Hermann FärberCDU/CSU - Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Zuschauer oben auf den Tribünen! Im März dieses Jahres hat die IARC – das ist die Internationale Agentur für Krebsforschung – die Einstufung von Glyphosat in die Kategorie 2A veröffentlicht. Danach ist Glyphosat wahrscheinlich krebserzeugend. Glyphosat ist nach Einstufung der IARC also genauso gefährlich wie Matetee. Ja, Sie haben richtig gehört: genauso gefährlich wie Matetee; denn beide sind in der gleichen Gefahrenklasse eingruppiert. Ein Antrag der Grünen zum Verbot von Matetee liegt allerdings bisher noch nicht vor. Ebenso wenig liegt ein Antrag der Grünen vor, alle Frisörgeschäfte in Deutschland zu schließen,
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt ja wohl lächerlich!)
obwohl die IARC bereits 2010 die Berufsausübung von Frisören als vermutlich krebserzeugend eingestuft hat. Ist das etwa eine beklagenswerte Lücke in der Antragsarbeit der Opposition, meine Damen und Herren? Nein, das ist es nicht.
Ich will hier nicht polemisch werden.
(Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Oh nein! Natürlich nicht! – Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Daran sind Sie jetzt schon gescheitert! – Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja peinlich! – Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann hören Sie lieber auf!)
Aber was ich deutlich machen will, ist Folgendes: Die Opposition erweckt mit der Einbringung ihres Antrags den Eindruck, eine Einstufung als vermutlich krebserzeugend durch die IARC sei so schlimm und dramatisch, dass sofortige Verbotsmaßnahmen nötig seien. Meine Beispiele zeigen aber, dass genau dies eben nicht erforderlich ist.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung der Kollegin Künast?
Die Frau Künast soll jetzt einfach einmal meiner Rede zuhören.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Feigling!)
Es wäre gut gewesen, wenn sie schon früher, in ihrer Zeit als Ministerin, mehr zugehört hätte.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre dann vor sieben oder vor zehn Jahren gewesen!)
Also nein.
Im Anschluss.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Beispiele zeigen, dass das ganz und gar nicht so ist. Übrigens – für denjenigen, der es nicht weiß –: Als sicher krebserzeugend eingestuft ist Alkohol. Auch hier möchte niemand ein Verbot.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau die Verharmlosungsstrategie von Monsanto & Co.!)
Wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass diese neue Einstufung nicht die einhellige Haltung der Weltgesundheitsorganisation ist;
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber von der, die für Krebs zuständig ist!)
denn andere WHO-Gremien, etwa die JMPR, vertreten nach wie vor die gegenteilige Ansicht.
Ebenso sieht auch die europäische Bewertungsbehörde EFSA bislang keine Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung; auch das gehört zur vollständigen Wahrheit. Der Bewertung von Glyphosat liegen immerhin mehr als 1 000 Studien zugrunde.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch auch mal, wer in der JMPR sitzt! Vertreter der Industrie, vor allem der Chemieindustrie!)
Richtig ist aber, Herr Ebner, dass diese Einstufung Grund zu weiterer Überprüfung ist. Deshalb hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unmittelbar nach Bekanntwerden der Einstufung im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft einen Bericht beantragt,
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wow!)
um zu prüfen, ob Sofortmaßnahmen notwendig sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Da hat sich Hensel um Kopf und Kragen geredet!)
Wir haben dort am 22. April dieses Jahres eine Stellungnahme von Professor Hensel gehört; er ist der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung. Dieses Institut ist die für solche Fragen zuständige wissenschaftliche Bewertungsbehörde. Professor Hensel hat uns in dieser Sitzung klar und deutlich erklärt, dass eine wissenschaftliche Bewertung dieser Einstufung ohne Kenntnis der vollständigen Unterlagen nicht möglich sei.
(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber Sie bewerten das doch jetzt auch! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie bewerten es doch auch jetzt! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann warten wir einfach ab, ja?)
Die IARC hat die Veröffentlichung dieser Unterlagen für Juli, also für den nächsten Monat, angekündigt. Übrigens hat auch ein Vertreter der IARC, nämlich Professor Rusyn, bei einem Fachgespräch der Grünen am vergangenen Montag erklärt,
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie waren doch gar nicht da!)
das BfR solle mit Verlautbarungen besser warten, bis die vollständigen Unterlagen veröffentlicht sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das war ein guter Tipp! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Richtig! Ja, dann tun Sie es doch auch!)
Das ist ein wissenschaftlicher Ratschlag, den wir für vernünftig halten und dem wir uns gerne anschließen. Deshalb können wir heute noch gar nichts zu den nötigen rechtlichen Folgerungen aus dieser Einstufung sagen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mir ist ein Aspekt in dieser ganzen Diskussion sehr wichtig, nämlich die Frage: Welche Expositionspfade, die laut IARC zu erhöhter Krebsgefahr führen, sind eigentlich für Deutschland relevant? Zur Beantwortung dieser Frage brauchen wir die Unterlagen, die aber noch nicht veröffentlicht sind.
Herr Kollege?
Ja?
