Markus PaschkeSPD - Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eines vorwegschicken, damit hier gar kein falscher Eindruck aufkommt: Mit den Sozialdemokraten wird das Streikrecht nicht angefasst.
(Beifall bei der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habt ihr doch schon gemacht!)
Für diejenigen, die nicht so viel Erfahrung damit haben: Ein Streik richtet sich nicht nach außen – es geht nicht um die Außenwirkung –, sondern nach innen; denn nur, wenn er sich nach innen richtet, kann man in dem Unternehmen oder in der Branche etwas verändern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich kann ganz deutlich sagen: Die SPD-Fraktion und ich unterstützen den Arbeitskampf der streikenden Männer und Frauen bei der Deutschen Post AG.
(Beifall der Abg. Daniela Kolbe [SPD])
Tarifflucht geht gar nicht, und nichts anderes tut die Post in dieser Frage. Mit der Auslagerung von Tausenden Arbeitsplätzen unterläuft sie einen gültigen Tarifvertrag. Sie versucht, tarifliche Vereinbarungen und die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu umgehen, und sie tut das mit zunehmend fragwürdigen Methoden. Statt sich mit Verdi an einen Tisch zu setzen und vernünftig zu verhandeln, beweist die Deutsche Post Kreativität nur beim Einsatz von Streikbrechern.
(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Den Hinweis auf noch schlechtere Arbeitsbedingungen bei Mitbewerbern finde ich, gelinde gesagt, zynisch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Beate Müller- Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Lohndumping und Scheinselbstständigkeit sollten wir gemeinsam bekämpfen und nicht als Argument für die Absenkung von Standards nutzen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Es geht hier um den Wert der Arbeit. Gute Arbeit braucht auch gute Löhne. Die befristet bei der Post beschäftigten Zustellerinnen und Zusteller werden vor die Wahl gestellt: entweder weniger Geld oder Arbeitsamt. Das ist die klassische Wahl zwischen Pest und Cholera.
Apropos Arbeitsamt: Die Agenturen für Arbeit dürfen bei Streiks nur sehr eingeschränkt vermitteln.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)
Die Arbeitnehmer müssen in den Vermittlungsangeboten darauf hingewiesen werden, dass der Betrieb bestreikt wird – das nur für diejenigen, die dies nicht wissen –, und können die Annahme der Arbeit verweigern.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: So ist es!)
Trotzdem – das ärgert mich – finden sich auf der Seite der BA Dutzende Angebote von Leiharbeitsfirmen für Postzusteller ohne solche Hinweise.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist unglaublich!)
In diesem Zusammenhang kann ich nur sagen: Es wird Zeit, dass wir das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, nämlich das Verbot, Leiharbeiter für Streikbrecherarbeiten einzusetzen, jetzt zügig umsetzen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Tobias Zech [CDU/CSU]: Niemals!)
Die Agenturen, auf deren Seiten diese Stellenangebote zu finden sind, fordere ich auf, sie aus dem Netz zu nehmen und die Neutralität zu wahren.
(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist das Mindeste!)
Mit der Ausgründung von 49 Zustellgesellschaften versucht die Post ganz klar, den gültigen Tarifvertrag zu umgehen und gleiche Arbeit ungleich zu bezahlen. Sie versucht, eine Zweiklassengesellschaft einzurichten. Dass die betroffenen Beschäftigten dagegen protestieren und streiken, kann ich gut verstehen. Mehr noch: Ich unterstütze und ermutige sie ausdrücklich,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
und ich wünsche den Streikenden viel Kraft für ihren Kampf um gute Arbeit.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, es wird Zeit, ernsthaft eine Lösung zu suchen, statt die Mitarbeiter am Sonntag arbeiten zu lassen. Damit wurde eine rote Linie überschritten. Ich sage dem Vorstand der Deutschen Post ganz klar: So etwas geht gar nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Uwe Lagosky [CDU/CSU] und Diether Dehm [DIE LINKE])
Die zuständigen Länder haben sich da klar positioniert. „ NRW hält Sonntags-Zustellung für illegal“, „Berliner Senat droht Post mit Zwangsgeld“, „Niedersachsen verbietet Sonntagszustellung“ – so titelten verschiedene Zeitungen, und ich sage: Das ist richtig so.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Streik der Postangestellten ist rechtmäßig, und rechtmäßiger Streik darf nicht durch rechtswidrige Maßnahmen unterlaufen werden.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Das hat auch ein Unternehmen wie die Deutsche Post zu begreifen.
Die Deutsche Post ist nicht nur ein Dienstleister unter vielen, sondern sie steht in der Tradition eines Unternehmens der öffentlichen Daseinsvorsorge mit jahrzehntelanger, vor allem bewährter Mitbestimmungskultur. Das hat sie bisher von anderen Unternehmen unterschieden, und das sollte sie auch zukünftig von anderen Unternehmen unterscheiden.
Vorstand und Aufsichtsrat haben nicht nur die Interessen der Aktionäre zu vertreten, sondern auch die der Arbeitnehmer und der gesamten Gesellschaft; denn Eigentum verpflichtet. Das ist ein wesentlicher Artikel unseres Grundgesetzes.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Artikel 14 Absatz 2 Grundgesetz! Genau!)
Keiner von uns will, dass sich eine Bundesregierung in einen Arbeitskampf einmischt. Aber ich erwarte, dass die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat im Sinne unseres Grundgesetzes agieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Als Nächster hat jetzt Dr. André Berghegger das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5343540 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 114 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG |