Dietmar NietanSPD - Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der KFOR-Einsatz geht nun schon in sein 16. Jahr. Seit 1999 sind deutsche Soldatinnen und Soldaten im Kosovo präsent. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass unser größter Wunsch ist, dass sich die Situation im Kosovo möglichst schnell in eine Richtung entwickelt, dass wir dieses Mandat beenden können; denn wir alle wissen: Die Probleme und die Verwerfungen, die es in der Region gibt und die ihre Ursachen auch in dem schrecklichen Bürgerkrieg der 90er-Jahre haben, werden nie mit militärischen Mitteln zu lösen sein, sondern sie können nur im Miteinander in der politischen Arbeit gelöst werden. Aber – das sage ich an dieser Stelle auch sehr deutlich – solange diese Situation im Kosovo noch fragil ist, solange Kosovo noch nicht auf einem stabilen Weg ist, wäre es verantwortungslos, die Mission zum jetzigen Zeitpunkt zu beenden.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will aber auf die politischen Rahmenbedingungen zurückkommen; denn es reicht nicht aus, dass wir hier ein Mandat verlängern. Wir müssen uns überlegen, was wir als Bundesrepublik Deutschland, aber auch gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union tun können. Ich denke dabei an die Unterstützung von positiven Entwicklungen im Kosovo, die Stärkung der Zivilgesellschaft, die Schaffung einer ökonomischen Perspektive, die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität oder etwa die Ausarbeitung von konkreten Roadmaps für eine bessere Governance im Kosovo. Wir müssen in diesen Fragen eng zusammenarbeiten und immer wieder neue Initiativen starten.
Warum sage ich das? Ich meine damit nicht, dass wir besser wissen, welcher Weg der richtige für das Kosovo ist, als die Bürgerinnen und Bürger des Kosovo. Aber ich sehe es schon als unsere Aufgabe an, deutlich zu machen, dass wir an den politischen Entwicklungen im Kosovo ein großes Interesse haben, dass wir aber auch eine Empathie für die Menschen dort haben und wir mithelfen wollen, dass die Menschen eine Perspektive bekommen. Wir müssen ihnen zeigen, dass ihr Weg der richtige ist, wenn er zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit führt. Dabei muss klar sein, dass dieser Weg am Ende auch von uns mit dem Ziel unterstützt wird, eines Tages das Kosovo als Mitgliedstaat in der Europäischen Union begrüßen zu können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich halte das auch deshalb für sehr wichtig, weil die Gesellschaft im Kosovo sehr jung ist; es ist die jüngste aller europäischen Gesellschaften. Gerade dort, wo eine Gesellschaft sehr viele junge Menschen hat, können Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit – das müssen wir erkennen – zu besonders großen Problemen führen.
Wir können uns nicht zurücklehnen und sagen: Na ja, die politischen Eliten im Kosovo hätten auch schon einiges besser machen können – was sicherlich richtig ist –, sondern wir müssen immer wieder überlegen, wie wir uns mit den Kräften in der Zivilgesellschaft und auch mit den Kräften in der Politik im Kosovo engagieren können, die ein Interesse daran haben, den Status quo zu verändern, und nicht danach schauen, welcher politische Clan welche Macht und welches Geld einkassiert, und die ihr Land vielmehr wirklich auf einen guten Weg bringen wollen. Diese Kräfte gibt es im Kosovo, und sie erwarten von uns, dass wir sie nicht alleinlassen und dass wir weiterhin ein großes Engagement, nicht nur im Kosovo, sondern auch in der gesamten Region des sogenannten Westbalkans zeigen.
Ich will an dieser Stelle betonen, dass wir das Kosovo natürlich nicht allein betrachten können. Deshalb will ich ausdrücklich sagen, dass ich es begrüße, dass sich die Bundesregierung so stark in dieser Region engagiert, dass 2014 die Westbalkankonferenz stattgefunden hat, die neue Perspektiven für die gesamte Region entwickeln soll.
Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung Initiativen auch in der Frage von Beitrittsverhandlungen mit Serbien gestartet hat; dort soll ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Ich glaube, dass es der richtige Weg ist und dass jetzt auch die richtige Zeit ist, mit der serbischen Regierung darüber zu sprechen, wie wir die Kapitel 35 und 32 des Besitzstands öffnen können. Wir erwarten, dass auf beiden Seiten, in Serbien, aber auch im Kosovo, mit Ernsthaftigkeit, mit Lauterkeit daran gearbeitet wird, die Differenzen zwischen beiden Seiten Schritt für Schritt abzubauen. Am Ende des Weges muss sich Serbien klar sein – auch das sage ich an dieser Stelle –,dass der Weg in die Europäische Union nur über die Anerkennung des Kosovo führen wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Allerdings – auch das will ich betonen – müssen wir uns die Realitäten in der Entwicklung seit dem schrecklichen Bürgerkrieg in der Region anschauen. Deshalb will ich an dieser Stelle sagen: Es mag bei den fünf EU-Staaten zum damaligen Zeitpunkt gute Gründe gegeben haben, das Kosovo nicht anzuerkennen. Aber ich sage auch: Wenn wir diese gemeinsame Perspektive für alle Westbalkanstaaten, insbesondere für Serbien und das Kosovo, eröffnen wollen, dann ist es jetzt an der Zeit, dass in diesen fünf Staaten darüber nachgedacht wird, ob jetzt nicht der Zeitpunkt ist, auch das Kosovo anzuerkennen; denn eine Veränderung von Grenzen und ein Zurückdrehen der Zeit wird keinen einzigen Arbeitsplatz im Kosovo schaffen, wird keinem jungen Menschen eine Perspektive geben, aber es wird die nationalistische Auseinandersetzung befeuern und die Region destabilisieren. Deshalb appelliere ich an die fünf Staaten, die es noch nicht getan haben, zu überlegen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt ist, das Kosovo anzuerkennen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, ist der, dass wir uns sehr genau überlegen sollten, wie wir deutlich machen können, dass die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union, die wir für das Kosovo und die anderen Staaten aufrechterhalten wollen – wofür auch wir uns engagieren –, ein Missverständnis von vornherein ausschließt: Alles Bemühen, eine faire Beitrittsperspektive zu bieten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich nicht nur im Kosovo, sondern überall in den sogenannten Westbalkanstaaten die politischen Eliten ändern müssen. Sie müssen von der Haltung wegkommen: Solange ich am Status quo festhalte, meine Pfründe sichere, aber nach außen erzähle: „Wir wollen in die EU“, fahre ich am besten. – Nur wenn die politischen Eliten bereit sind, auf das einzugehen, was sich in ihren Zivilgesellschaften schon längst tut, nur wenn sie bereit sind, ihre teilweise oligarchischen Strukturen aufzugeben, dann wird es für die Staaten und insbesondere für das Kosovo auch eine ernsthafte Perspektive geben. Das ist den Menschen dort zu wünschen. Ich finde, es liegt auch in unserer Verantwortung, gerade den jungen Menschen im Kosovo eine Perspektive zu geben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich einer Kollegin gratulieren. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion feiert heute ihren 50. Geburtstag. Glückwunsch vom ganzen Haus!
(Beifall)
Noch viele weitere spannende Debattenjahre, in welcher Funktion auch immer!
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Laut dem Antrag der Bundesregierung leistet der NATO- Einsatz KFOR Folgendes – ich zitiere aus dem Antrag –: „Unterstützung zur Entwicklung eines stabilen, demokratischen, multiethnischen … Kosovo“. Dafür beantragen Sie auch für das nächste Stationierungsjahr rund 45 Millionen Euro.