Herr Kollege, ich versuche es noch einmal – bzw. ein Kollege versucht es noch einmal –: Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Kollegen Ebner?
Auch der Herr Kollege Ebner sollte sich damit abfinden, dass er sich im Anschluss an meine Rede äußern kann.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist ja sehr kollegial!)
Gut, nein; alles klar.
Ja. – Wir sind uns doch hier im Hause einig, dass die Art und Weise der Glyphosatanwendung in Deutschland in keiner Weise mit der Anwendung in Nord- und Südamerika vergleichbar ist. Wir haben hier wesentlich strengere Anwendungsbestimmungen und arbeiten nicht mit Monokulturen, sondern mit Fruchtfolgen. Schon das vermindert im Vergleich den Herbizideinsatz. Im Übrigen sind bei uns auch viele Beistoffe verboten, die in anderen Ländern noch erlaubt sind, wie zum Beispiel Tallowamine, die zwar als Zusatz in Pflanzenschutzmitteln verboten, in Körperpflegemitteln aber nach wie vor erlaubt sind. Pflanzenschutzmittel erfüllen bei uns also höhere Standards als Körperpflegemittel. Auch bei der Kombination verschiedener Wirkstoffe ist Deutschland wesentlich restriktiver als andere Länder. Das lernen die jungen Bauern bereits sehr früh in der Ausbildung.
Die Definition guter fachlicher Praxis in Deutschland bewährt sich auch bei Glyphosat. Das sieht man schon daran, dass es in Deutschland keine Resistenzen gegen Glyphosat gibt, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Es ist also sehr gut möglich, dass die Unterlagen der IARC zeigen werden, dass Deutschland schon alles Notwendige getan hat, um die Umwelt, die Verbraucher und die Landwirte hinreichend zu schützen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wissen sehr gut, dass es in anderen Ländern noch erheblichen Handlungsbedarf gibt. Dieses Problem können wir aber nicht durch eine schärfere Gesetzgebung in Deutschland lösen;
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
denn dann würden wir die landwirtschaftliche Produktion ins Ausland exportieren.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland ist berichterstattender Staat für die Zulassung in der Europäischen Union! Das betrifft 28 Mitgliedstaaten!)
Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat am Mittwoch einstimmig, also mit den Stimmen der Opposition, beschlossen, im September eine Anhörung zu Glyphosat durchzuführen.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schreien Sie doch noch lauter!)
– Herr Ebner, ich habe immer den Eindruck, Sie hören das nicht. Deshalb spreche ich ein bisschen lauter.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lauter macht es nicht verständlicher!)
Bis dahin – jetzt kommen wir wieder runter und werden wieder sachlich – können auch die zuständigen deutschen Bewertungsbehörden die ausführliche Monografie der IARC prüfen und dann eine fundierte Bewertung abgeben. Auf deren Grundlage ist dann eine Entscheidung möglich. Nur das ist die richtige Reihenfolge.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nicht mehr besser!)
Jetzt noch einige Worte dazu, was andere Länder machen. Das Schweizer Landwirtschaftsministerium hat am 19. Mai 2015 erklärt, es könne die Einstufung erst dann bewerten, wenn die ausführliche Begründung vorliege. Erst dann könne man entscheiden, ob weitere Maßnahmen nötig seien.
Mit Frankreich möchte ich ein weiteres Beispiel nennen. Dazu hat es in den letzten Tagen eine massive Falschinformation der Öffentlichkeit gegeben, als in verschiedenen Medien erklärt wurde, Frankreich wolle ein Verbot des Verkaufs von Glyphosat in Gartencentern. Ich habe die entsprechende Aussage der französischen Umweltministerin Royal übersetzen lassen. Sie möchte lediglich ein Verbot des Verkaufs auf Selbstbedienungsbasis. Es soll verpflichtend werden, dass die Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat enthalten, nur direkt durch einen Verkäufer abgegeben werden. Damit würde sich Frankreich dem in Deutschland längst geltenden Standard anpassen, und das ist doch durchaus zu begrüßen.
Die falsche Meldung wurde tagelang unter anderem auf www.tagesschau.de verbreitet. Deshalb ein Wort an die Medienvertreter: Ein Blick auf die entsprechende Meldung auf der Homepage des französischen Umweltministeriums hätte ausgereicht, um den Fehler zu korrigieren. Ich erwarte gerade auch von unserem finanziell sehr gut ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass er dieses Minimum an Recherche leistet
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und Presseerklärungen nicht einfach ungeprüft übernimmt und sich so an gezielten Fehlinformationen beteiligt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, ich konnte mit diesen Informationen etwas zur Aufklärung beitragen.
(Lachen und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)
Dass die CDU/CSU-Fraktion aufgrund dieser Tatsachen die Anträge der Opposition ablehnt, ist nur folgerichtig.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Faschingsveranstaltung! Büttenrede!)
Wir sind immer bereit, neue Informationen in unsere Entscheidungen einfließen zu lassen. Aber wir beteiligen uns nicht an Panikmache, an der Angstindustrie und schon gar nicht an blindem Aktionismus.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Färber. – Jetzt erhält zu einer Kurzintervention der Kollege Ebner das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5272501 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat |