01.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 114 / Zusatzpunkt 2

Ewald SchurerSPD - Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Angesichts der ökonomischen Daten des Unternehmens Deutsche Post DHL könnte man durchaus sagen: Bei 3 Milliarden Euro Betriebsgewinn und einer hohen und guten Rendite von 8,3 Prozent in den letzten Jahren hätte das Management der Post auch zu einer anderen Entscheidung kommen können und müssen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte es auch als Abgeordneter der Großen Koalition – das ist kein Widerspruch – für richtig, dass wir politisch in der Lage sind, so einen Vorgang zu bewerten. Dabei spielen auch das Tarifrecht und – das kann man nicht leugnen – die Beteiligung des Bundes eine Rolle. Im Übrigen haben alle bisherigen Qualitätstests, die evident waren, ergeben: Die Post und DHL sind im Brief- und Paketbereich qualitativ die Nummer eins, auch deswegen, weil man die Menschen vernünftig bezahlt bzw. bezahlt hat. Das muss man konstatieren dürfen. Insofern kann ich mich mit den Kolleginnen und Kollegen solidarisieren, die seit 48 Tagen streiken, und zwar nicht just for fun oder weil sie sozusagen wild geworden sind; es geht vielmehr um Existenzen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle diskutieren immer wieder in vielen Zusammenhängen wie der Familienpolitik die Möglichkeiten gerade auch junger Menschen der mittleren Generation, zum Beispiel eine Familie zu gründen, soziale Sicherheiten zu bekommen und den Weg ins Leben zu finden. Genau dem widerspricht dieses strategische Handeln in voller Gänze. Das muss man zugeben, und das kann man fraktionsübergreifend, aber auch als Mitglied der Regierungskoalition tun, ohne sich irgendetwas zu vergeben.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Sachgrundlose Befristung abschaffen!)

Deswegen bin ich der festen Meinung, dass die Post mit der Ausgründung von 49 Regionalgesellschaften dezidiert die falsche Entscheidung getroffen hat.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit guter und auskömmlicher Bezahlung wäre das Unternehmen morgen und auch noch in fünf Jahren qualitativ und quantitativ der Spitzenreiter im Bereich Briefe und Pakete und könnte das gut verkaufen.

Dass man jetzt auf das Lohngefüge der sonstigen Logistikleister im Wettbewerb setzt, die zum Teil nur im Mindestlohnbereich agieren, ist strategisch vor allen Dingen dann nicht zu verstehen, wenn – das ist angesprochen worden – ein Spitzenmanager wie Herr Appel nach einer Erhöhung um über 20 Prozent nun 9,5 Millionen Euro verdient. Das kommt nicht gut an, und es zerstört Vertrauen bei der eigenen Belegschaft und, wie ich weiß, auch bei Kolleginnen und Kollegen der CSU, CDU und der SPD genauso wie bei der Opposition. Das, was dort gemacht wird, ist ökonomisch widersinnig und geht zulasten der Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Allen schlechten Beispielen aus der sogenannten freien Wirtschaft, die manchmal unter Wettbewerbsdruck gar nicht so frei ist, muss man nicht folgen, vor allen Dingen dann, wenn man einen öffentlichen Anteil zu verteidigen hat.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Haushälter der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales hätte ich mir gewünscht – das ist keine Fundamentalkritik, wohl aber eine bewusste Erwähnung –, dass das federführende BMF dazu ein öffentliches Statement abgibt; das wäre kein Fehler gewesen.

(Beifall der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich darf der Opposition allerdings entgegenhalten: Nicht alles – so sagte mir der Kollege Klaus Barthel –, was nicht in den Zeitungen steht und nicht vertont wird, ist nicht geschehen. Es gab politisches Insistieren vonseiten der Fachministerien. Allerdings hat sich dann das Management von DHL und Deutscher Post eben anders entschieden. Nun zu beklagen, dass Verdi als Verkörperung der Arbeitnehmerschaft versucht, dagegenzuhalten, um die genannten Niedriglohntendenzen zu unterbinden, ist ein bisschen verlogen;

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

denn man hätte zuvor gemeinsam mit der Gewerkschaft und der Vertretung der Arbeitnehmer ein anderes Unternehmenskonzept erarbeiten und auf die 49 Ausgründungen verzichten können.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin darüber sehr unglücklich und sage deshalb: Reformen – auch im ökonomischen Sinne – müssen nicht immer in die Billigschiene münden. Diesen Beweis erbringt oft der Mittelstand. Ich kenne viele Mittelständler, die im Qualitätsbereich, im Servicebereich oder in der Produktion – auch in der Metallindustrie – tätig sind und dezidiert sagen: Ich setze mich mit qualitativ höherwertigen Produkten, höherem Lohn und höheren Sozialleistungen von meinen Wettbewerbern ab. – Immer mehr Unternehmen in der Marktwirtschaft machen das. Sie tun das bewusst, weil sie wissen, dass das ein Qualitätsmerkmal ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Insofern hat die Deutsche Post bzw. DHL eine unternehmerische Fehlentscheidung getroffen, die man auch im Parlament als solche bezeichnen darf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Albert Weiler.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5343437
Wahlperiode 18
Sitzung 114
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG
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