Klaus BarthelSPD - Herkunft von Konfliktrohstoffen und Menschenrechte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In der Tat, weltweit gibt es derzeit rund 400 gewaltsame Konflikte, sprich: Kriege und Bürgerkriege. Davon sind etwa 20 Prozent in Verbindung mit Konflikten um Rohstoffe zu bringen. Das heißt, es gibt weltweit rund 80 solcher Konflikte. Diese Zahlen sind nicht von mir, sondern sie zitiert die Europäische Kommission selber als Ausgangspunkt für ihren, wie es so schön heißt – ich zitiere –, „Vorschlag für eine Verordnung … zur Schaffung eines Unionssystems zur Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette durch verantwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“; so heißt das Ganze. Dieser Vorschlag ist vom März 2014.
In der Tat hat die Kommission erkannt, dass es gilt – ich darf noch einmal zitieren –, „den Zusammenhang zwischen der Förderung von Bodenschätzen und Konflikten aufzubrechen“. Sie erkennt auch, dass wir dabei verschiedene internationale Verpflichtungen einlösen müssen. Sie anerkennt auch, dass das nicht nur eine außenpolitische und entwicklungspolitische Frage ist, sondern auch eine handels- und wirtschaftspolitische.
Mit dieser Aussage ist sie den Oppositionsfraktionen allerdings eindeutig voraus; denn dort kommen alle Anträge zu diesem Thema immer „nur“ – in Anführungszeichen – von den Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitikern. Ich glaube, hier wäre auch bei Ihnen einmal eine Verbreiterung der Debatte notwendig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Inhaltlich sind Ihre Initiativen ja aller Ehren wert; aber wenn Sie die Probleme vom Kern her angehen wollen, dann müssen Sie vor allen Dingen eben auch die wirtschafts- und handelspolitische Ebene erreichen und damit die Diskussion auf eine breitere Basis stellen.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist bei uns kein Problem!)
Inhaltlich halten aber auch wir den Verordnungsvorschlag der Kommission für unzureichend. Die Kommission will zwar die Substanz von Zertifikaten gesetzlich regeln, aber es eben den Unternehmen überlassen, ob sie sich mit ihrer Wertschöpfungskette freiwillig zertifizieren lassen wollen. An dieser Stelle bewegen sich die Kommission und die Freunde der Freiwilligkeit – das muss man sagen – in einen fundamentalen Widerspruch hinein: Einerseits wird zwar betont, dass man Initiativen von Staaten und Unternehmen, etwa das EITI-Engagement der EU in der OECD, die Tin Supply Chain Initiative und viele andere, unterstützt; aber gleichzeitig stellt die Kommission auch selber fest, dass nur 16 Prozent der Hüttenwerke weltweit sich an solchen Initiativen beteiligen. Andererseits wird dann argumentiert, dass eine verpflichtende Regelung, eine verpflichtende Teilnahme von Unternehmen bürokratisch und kostenintensiv ist.
Dann ergibt sich aber doch die Frage: Welcher Anreiz soll denn dann für irgendein Unternehmen entstehen, sich freiwillig solch einer Zertifizierung zu unterwerfen; denn es begibt sich doch, wenn Bürokratiekosten anfallen, in einen Wettbewerbsnachteil, zum Beispiel gegenüber den asiatischen Unternehmen, die hier zitiert worden sind. Das heißt, Verpflichtung stellt erst einmal Fairness zwischen den Unternehmen im Wettbewerb und Wettbewerbsgleichheit her.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Gerade wenn wir uns die aufgelistete Vielfalt an Initiativen anschauen, wird klar, wie unübersichtlich, wie intransparent und wie bürokratisch das Ganze am Ende ist. Deswegen geben wir zu: Es mag sinnvoll sein, am Anfang ein verbindliches System einzuführen. Ein solches System mag am Anfang Kosten und Aufwand verursachen; aber am Ende bedeutet es doch wesentlich weniger Bürokratie, es ist wesentlich transparenter, es ist mit Verbindlichkeit und Kontrollierbarkeit von Vorteil für alle und von Nachteil für alle schwarzen Schafe. Deswegen ist es am Ende billiger als das Durcheinander, das wir im Moment haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Insofern ist die Debatte, seitdem der Vorschlag der Kommission auf dem Tisch liegt – seit einem Jahr –, nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich fortgeschritten. Richtig ist der weltweite Ansatz der Kommission. Richtig ist, die Zertifizierung gesetzlich zu regeln. Aber wir brauchen in der Tat eine Verbindlichkeit, und wir brauchen die ganze Wertschöpfungskette. Dafür zu sorgen, das ist das Ziel des Trilogverfahrens, das jetzt auf europäischer Ebene anläuft.
Wir stellen fest: In diesem Jahr haben wir die Zeit genutzt, einen Lernprozess in Bewegung zu setzen. Mit „wir“ meine ich die SPD-Bundestagsfraktion. Darüber gehen Sie jetzt locker hinweg, aber wenn Sie die Antworten auf Ihre Anfragen an die Bundesregierung lesen, merken Sie: Da hat sich eine Positionsveränderung vollzogen. Die Bundesregierung tritt jetzt auch für verbindliche Regelungen ein. Die SPD-Fraktion hat zum Beispiel zur Umsetzung der SDGs einen Beschluss gefasst. Wir haben hier vor ungefähr vier Wochen anlässlich des G-7- Gipfels eine Debatte gehabt, in der ich genau dies alles ausgeführt habe und Bundesentwicklungsminister Müller sich in Zwischenrufen eindeutig zu dieser Position bekannt hat. Das heißt, es gibt in dieser Koalition einen Lernprozess, und es gibt einen wachsenden Konsens in der Koalition, sich in dieser Frage zu bewegen.
(Beifall bei der SPD – Niema Movassat [DIE LINKE]: Wir sind gespannt! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen die Verhandler in Brüssel das auch?)
– Man kann das alles nachlesen. Schauen Sie sich die Protokolle und die Anfragen an!
Wir sollten dieses breite gesellschaftliche Bündnis von NGOs, Kirchen und Gewerkschaften, von dem schon die Rede war, nutzen und unsere Perspektive deutlich machen, übrigens nicht nur irgendwann einmal bei den Konfliktmineralien, sondern auch bei Hemden, Holz und was es da alles gibt, und fairen Handel statt freien Handel durchsetzen. Wenn wir uns ein Gerät, ein Kleidungsstück, ein Nahrungsmittel oder was auch immer kaufen, soll daran kein Blut kleben, sondern wir alle wollen bezahlen für gute Arbeit, für ökologische Standards und nicht für Waffen, Krieg und Bürgerkrieg.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5267880 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Herkunft von Konfliktrohstoffen und Menschenrechte |