18.06.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 16

Karin BinderDIE LINKE - Schutz von Whistleblowern

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Worüber reden wir eigentlich? Was ist Whistleblowing?

(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hat Markus doch eben gesagt!)

Das sollten wir zu Beginn der Debatte klären. Ich sage Ihnen auch, warum. In der Sitzung des Ernährungsausschusses am 20. Mai sprach Herr Staatssekretär Bleser von der CDU in der Diskussion über die vorliegenden Vorlagen zum Whistleblower-Schutz von Denunziantenschutz. Ich glaube, es besteht ganz dringender Klärungsbedarf in den Reihen der CDU/CSU, worum es hier geht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, es ist ein Hammer, wenn ein Regierungsmitglied solche Worte benutzt, um das wichtige Problem, das wir hier haben, zu behandeln. Ein Denunziant ist laut Duden jemand, der „aus persönlichen, niedrigen Beweggründen“ andere anschwärzt. Wir reden hier heute über Zivilcourage von Hinweisgebern, von sogenannten Whistleblowern. Das bedeutet, ungeachtet der eigenen persönlichen Nachteile, die man dadurch möglicherweise erleidet, für andere einzutreten.

Für Whistleblowing und für Zivilcourage gibt es viele Beispiele: Der Lkw-Fahrer, der öffentlich machte, dass verdorbene Schlachtabfälle zu Lebensmitteln umdeklariert wurden, deckte damit den bundesweit größten Gammelfleischskandal auf. Aber nach Ansicht von Herrn Bleser im Ernährungsministerium ist dieser Mann ein Denunziant. Nein, Herr Bleser, dieser Mann hat Zivilcourage, er ist ein Hinweisgeber und verdient unseren Schutz und Respekt. Denn auch dieser Mann hat inzwischen seinen Job verloren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Durch das Einschreiten einer Tierärztin wurden damals die ersten BSE-Fälle öffentlich. Eine Denunziantin? Nein, Herr Bleser, eine Frau mit Zivilcourage, eine Whistleblowerin.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Edward Snowden, der größte Denunziant von allen? Nein, Herr Bleser, ein Mann, dem unsere Gesellschaft höchsten Respekt entgegenbringen müsste, weil er den größten Skandal von Abhören und Ausspionieren öffentlich gemacht hat.

Viele Menschen, die sich so ohne Rücksicht auf die eigene Person im Sinne der Gesellschaft für die Belange anderer eingesetzt haben, müssen heutzutage nach derzeitiger Rechtsprechung ernsthafte Benachteiligungen in Kauf nehmen, vom Mobbing bis hin zur Vernichtung ihrer Existenzgrundlage, nämlich den Verlust des Arbeitsplatzes.

Elf Altenpflegerinnen im Münsterland machten gemeinsam die Leitung ihres Altenheims auf unhaltbare Zustände aufmerksam, hielten den Dienstweg ein. Die Pflegerinnen wollten die menschenunwürdigen Wohnbedingungen und die Missstände bei der Pflege vieler alter und demenzkranker Menschen beheben und natürlich auch die ständige Arbeitsbelastung, die damit verbunden war, beenden und nicht mehr hinnehmen. Die Heimaufsicht blieb leider untätig. Daraufhin gingen die Frauen an die Öffentlichkeit und wurden fristlos entlassen;

(Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ein Skandal!)

das habe ich hier schon einmal erzählt.

Das Schlimme ist nur: Das Arbeitsgericht, das dann über die Kündigungsschutzklagen zu befinden hatte, fand, dass das alles ja gar nicht so schlimm ist, aber dem Altenheim erheblicher Schaden zugefügt wurde.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ach! Die erste Instanz hat doch anders entschieden! Das ist doch so überhaupt nicht richtig!)

Die menschenunwürdige Behandlung der alten Menschen spielte bei der Urteilsfindung keine Rolle. Die Frauen haben also Zivilcourage bewiesen und ihren Arbeitsplatz verloren. Diese Urteile belegen für mich, dass wir hier eine große Lücke in unserem Rechtssystem haben,

(Beifall bei der LINKEN)

dass wir Gesetze haben, die dem Anspruch, Whistleblower zu schützen, nicht gerecht werden. Deshalb ist der Bundestag gefordert, diese Lücken zu schließen, und zwar durch ein Gesetz, das die Menschen verstehen können, statt sich durch ein Dutzend Gesetze kämpfen zu müssen. Wir brauchen ein Gesetz, wir brauchen eine Anlaufstelle für die Menschen, und wir brauchen definitiv einen Whistleblower-Schutz.

Ich kann nur sagen: Vielen Dank an diese Altenpflegerinnen! Vielen Dank an all die Menschen, die sich unbeschadet ihrer eigenen Person für andere eingesetzt haben! Wir hoffen, dass wir in Zukunft auch durch den Bundestag einen besseren Schutz und mehr Unterstützung für diese Menschen auf den Weg bringen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Kollege Wilfried Oellers hat für die CDU/CSU- Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5267977
Wahlperiode 18
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Schutz von Whistleblowern
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine