgesetz haben Menschenrechte einen ganz besonderen Stellenwert, der nicht zuletzt aus unserer Geschichte herrührt. Für die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag und die ihn tragenden Fraktionen ist der Schutz der Menschenrechte bei der Gestaltung von Politik immanent und unverzichtbar. Daher setzen wir uns auch international für die Beachtung der Menschenrechte ein, wo immer es geht. Wir treten für die Abschaffung von Folter und Todesstrafe und für die Sicherung der Medien- und Meinungsfreiheit ein, und wir kämpfen gegen Menschenhandel und Unterdrückung. Dennoch müssen wir leider konstatieren, dass in weiten Teilen der Welt noch immer Menschenrechtsstandards sehr stark von unseren abweichen. Wir müssen leider auch konstatieren, dass Menschenrechte nicht überall auf der Welt den gleichen Stellenwert einnehmen wie bei uns.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Bemühungen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats zu sehen, ein Zertifizierungssystem auf freiwilliger Basis für den Umgang mit sogenannten Konfliktrohstoffen zu schaffen. Mit dem Verordnungsentwurf reagiert die Kommission auf den Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, welcher 2012 in den USA in Kraft getreten ist. Danach müssen Unternehmen, die an der US-Börse notiert sind, angeben, ob ihre Produkte Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthalten, welches aus der Konfliktregion der Demokratischen Republik Kongo oder ihren Nachbarstaaten stammt. Für die Einfuhr muss nachgewiesen werden, dass die Rohstoffe „konfliktfrei“ sind. Auch deutsche Unternehmen sind, sofern sie Zulieferer sind, indirekt von den Regulierungen des DFA betroffen; denn die Anforderungen des Herkunftsnachweises werden innerhalb der Wertschöpfungskette weitergegeben.

Ziel des von der Kommission am 5. März 2014 vorgelegten Verordnungsentwurfs ist es, Querfinanzierungen von Rebellengruppen und Konflikten bei der Rohstoffgewinnung zu unterbinden. Dieser Entwurf sieht ein freiwilliges Selbstzertifizierungssystem für die europäischen Importeure von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold als „verantwortungsvolle Einführer“ vor. Diese Rohstoffe sind – das wurde schon gesagt – elementar für die Produktion wichtiger Güter. Sie werden unter anderem für die Herstellung von Autos, Handys, Uhren und sogar Zahnpasta benötigt, um einmal die Bandbreite ihrer Bedeutung zu dokumentieren.

Im Gegensatz zum Dodd-Frank Act lehnt die EU eine Länderliste kategorisch ab, da sie kein Land und keine Region stigmatisieren will. Diese Vorgehensweise finde ich richtig und der Schwierigkeit des Problems angemessen. Im Übrigen ist das, denke ich, auch eine Erkenntnis aus den Erfahrungen mit der amerikanischen Regelung. Allerdings ist die EU-Definition von Konflikt- und Hochrisikogebieten noch sehr unbestimmt und verlagert die Definition überwiegend auf die Rohstoffimporteure. Hier könnte meines Erachtens eine Unternehmensliste weiterhelfen, die die Firmen abbildet, die die entsprechenden Rohstoffe fördern und exportieren.

Der federführende Ausschuss für internationalen Handel des Europäischen Parlaments hat im Zuge seiner Beratung des Antrags vorgeschlagen, das System für die Upstream-Industrie, das heißt vom Abbau des Erzes bis zur Schmelze, verpflichtend gelten zu lassen und es für die Downstream-Industrie beim Prinzip der Freiwilligkeit zu belassen. Für diese Lösung gibt es nach meiner Kenntnis in der deutschen Wirtschaft durchaus Zuspruch.

Am 21. Mai nun hat das Europäische Parlament über die Verordnung abgestimmt und sich mit deutlicher Mehrheit darauf verständigt, die gesamte Lieferkette verpflichtend zu machen. Die Anerkennung als gewissenhafter Importeur und die entsprechenden Dokumente sollen von einem unabhängigen Dritten in einem Audit geprüft werden. Die Namen der zertifizierten Importeure sollen von der Kommission in einer Art Positivliste als verantwortungsvolle Hütten und Raffinerien veröffentlicht werden. Die Zertifizierung wiederum soll auf Basis der OECD-Due-Diligence-Guideline für das verantwortungsvolle Management von Lieferketten durchgeführt werden. Was ich gut finde, ist, dass KMUs dabei finanziell unterstützt werden; denn ein solches System einzuführen, ist mit erheblichen Kosten verbunden.

