02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Tagesordnungspunkt 5

Karl LauterbachSPD - Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, zunächst einmal kurz die üblichen, fast schon dazugehörenden Korrekturen an den Äußerungen des Kollegen von der Linkspartei. Ich wünschte, wir könnten uns das ersparen und sofort zum Thema kommen; aber es ist offenbar nicht anders möglich.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ehrt uns auch ein bisschen!)

Zum einen ist es, anders als gesagt wurde, nicht so, dass wir die Investitionsmittel der Länder, die zu knapp sind – da sind wir uns ja alle einig –, festschreiben. So ist es einfach nicht. Wir sagen, dass mindestens so viel bezahlt werden muss, damit man die Mittel aus dem Strukturfonds – die 500 Millionen Euro – nutzen kann.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Es ist doch klar, dass es unter dem Diktat der Schuldenbremse nicht mehr wird!)

Somit – ich übersetze es jetzt für jeden, der es nicht verstanden hat – ist es sozusagen eine Mindestauflage, die man erfüllen muss. Dadurch verhindern wir, dass durch die Mittel des Strukturfonds die ohnehin zu geringen Investitionsmittel der Länder noch reduziert werden. Darum geht es. Das war die erste wichtige Korrektur.

Die zweite Korrektur ist, dass es nicht sofort Abschläge geben wird. Die Krankenhäuser, die am Anfang nachweislich Qualitätsprobleme haben und damit die Patienten gefährden – die Patienten kamen in Ihrem Vortrag so gut wie nicht vor –,

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

müssen im ersten Jahr noch keine Abschläge hinnehmen, sondern erst im Jahr danach. Sie erhalten erst einmal die Möglichkeit, ihre Qualität zu verbessern. Zuschläge gibt es aber sofort. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied. Bei guter Qualität gibt es also sofort Zuschläge, Abschläge gibt es nur, wenn sich auch nach dem ersten Jahr nichts verändert.

Die dritte Korrektur. Wir haben hier von Ihrer Unterstützung des Streiks gehört. Sie hätten aber noch erwähnen müssen, dass die Einigung, die in der letzten Nacht erfolgt ist – es wurde eine Rahmenvereinbarung geschlossen –, eine gute Einigung in unserem gemeinsamen Sinne gewesen ist und dass nicht nur Sie, sondern auch wir diesen Streik unterstützt haben.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das macht es ja nicht besser!)

– Das macht es schon besser. – Das ist ein gutes Ergebnis noch bevor die Verbesserungen durch das Gesetz erfolgen. Von daher war Ihre Rede aus meiner Sicht am Thema vorbei.

(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

– Es ist aber wichtig, das hier richtigzustellen.

Unser Gesetzentwurf, den wir hier vorlegen, hat im Prinzip zwei Schwerpunkte:

Zum einen geht es um mehr Pflege, also um das Pflegeförderprogramm. Über die Höhe kann man streiten; das ist ganz klar. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich mir hier eine weitere Aufstockung gut vorstellen könnte. Wir sind ja auch noch in den Verhandlungen. Würdigen Sie aber doch erst einmal 660 Millionen Euro an zusätzlichen Ausgaben. Das muss man doch anerkennen. Das ist in der heutigen Zeit doch nicht leicht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zum anderen geht es um mehr Qualität. Die Qualität wird bei der Vergütung einzelner Krankenhäuser und bei der Landeskrankenhausplanung berücksichtigt. Bei der Landeskrankenhausplanung durfte sie bisher nicht berücksichtigt werden, obwohl dies hochsinnvoll gewesen wäre. Dort konnte alles berücksichtigt werden, nur nicht die Qualität. Dieser Fehler wird jetzt endlich beseitigt. Das neue Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen schafft dafür Daten, womit die Leistungen verglichen werden können.

Es ist doch sinnvoll, dass wir Krankenhausinfektionen vermeiden. Wie soll ich das denn machen, wenn ich die Qualität der Häuser nicht vergleiche und die Honorierung nicht danach ausrichte?

