Bärbel KoflerSPD - Entwicklungsfinanzierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf den Tribünen! Liebe Heike Hänsel, wir sind uns ja einig, dass man gerade im Zusammenhang mit sozialen Fragen Steuersysteme aufbauen und nutzen soll. Aber so zu tun, als hätten wir kein Steuersystem in Deutschland,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Doch, aber ein ungerechtes!)
ist – in vielen Ländern des Südens ist das leider der Fall, dort sind viele Haushalte ausschließlich auf Zolleinnahmen angewiesen, weil es keine Steuersysteme gibt – schon komisch, um es einmal vorsichtig zu sagen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir diskutieren jetzt im Vorfeld der Konferenz von Addis Abeba, die Mitte Juli dieses Jahres stattfinden wird. Es ist die dritte Entwicklungskonferenz innerhalb der letzten 15 Jahre. Die erste war in Mexiko, die zweite in Katar. Aber diese Konferenz unterscheidet sich massiv von den vorangegangenen Konferenzen. Hier geht es um weit mehr als die wichtigen MDGs, die Millenniumsentwicklungsziele. Hier geht es um eine nachhaltige Agenda für alle Länder dieser Erde: für die Länder des Südens genauso wie für uns. Es geht um den Handlungsbedarf in unseren Gesellschaften und bei den Ungerechtigkeiten innerhalb unserer Gesellschaften. Deshalb ist der Erwartungsdruck auf die Konferenz in Addis Abeba hoch – zu Recht hoch.
Es geht darum, 17 Nachhaltigkeitsziele inhaltlich umfassender als alles das, was wir bisher diskutiert haben, auf den Weg zu bringen und Gestaltungsmöglichkeiten für eine andere Welt zu eröffnen. Es geht um Themen wie inner- und zwischenstaatliche Ungleichheit. Es geht um menschenwürdige Arbeit weltweit, um nachhaltige Produktionsmuster, um Klima, Frieden und Sicherheit. Wenn wir all diese positiven Ziele erfüllen wollen, dann brauchen wir eines: eine ausreichende Finanzierung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das heißt aber auch, Addis Abeba muss gelingen, wenn die nachfolgenden Konferenzen – sei es die SDG-Konferenz, also die Konferenz um die Nachhaltigkeitsziele in New York, oder die Klimakonferenz im Dezember in Paris – erfolgreiche Konferenzen werden sollen und wir zu Fortschritten kommen wollen. Deshalb die Konzentration auf einige finanztechnische bzw. technische Fragen: Ja, es geht um die sogenannte ODA-Quote. Sie ist eine erste und wichtige Säule. Das sind also die Mittel der staatlichen Finanzierung. Das ist angesprochen worden. Darauf sind besonders die Länder im Süden angewiesen, die unter Fragilität, unter schwachen Strukturen, schwacher Staatlichkeit leiden. Sie sind auf diese Unterstützung besonders angewiesen. Wenn wir dort etwas dazu beitragen wollen, dass zum Beispiel die viel zitierten Fluchtursachen bekämpft werden, dann müssen wir langfristig – ich betone: langfristig – in den Staatsaufbau investieren. Dafür brauchen wir die sogenannten ODA-Mittel.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Fuchtel, ich muss Ihnen leider widersprechen; ich tue es sehr ungern, aber ich muss es an dieser Stelle tun. Der EU-Ministerrat der Entwicklungsminister vom 26. Mai hat beschlossen, die Frist zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels zu verlängern bzw. sich für das Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels einzusetzen. Aber man muss den Satz zu Ende lesen. Dort steht: „innerhalb des zeitlichen Rahmens der Post-2015-Agenda“. Ich muss ehrlich sagen: Mir als Entwicklungspolitikerin, aber auch vielen anderen Kolleginnen und Kollegen im Haus – fraktionsübergreifend – ist und kann das nicht genug sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir befinden uns im Jahr 2015. Für das Jahr 2015 haben wir als Völkergemeinschaft versprochen, das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Wenn wir im selben Jahr versprechen, dass wir es ganz sicher im Jahr 2030 erreichen, dann ist das kein glaubwürdiges Signal an die Länder des Südens.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich betone: Auch ich freue mich über den Mittelaufwuchs in Höhe von 8,3 Milliarden Euro bis zum Haushalt 2018. Das ist ein wichtiger Schritt, sei es im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, in der humanitären Hilfe, bei den Mitteln des Auswärtigen Amtes wie auch in Fragen des Klimaschutzes. Die Zahl, die von den Kolleginnen und Kollegen genannt wurde, ist richtig. Wir haben unsere Quote damit aber nicht erfüllt. Wir bewegen uns ungefähr auf einem 0,4-Prozent-Pfad. Das ist zu wenig. Wir sind gefordert, den Aufwuchspfad vorzustellen, mit dem wir in den nächsten Jahren das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich betone: Es geht nicht um das Sammeln von Geld um des Sammelns oder der Erfüllung irgendwelcher Quoten willen, die man irgendwann versprochen hat, sondern es geht darum – gerade das hat Elmau auch deutlich gemacht –, dass die Weltgemeinschaft, dass viele Staaten, auch die Industriestaaten, erkannt haben, vor welchen Problemen wir stehen. Wenn es um die Frage und das Versprechen geht, 500 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern von Hunger und Mangelernährung zu befreien, dann brauchen wir dafür Mittel. Wenn es um den versprochenen Präventionsfonds geht, mit dem Arbeitnehmer, die unter unwürdigen Produktionsbedingungen leiden, geschützt werden sollen, oder wenn es um eine praktische Unfallversicherung geht, dann werden wir dafür Mittel brauchen.