Genauso wie die Kommission will das Europäische Parlament die Sekundärrohstoffe aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausnehmen. Allerdings sollen die Unternehmen nachvollziehbar nachweisen, dass die Ressourcen ausschließlich aus recycelten Materialien oder aus Schrott gewonnen werden. Dazu soll das Unternehmen beschreiben, wie es zu dem Nachweis gelangt ist. Wie jedoch die Erfahrungen mit dem Dodd-Frank Act gezeigt haben, sind Nachweispflichten vom Endprodukt zurück bis zur Mine aufgrund der Tiefe und Komplexität vieler industrieller Wertschöpfungsketten häufig nicht leistbar und bei Sekundärrohstoffen nahezu nicht möglich. Mit einer solchen Regelung würde unseres Erachtens daher die Ausnahme von Schrott aus dem Anwendungsbereich der Verordnung indirekt wieder ausgehöhlt. Deshalb sollte hier ein möglichst unbürokratischer Nachweis geführt werden können, wie er sich schon im Dodd-Frank Act bewährt hat.

Das ist in der Tat ein schwieriges Feld. Viele Unternehmen in Deutschland sind sich ihrer verantwortlichen Position innerhalb der Wertschöpfungskette schon seit langem bewusst und setzen bereits seit vielen Jahren auf freiwillige Initiativen, welche sehr gut funktionieren und die auf Basis der OECD-Leitlinie für das verantwortungsvolle Management von Lieferketten formuliert wurden.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Welche denn?)

– Das können Sie im Internet genau nachlesen.

(Lachen bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Sie von der Linken können ja eine Zwischenfrage stellen! Frau Gundelach beantwortet sie gerne!)

Insofern ist es nur folgerichtig, dass nach den Vorstellungen von Kommission und Parlament solche Unternehmensinitiativen oder andere entsprechende Systeme als gleichwertig anerkannt werden sollen. Einen Durchbruch könnten wir vermutlich dann erzielen, wenn weltweit mehr Maßnahmen zur Förderung der Zertifizierung von Schmelzen ergriffen würden, damit genügend Rohstoffe von zertifizierten Schmelzbetrieben auf dem europäischen Markt zur Verfügung stünden. Daher lautet mein Appell an die Bundesregierung, sich neben einer europäischen Regelung für einen internationalen Ansatz zu engagieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken sowie von Bündnis 90/Die Grünen, Sie fordern in Ihren Anträgen, es solle keine Freiwilligkeit geben, sondern eine Offenlegungspflicht für die gesamte Lieferkette, die von einer Behörde der Mitgliedstaaten regelmäßig kontrolliert werden soll. Ferner wollen Sie in die Sorgfaltspflicht die Wahrung der Menschenrechte ausdrücklich mit einschließen. Wie das allerdings kontrolliert werden soll, verraten Sie uns nicht.

Ich betone noch einmal: Ich halte den Vorschlag der Kommission – gegebenenfalls in leicht veränderter Form, wie vom Handelsausschuss vorgeschlagen – für einen geeigneten und praktikablen Weg, und zwar sowohl für die Unternehmen als auch für die betroffenen Länder. Eventuell könnte man daran denken, nach einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren eine Evaluierung vorzusehen und dann, falls erforderlich, nachzusteuern. Mit dem Aufbau einer neuen Bürokratie dienen Sie aber weder der Sache noch den Menschen, die in den betroffenen Ländern in der Wertschöpfungskette arbeiten. Denn eines müssen wir sehen: Schon heute sind immer weniger europäische Firmen in diesen Ländern tätig. Sie werden zunehmend vor allem von asiatischen Firmen verdrängt, die in der Regel die Empfehlungen der OECD zu Sozialstandards beim Abbau von Rohstoffen nicht beachten. Deshalb sollten wir unsere europäischen Firmen stärken, weiterhin vor Ort im Interesse der dort lebenden Menschen zu arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Kollege Uwe Kekeritz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5267796
Wahlperiode 18
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Herkunft von Konfliktrohstoffen und Menschenrechte
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