Bei bestimmten Leistungen, die zu selten erbracht werden, kann es zu schweren Komplikationen kommen. Dann steigt das Risiko des Patienten, daran zu sterben, deutlich an. Ein Beispiel ist der Eingriff beim Bauchspeicheldrüsenkrebs. Das ist eine sehr komplizierte Operation mit einer hohen Sterblichkeit, wenn sie nicht so oft erfolgt. Sie erwähnen mit keinem Wort, dass wir hier eine rechtssichere Mindestmengenregelung vorsehen, wodurch der Patient vor diesen Komplikationen geschützt wird.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ich hatte nur acht Minuten! Das ist das Problem!)

Das ist doch eine sinnvolle Schlagrichtung unseres Gesetzentwurfes. Mehr Pflege, bessere Qualität: Die Honorierung soll in diese Richtung ausgerichtet werden. Hier machen wir eine Menge.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Beim Betrachten der Krankenhausstruktur richten Sie den Blick schwerpunktmäßig auf das Tonnageprinzip, nach dem Motto: Jedes aufgestellte Bett und jedes zusätzliche Krankenhaus ist erst einmal gut, weil das ein Arbeitsplatz ist. Das ist aber doch nicht die richtige Denkweise für unser Gesundheitssystem. Das kann doch nicht richtig sein. Bereits jetzt stehen zwischen 30 und 40 Prozent der Krankenhausbetten leer. Wir können doch kein Interesse an teuren, leeren Krankenhausbetten haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dieses System macht doch keinen Sinn. Machen wir uns doch nichts vor.

Im europäischen Vergleich haben wir zum Beispiel zu wenige Einrichtungen, die teilstationär palliativ arbeiten, in denen man also zeitweise behandelt werden kann – ambulant und stationär. Die Struktur ist nicht flexibel genug. Sie sagen aber: Jedes Krankenhaus muss am Netz bleiben. Wir wollen das Tonnageprinzip durchsetzen. Ein Krankenhaus, das da ist, ist gut, egal wie gut die Qualität ist. Ob es gebraucht wird oder nicht und ob dort Menschen leben oder nicht, ist egal. Ein Bett, das dort steht, ist gut. Ob es voll ist oder leer, ist egal.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Quatsch!)

Das ist nicht die richtige Denkweise. Die Planung muss sich am medizinischen Bedarf orientieren, und es darf keine ideologische Betten- und Häuserkapazitätsplanung geben. Das ist nicht mehr zeitgemäß und passt nicht zu dem, was wir brauchen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme zum Abschluss. Für gleiche Fälle wurden bislang von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Zahlungen geleistet. Wir haben die Konvergenz dieser Bezahlung beschleunigt, sodass dort mehr Gerechtigkeit aufkommt. Es kann nämlich nicht angehen, dass die Leistungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich bezahlt werden. Das bringen wir zusammen. Wir stärken die Palliativmedizin deutlich, was in der Diskussion zur Sterbehilfe vorhin als wichtiges Problem erkannt worden ist.

Wir reduzieren auch nicht die Zuschläge für Krankenhäuser, wenn Gelder zum Aufbau der Palliativmedizin genutzt werden. Das Gleiche gilt auch für neue Leistungen. Wenn eine neue medizinische Leistung in den Bedarfsplan aufgenommen wird, dann gibt es dafür keine Abschläge bei den Zuschlägen. Das sind alles kleine, aber sinnvolle Schritte in die richtige Richtung. Von daher stimmt es schon: Es gibt nichts, was man nicht noch verbessern könnte. Aber ich glaube, dass wir insgesamt gemeinsam einen wichtigen Schritt in Richtung einer besseren Qualität und einer besseren Pflegeversorgung in unseren Krankenhäusern gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Der Kollege Dr. Harald Terpe spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5349122
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung
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