Klaus BarthelSPD - Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist sehr wohl ein politisches Thema. Kollege Weiler, seien Sie mir nicht böse: Sie haben unfreiwillig den Unterschied zwischen einer Einheitsgewerkschaft und einer anderen Gewerkschaft klargemacht. In der Tat ist es so: Bei der Post streiken momentan über 30 000 Kolleginnen und Kollegen und bald noch ein paar Tausend mehr, damit 6 000 Personen nicht aus einem Tarifvertrag ausgegrenzt werden und den damit verbundenen Schutz nicht verlieren.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei anderen Gewerkschaften wie bei der Gewerkschaft der Lokführer geht es explizit darum: Wir wollen etwas haben, und alle anderen dürfen es nicht haben. – Das ist der Unterschied zwischen einer Einheitsgewerkschaft und diesem Streik und dem, was wir an anderer Stelle diskutiert haben.
(Beifall bei der SPD)
Die Führung dieses Unternehmens, von dem wir heute reden, verstößt gegen zentrale Ziele unseres Koalitionsvertrags; auch deswegen ist es ein Thema für uns hier. Im Koalitionsvertrag steht nämlich: gute Arbeit für alle, faire Bezahlung, starke Sozialpartnerschaft, allgemeinverbindliche Tarifverträge, Tarifeinheit und Mitbestimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, daran sollten wir uns selber halten, auch in dieser Auseinandersetzung.
Gegen diese Ziele verstößt der Vorstand dieses Unternehmens fundamental und auf perfide Weise.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Beate Müller- Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Anstatt gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort zu bezahlen, werden in den Sortierzentren – das muss man sich einmal bildlich vorstellen – entweder dicke Linien gezogen oder sogar Zäune errichtet, um die einen, die dieselbe Arbeit machen wie die anderen, von den anderen zu trennen, um dann zu rechtfertigen, dass die einen mehr Geld kriegen als die anderen. Das ist doch ein Aberwitz!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unerhört!)
Es geht natürlich auch um die Flucht aus der Mitbestimmung, und es geht um Konfrontation statt um Partnerschaft. Im Arbeitskampf werden nicht nur Werkverträge und die Leiharbeit missbraucht, sondern es wird sogar gegen unsere Verfassung verstoßen, meiner Meinung nach in zwei Punkten auf jeden Fall, einmal wenn es um die Einhaltung des Postgeheimnisses geht. Ich kann mir kaum vorstellen, wie das Postgeheimnis eingehalten werden soll, wenn jede Menge Kräfte von außen kurzfristig hereingeholt werden und dort nicht nur irgendwelche Unternehmenskataloge sortieren, sondern den ganzen Postverkehr.
Es wird zum anderen verstoßen gegen das Verbot der Sonntagsarbeit. Das muss man einmal nachlesen. In unserer Verfassung – Artikel 139 der Weimarer Verfassung, übernommen durch Grundgesetzartikel 140; Sie alle haben das in Ihren Schubladen; darum brauche ich es nicht hochzuhalten – heißt es – ich zitiere wörtlich –:
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
So etwas steht auch in vielen Landesverfassungen. Deswegen ist es gut, dass viele sozialdemokratische Landesminister und Landesregierungen gegen die Sonntagsarbeit jetzt vorgehen. Ich verstehe nicht, dass das nicht alle tun; denn weder hat Streikbrecherarbeit am Sonntag etwas mit seelischer Erhebung zu tun, noch gibt es irgendein öffentliches Interesse, dass Streikbrecher am Sonntag arbeiten. Das muss hier zum Thema Politik ganz klar gesagt werden.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])
Ja, es ist richtig: Der Wettbewerb auf dem Brief- und Postmarkt ist hart und nicht immer fair. Die Erhebungen der Bundesnetzagentur, die wir immer wieder durchführen lassen, haben deutlich gemacht, dass die Löhne im Briefsektor außerhalb der Deutschen Post AG noch vor zwei Jahren weit unter dem Mindestlohn lagen. Neue Erhebungen, jetzt gerade fertiggestellt, zeigen: Bei den Stichproben, die sowohl bei den Subunternehmen der Post wie auch bei den Wettbewerbern erhoben worden sind, haben nur gut die Hälfte der befragten Unternehmen überhaupt geantwortet, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet sind.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört! Hört!)
Da ist doch die Frage, ob sie nicht etwas zu verbergen haben. Es ist deutlich geworden, dass noch 2013 bei diesen Subunternehmen die durchschnittlichen Löhne deutlich unter dem Mindestlohn von 8,50 Euro gelegen haben und dass es einen starken Verdacht auf massenhafte Scheinselbstständigkeit gibt.
Umgekehrt ist aber auch wahr, dass wir mit dem Mindestlohn die Löhne bei den Wettbewerbern erhöht haben und damit die Schere langsam schließen. Wahr ist weiter, dass sich die Schere auch dadurch schließt, dass die Gewerkschaften zu neuen Einstiegslöhnen bereit waren. Sie liegen jetzt nicht mehr bei 17 Euro, mit denen die Post AG überall winkt – das sind die alten Tarifverträge –, sondern nur noch bei 14 Euro. Auch dadurch wird die Schere geschlossen.
Wahr ist ferner, dass die Koalition jetzt darangehen wird, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu bekämpfen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir aber mal gespannt!)
Wahr ist auch – da sind wir jetzt dran –, dass wir im Vergaberecht soziale Standards einführen wollen, die es zum Beispiel ermöglichen und, wie wir meinen, sogar verbindlich vorschreiben,
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
dass bei der öffentlichen Vergabe zum Beispiel durch Landesjustizverwaltungen oder durch Kommunen eben nicht mehr der billigste Briefdienst zum Zuge kommt, sondern der, der sich an Tarifverträge hält.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch darauf könnte die Deutsche Post AG setzen, –
Herr Kollege Barthel.
– wenn sie mehr Wettbewerb will.
Da wir als Abgeordnete hier öffentlich etwas sagen können, was Ministerinnen und Minister nicht sagen können: Wir fordern den Vorstand der Post AG auf, seinen Amoklauf gegen die Beschäftigten und die Gewerkschaft umgehend zu stoppen und dafür zu sorgen, dass wir uns für dieses bundeseigene Unternehmen nicht mehr schämen müssen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dieter Janecek, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 114 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG |