01.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 114 / Zusatzpunkt 1

Axel SchäferSPD - Vereinbarte Debatte/ Griechenland

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner hat man die Chance, zusammenfassend das Positive herauszustellen. Ich glaube, das Wichtigste an dieser Debatte ist, dass alle in diesem Haus – manche weniger, manche mehr – bekundet haben: Ja, wir müssen alles Erdenkliche tun, damit Griechenland in der EU und im Euro gehalten wird. Wir wollen dieses Land und diese Menschen nicht herausdrängen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist, glaube ich, auch in Zukunft nur möglich – das hat sich Gott sei Dank zumindest bei einigen hier, auf verschiedenen Seiten des Hauses, gezeigt –, wenn zur Kritik auch ein Stückchen Selbstkritik gehört. Jawohl, wir müssen die Politik der griechischen Regierung und die Versprechen, die sie nicht gehalten hat, hier deutlich benennen und auch kritisieren, wie das die vielen Menschen in unserem Land, unsere eigenen Wählerinnen und Wähler, tun und wie es auch ganz simpel den Fakten entspricht. Darum kommen wir einfach nicht herum.

Auf etwas anderes hat dankenswerterweise Sigmar Gabriel hingewiesen: Auch der IWF hat begonnen, zu fragen, ob alle Maßnahmen richtig waren und alle Wirkungen, was die soziale Situation und anderes anbelangt, gerecht waren. Sie waren nicht gerecht. Es gehört zur Wahrheit, auch das an diesem Tag auszusprechen.

Es sollte uns dabei ein gemeinsames Verständnis verbinden. Wir können viel mit Syriza und Herrn Tsipras diskutieren, aber wir können nicht darüber diskutieren, dass ein Regierungschef eines Landes der Euro-Zone oder der EU so tut, als müssten er oder sein Land den Kampf gegen die EU führen. Griechenland ist Teil der EU, wie auch wir Teil der EU sind. Es geht darum, eine gemeinsame Lösung zu finden, nicht darum, andere innerhalb der EU zu bekämpfen. Das betrifft Herrn Tsipras genauso wie auf der anderen Seite Herrn Orban.

(Beifall bei der SPD)

Noch eines muss klar sein, bei allem Verständnis für kritische Töne hier: Es geht nicht, dass man von „Diktat“ redet, wissend, dass hinter einer gemeinsamen Lösung in der EU nicht nur irgendwelche Verhandler stehen. Vielmehr stehen politisch hinter einer gemeinsamen Lösung in der EU Jean-Claude Juncker, Martin Schulz, Dijsselbloem, auch Mario Draghi. Alle vier stehen für Integrität, für ein gemeinsames Europa, nicht für Herausdrängen und auch nicht für Ausgrenzung. Das sollten wir hier im Deutschen Bundestag einmal deutlich unterstreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten bei manchen Dingen nicht so tun, als wüssten wir alles oder als wären wir uns immer ganz sicher. Der Erhalt Griechenlands im Euro beinhaltet viele Chancen.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Viele Milliarden!)

– Ja, Kollege, „viele Milliarden“. – Wenn wir glauben, jetzt schon zu wissen, in welchen Zeiträumen Griechenland in Europa und im Euro-Raum etwas nicht leisten kann, dann verdrängen wir wohl, dass Deutschland 90 Jahre gebraucht hat, um bis zum Jahr 2010 seine Schulden von 1920 zurückzuzahlen. Das hätte 1920 niemand geahnt; aber es hat funktioniert,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

auch weil man Deutschland eine Umschuldung ermöglicht hat. Reden wir doch auch einmal über diese Wahrheiten und nicht nur darüber, was wir unseren Bürgerinnen und Bürgern hier heute schon glauben machen wollen: dass alles scheitert. Wir selbst sind ein Beispiel dafür, dass alles oder zumindest vieles gelingen kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sagen wir noch eins: Jawohl, das, was Samstag/Sonntag seitens der Euro-Gruppe vorgeschlagen worden ist, war eine wichtige und richtige Grundlage. Es gibt einen Punkt, der nicht geklärt wurde, und über den müssen wir reden, nämlich über die Frage der Rente: Was bedeutet EKAS konkret? Es geht nicht darum, dass man insgesamt „oben“ etwas wegnimmt, sondern um diejenigen, die unter dem Mindesteinkommen liegen. Darüber muss man diskutieren. Das ist eine ganz sachliche Frage; das braucht man gar nicht aufzuheizen. Auch das muss man ernst nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat hier eine besondere Verantwortung. Es ist gut, dass unsere Kanzlerin und der Wirtschaftsminister, der auch mein Parteivorsitzender ist, gesagt haben: Wir stehen jederzeit bereit, offen zu diskutieren und Dinge auch wieder voranzubringen. – Denn eins ist auch klar – darauf brauchen wir keine Wette einzugehen –: Von jetzt, Mittwoch, 1. Juli 2015, etwa 15.27 Uhr, bis nächsten Sonntag wird sich noch eine ganze Menge tun, vielleicht auch ein bisschen mehr, als wir bisher geglaubt haben. Auch das müssen wir ein Stück weit aufgreifen, und zwar mit einer gewissen Haltung, gerade gegenüber den Menschen in Griechenland als auch gegenüber den hier lebenden Griechen, die häufig ziemlich wohlklingende Namen wie Leandros, Vassiliadis, Simitis usw. haben. Lassen Sie uns dazu beitragen, dass es am nächsten Sonntag ein „Ja“ gibt.

Auch ich persönlich will an Tsipras appellieren. Wenn er am Freitag eine Fernsehansprache hält, soll er die Möglichkeit nutzen, „Ja“ zu diesem Europa zu sagen. Denn eins geht nicht, für niemanden in der Politik: dass ein Regierungschef eines Landes der Europäischen Union seinem Volk eine Frage zur Abstimmung vorlegt, mit „Nein“ gegen die Europäische Union zu stimmen. Das geht definitiv nicht.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5342926
Wahlperiode 18
Sitzung 114
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte/ Griechenland
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