Allein: Die Bundeswehr steht schon seit 16 Jahren im Kosovo, und keines der von Ihnen vorgegebenen Ziele wurde auch nur annähernd erreicht, meine Damen und Herren. Im Gegenteil: Die gesamte Regierung besteht aus ehemaligen UCK-Kadern. Im Schatten der Bundeswehrpanzer im Jahr 2015 agiert diese Terrororganisation UCK erneut und überzieht die Nachbarstaaten wie Mazedonien mit Terror. Ihr Rückzugsgebiet ist das Kosovo. So erhielten die in Mazedonien in einem Gefecht mit Sicherheitskräften getöteten UCKler in Pristina erst kürzlich ein Heldenbegräbnis auf dem Friedhof der Märtyrer unter Anwesenheit höchster Kader dieser nationalistischen Truppe.
Muss es Ihnen nicht zu denken geben, meine Damen und Herren, dass das Kosovo zu der Region in Europa geworden ist, aus der mittlerweile die meisten Kämpfer für die Terrorbanden des „Islamischen Staats im Irak und in Syrien“ rekrutiert werden – und das unter den Augen der NATO und Ihrer Bundeswehr? Ich finde, Deutschland darf nicht weiter großalbanischen Nationalismus der UCK und Terrorzentren wie das Kosovo unterstützen, die die Gewalt in die Region und in den Nahen Osten tragen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Kosovo ist das Armenhaus Europas. Die Menschen stimmen dort mit ihren Füßen gegen ein zutiefst korruptes System ab. Gerade die Minderheiten der Roma und der Serben haben die Region zu Hunderttausenden verlassen. Auch deshalb ist Ihre Bilanz hier einfach nur niederschmetternd.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Auch in puncto Völkerrecht ist Ihre Performance schlicht negativ. Der ehemalige Bundeskanzler Schröder aus der SPD erklärte erst letztes Jahr,
(Zuruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
dass es sich beim Jugoslawien-Krieg um einen Völkerrechtsbruch auch der Bundesregierung gehandelt hat. „ Die Bombardierung Jugoslawiens war völkerrechtswidrig“, sagte der ehemalige Bundeskanzler Schröder.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich frage Sie: Welche Konsequenzen haben Sie eigentlich aus dieser Aussage gezogen? Die Bundeswehr steht im Kosovo in der Folge dieses Völkerrechtsbruchs, und sie hat wie die deutsche Außenpolitik dort nie eine neutrale Rolle eingenommen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich finde, wir brauchen keine deutschen Soldaten auf dem Balkan, die Partei ergreifen und Völkerrechtsbrüche militärisch absichern. Wir brauchen eine Rückkehr zum Völkerrecht; denn nur dies kann die Basis für ein friedliches Zusammenleben in Europa sein.
(Beifall bei der LINKEN)
In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass sich der Entschließungsantrag der Grünen von dem Antrag der Bundesregierung unterscheidet; er fordert noch schärfer Völkerrechtsbrüche. Jene EU-Mitgliedstaaten, die das Kosovo bzw. die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht anerkannt haben und im Rahmen des Völkerrechts geblieben sind, sollen diesen Völkerrechtsbruch gleich der Bundesregierung anerkennen. Während Sie alle hier Russland wegen der Krim Völkerrechtsbruch vorwerfen und deshalb sanktionieren, verlangen Sie von Zypern, Rumänien, Spanien, Griechenland und der Slowakei, Ihren Völkerrechtsbruch sozusagen anzuerkennen und ihm zu folgen. Das ist pure Heuchelei, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Auffassung!)
Doppelte Standards, deutsche Machtpolitik und die Heiligung von Völkerrechtsbrüchen schaffen keinen dauerhaften Frieden in Europa. Wir sagen: Wir müssen zurück zum Völkerrecht und zu der friedlichen Außenpolitik Willy Brandts, sodass niemals wieder Krieg von deutschem Boden ausgeht.
(Beifall bei der LINKEN)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Roderich Kiesewetter, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR) |