(Stefan Rebmann [SPD]: Sehr richtig!)
Auch für die Gesundheitssysteme in den Ländern des Südens – ihre Einführung wird im Ministerium oft angemahnt – werden wir Mittel benötigen, wenn wir Epidemien wie Ebola in Zukunft verhindern wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Wir werden diese Mittel auch im Hinblick auf die in Elmau gemachten Zusagen für den Klimaschutz brauchen. Denn selbstverständlich kann es nicht sein, dass wir die Mittel für den Klimaschutz eins zu eins auf die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit übertragen.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das planen Sie doch!)
– Herr Kekeritz, das planen wir nicht. Es gibt Mittel, die man für beide Zwecke gut verwenden kann. Es gibt aber auch eindeutige zusätzliche Aufgaben, die aufgrund der veränderten Weltlage entstanden sind,
(Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
und dafür brauchen wir zusätzliche Mittel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die zweite Säule – sie ist angesprochen worden – finde ich ebenso wichtig. Ich würde sie auch nicht mit einem Nebensatz wegdiskutieren. Es muss selbstverständlich – gemäß dem Prinzip der Universalität der SDGs – um die Erhöhung von Steuereinnahmen in den Ländern des Südens gehen. Es geht um die Frage, wie man vernünftige Finanzverwaltungen und Steuerverwaltungen aufbauen kann, um auch die Reichen dieser Länder, die es sehr wohl gibt, ordentlich an der Finanzierung ihrer Gemeinschaft zu beteiligen und die so gewonnenen Mittel für die Armutsbekämpfung zu verwenden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Hierzu können und müssen wir einen Beitrag leisten. Es geht um Kapazitätsaufbau, um Personal, aber auch um die entsprechenden finanziellen Ressourcen, um Finanzverwaltungen, Rechnungshöfe und darum, Parlamente stark zu machen, Transparenz zu schaffen. Es geht aber auch – da weisen die Finger natürlich auf uns und unsere Gesellschaft zurück – um das Schließen von Steuerschlupflöchern und um das Thema Steuervermeidung.
Wir haben gestern im Ausschuss eine Zahl gehört; das ist nur eine Schätzung, aber wenn diese Schätzung nur ungefähr der Wahrheit entspricht – ich habe mehrfach nachgefragt –, dann ist das unglaublich und nicht mehr zu tolerieren. Die UN gehen davon aus, dass den Entwicklungsländern jährlich durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung 500 Milliarden US-Dollar verloren gehen. Was könnten wir mit diesem Geld bei der Armutsbekämpfung alles erreichen?
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Genauso wichtig ist es, in den nationalen Systemen der Entwicklungsländer Steuereinnahmen zu generieren. Erik Solheim, der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses der OECD sagte: Wenn es allen Entwicklungsländern gelänge, ihre Steuereinnahmen um 1 Prozent zu erhöhen, entspräche das einer Verdoppelung der weltweiten öffentlichen Entwicklungsfinanzierung. – Das ist richtig. Dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben als Koalitionsfraktionen einen sehr guten Antrag zur Entwicklungshilfefinanzierung vorgelegt. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings; die Entwicklungspolitiker der Unionsfraktion werden mir sicher verzeihen, dass ich ihn anspreche. Ursprünglich standen in unserem Antrag folgende Sätze: Die Bundesregierung wirkt auf europäischer Ebene auf die Einführung einer Finanztransaktionsteuer hin.
(Stefan Rebmann [SPD]: Jawohl!)
Dies begrüßen wir. Die Einführung ist auch für die weitere Zukunft der Entwicklungsfinanzierung von Bedeutung. – Leider haben die Finanzpolitiker der Union diese wichtigen Sätze aus dem Antrag gestrichen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Vielen Dank, Dr. Bärbel Kofler. – Der letzte Redner in der Debatte ist Uwe Kekeritz für Bündnis 90/Die Grünen.
(Johannes Selle [CDU/CSU]: Hoffentlich muss ich keinen Zwischenruf machen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
– Zwischenrufe sind erlaubt; mal schauen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5268138 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Entwicklungsfinanzierung |