André BergheggerCDU/CSU - Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über den Poststreik, das spüren wir gerade, ist sehr emotional. Die Diskussion über Streiks in unserem Land wird fortgesetzt. In den letzten Wochen und Monaten waren verschiedene Bereiche betroffen, einige wurden eben angesprochen. Das Unverständnis in der Bevölkerung wächst,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Unverständnis der Post gegenüber!)
aber dafür gibt es ganz unterschiedliche Argumente.
Die Arbeitnehmerseite argumentiert, dass es fraglich ist, ob die getroffenen Maßnahmen angesichts des Konzernergebnisses der Deutschen Post rechtmäßig und zulässig sind. Es gibt aber auch die Seite der Kunden, die immer wieder anführen – die Probleme wurden vorhin schon geschildert –, dass Postsendungen nicht rechtzeitig ankommen, dass Fristen ablaufen etc.
Ich bin sehr gegen pauschale Vorverurteilung oder gegen pauschale Vorwürfe. Ich würde sagen, ein differenzierter Blick auf die Situation lohnt sich immer. Welche Rolle spielt eigentlich der Bund in dieser Situation? Ich würde sagen, es gibt verschiedene Dimensionen dieses Themas. Einige Aspekte möchte ich an dieser Stelle anreißen.
Die flächendeckende Versorgung mit Dienstleistungen im Postwesen gewährt der Bund durch verschiedene Gesetze. Der Bund hält an der Post AG – das haben wir gehört – über die KfW-Bank seit 2013 rund 21 Prozent. Die Post ist jedoch ein börsennotiertes Unternehmen, und das wiederum hat zur Folge, dass die Entscheidungen im Rahmen der Gesetze unternehmerisch getroffen werden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)
In § 76 Absatz 1 des Aktiengesetzes heißt es, dass der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Der Vorstand vertritt nämlich die Post AG bei den Tarifverhandlungen, und diese werden im Rahmen der Tarifautonomie nach dem Grundgesetz geführt. Der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hat zur Folge, dass es keine Einflussnahme durch Anteilseigner und keine Sonderrechte zulasten anderer Anteilseigner geben soll; denn bei den Anteilseignern können verschiedene Interessen vorliegen. Die Bundesregierung hat im Gegenteil sogar die Pflicht zur Neutralität, auch bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung.
Der Aufsichtsrat – auch das haben wir mehrfach gehört – besteht aus 20 Vertretern, 10 von der Arbeitnehmerseite und 10 Anteilseigner, davon 2 vom Bund. Man hat also keine rechtliche Mehrheit im Aufsichtsrat.
(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Zusammen mit den Beschäftigten schon! 12!)
Deshalb bewerte ich die rechtliche Dimension so, dass es keine rechtlich zulässige Einflussmöglichkeit, keine Beeinflussung durch den Bund gibt.
Aber worum geht es inhaltlich? Inhaltlich reden wir von der zukunftsfähigen Ausrichtung des Post- und Paketbereiches bei stark wachsendem Paketgeschäft, insbesondere im Geschäftskundenbereich. Hier geht es auch um die langfristige Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen in einem starken Wettbewerb in der Branche.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steigende Dividenden sind versprochen worden! Darum geht es!)
In den nächsten Jahren sollen bis zu 10 000 neue unbefristete und sozialversicherungspflichtige Stellen im Paketgeschäft geschaffen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jedes Privatunternehmen würde in dieser Gemengelage versuchen – in Anführungszeichen –, „schlank zu werden“, das heißt, einen Blick auf die Kosten zu werfen. Deswegen habe ich im Grundsatz Verständnis für einige Verhaltensweisen der Post. Man muss nämlich auch beachten, dass die Deutsche Post AG in dieser Branche das einzige Unternehmen ist, das staatlich reguliert ist. Die Preisgestaltung ist also eingeschränkt. Wettbewerbsfähige Löhne spielen sicherlich eine Rolle. Die Personalkosten bei der Deutschen Post, von der Arbeitnehmerseite bisher unbestritten, liegen im Durchschnitt deutlich über denen der Wettbewerber.
Aber hier geht es um Ausgliederungen, um Tochterunternehmen, für die andere Tarifverträge gelten.
(Antje Lezius [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Auch diese Tarifverträge wurden mit Verdi ausgehandelt, und auch hier sind die Löhne höher als bei den Wettbewerbern. Der Durchschnittslohn in den Regionalgesellschaften liegt bei knapp 13 Euro pro Stunde. Deswegen kann bei dieser Konstellation in rechtlicher Hinsicht sicherlich nicht von einer Tarifflucht gesprochen werden.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! – Dr. Hans-Joachim Schabedoth [SPD]: Gerade rechtlich kann davon gesprochen werden!)
Bestehende Arbeitsverträge bleiben unberührt; insoweit kommt es nicht zu finanziellen Einbußen. Es kommt in dieser Zeit nicht zu betriebsbedingten Kündigungen. Arbeitnehmer, deren befristete Arbeitsverträge auslaufen, werden angesprochen, und ihnen wird eine unbefristete Anstellung angeboten.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh nee! Sie haben sehr wahrscheinlich ganz viele Alternativen!)
6 500 neue Mitarbeiter sind bis jetzt geworben worden. Da es viele Bewerbungen aus dem freien Arbeitsmarkt gibt – –
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind ja keine Neuen!)
– Lassen Sie mich doch einmal ausreden.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Machen wir ja!)
– Dann reden Sie nicht dazwischen. – Angesichts dieser vielen Bewerbungen muss diese Konstruktion also eine gewisse Attraktivität haben.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Den Arbeitsplatz zu behalten!)
Die Mitbestimmung wird aus meiner Sicht nicht ausgehöhlt; denn rechtlich – ich bin immer nur bei der rechtlichen Ebene – fällt es in die Organisationshoheit eines Unternehmens, Tochterfirmen zu gründen. Wenn diese nicht mitbestimmungspflichtig sind, wie das hier der Fall ist, dann ist das sehr bedauerlich – das sehe ich auch so –, aber es ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Ich komme immer wieder darauf zurück: Der Bund hat hier keinen Einfluss. Die Tarifverhandlungen sind Sache der Sozialpartner. Ich sage es aber ausdrücklich: Man muss nicht alles, was man tarifvertraglich machen kann, auch machen. Meine Bitte an alle Beteiligten lautet deshalb, mit den gegenseitigen Vorwürfen aufzuhören, sich an einen Tisch zu setzen und nach einer Lösung zu suchen, die sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Unternehmen sinnvoll ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir sind als Bund nicht die Arbeitgebervertretung der Deutschen Post. Wir sind aber genauso wenig die Arbeitnehmervertretung der Deutschen Post.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Konsequent die Fakten ignorieren! Das muss man erst mal durchhalten! Sehr konsequent! Ohne jegliche Empathie!)
Ich hoffe, dass es zeitnah eine gute Lösung gibt.
Vielen Dank fürs freundliche Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Axel Knoerig, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 114 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde/ Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG |