Georg NüßleinCDU/CSU - Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Kollege Terpe hat recht, wenn er sagt, dass uns alle das Ringen um eine flächendeckende stationäre und zunehmend auch im ambulanten Bereich wichtige Krankenhausversorgung eint. Diese Versorgung muss natürlich wirtschaftlich und insbesondere auch finanzierbar sein. Das heißt aber nicht, Herr Kollege Weinberg, dass man es sich so leicht machen kann wie Sie mit der Aussage, wir würden Personal nur als Kostenfaktor sehen. Wir alle sehen ganz deutlich, was die Pflegerinnen und Pfleger und die Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern unter der Arbeitsbelastung und Arbeitsverdichtung jeden Tag und jede Stunde leisten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
Es stimmt aber auch, dass die Personalkosten zwei Drittel der Kosten ausmachen. In dem Gesetzentwurf geht es auch darum, wie man genau diese zwei Drittel der Kosten finanziert. Die GKV hat bei den Krankenhäusern einen Kostenblock von 68 Milliarden Euro. Das ist der größte Ausgabenblock, der ein Drittel der Gesamtausgaben ausmacht. Dieser Ausgabenblock ist in den letzten sieben Jahren um 15 Milliarden Euro, das heißt um fast 30 Prozent, gestiegen.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das muss so sein!)
Das zeigt, wie notwendig es ist, sich darüber Gedanken zu machen, wie man auf der einen Seite die Versorgung verbessert, auf der anderen Seite aber auch sicherstellt, dass die gute Versorgung finanzierbar bleibt.
Wir haben dazu mit den Ländern verhandelt – und zwar gut verhandelt; darin hat der Minister sicher recht –,in einer sehr kooperativen Art und Weise. Der Bundesgesundheitsminister hat – das möchte ich unterstreichen – die Verhandlungsergebnisse präzise und gut in einen Gesetzentwurf umgesetzt. Auch das muss man deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Deshalb ärgert es mich, dass der eine oder andere aus den Reihen der Länder, der an den Verhandlungen teilgenommen hat, sich nicht mehr präzise erinnern kann, wofür er am Schluss gestimmt hat.
Ich verstehe, dass wir darüber diskutieren wollen, und es ist auch Fakt, dass wir tatsächlich im parlamentarischen Verfahren in der Koalition gemeinsam das eine oder andere verbessern und verändern wollen.
(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das gilt insbesondere für Bayern!)
Aber man muss auch deutlich sagen, dass man hinter dem steht, was jetzt auf dem Tisch liegt.
Wir wollen die Qualität verbessern. Die Qualitätszuschläge und -abschläge in der Praxis umzusetzen, ist ein Riesenanspruch. Dabei darf eines nicht passieren, nämlich dass das Ganze letztlich zu mehr Bürokratieaufwand und Dokumentationspflichten führt. Das ist ganz entscheidend. Darauf kommt es an.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch die Rolle des MDK ansprechen. Mittlerweile gibt es seitens der Krankenhäuser gegenüber dem MDK eine sehr emotionale Haltung, manchmal nicht ganz unbegründet aufgrund der Erfahrungen, die man damit gemacht hat.
Wir sollten uns im parlamentarischen Verfahren ganz präzise überlegen, ob wir angesichts der Emotionalität, die im Raum steht, Gefahr laufen möchten, das, was wir umsetzen wollen, nämlich mehr Qualität im Krankenhausbereich, zu gefährden. Wir müssen an dieser Stelle darüber nachdenken, ob das die richtige Institution für die Prüfung der Qualität ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne ausreichende Pflege gibt es keine Qualität!)
Wir wollen die Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen. Das ist ein Kernanliegen. Deshalb sehen wir Sicherstellungszuschläge vor, die erstmals diesen Namen verdienen. Sie kommen nicht nur auf den Inseln zum Tragen, wie das bisher der Fall war. Vielmehr sollen damit Leistungen, die sonst nicht wohnortnah anzubieten sind, wie der Name schon sagt, sichergestellt werden. Auch das bitte ich entsprechend zu würdigen.
Wir stärken die finanziellen Grundlagen. Der Bundesrat fordert, die doppelte Degression auch bei den Zusatzentgelten komplett abzuschaffen. Darüber kann man natürlich diskutieren. Ich tue mich aber schwer, diese Forderung zu befürworten, wenn gleichzeitig der Versorgungszuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro, der seinerzeit eingeführt wurde, um die Auswirkungen der doppelten Degression abzumildern, beibehalten werden soll.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Wählerberuhigungstrostpflaster!)
Das ist inkonsequent und nur schwer vermittelbar. Das sage ich insbesondere an die Adresse der Bayerischen Staatsregierung, die das fordert.
Wir werden in den Beratungen sicherlich an der einen oder anderen Stelle nachjustieren. Die ambulante Notfallversorgung wurde bereits angesprochen. Hier geht es nicht nur um mehr Geld, sondern auch um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass das Geld dort ankommt, wo die Leistungen erbracht werden, und dass keine zusätzlichen Anreize für eine noch stärkere Verschiebung durch die Ärzteschaft in Richtung ambulante Dienste der Krankenhäuser gesetzt werden. Wir müssen darüber nachdenken, wie sich das miteinander vereinbaren lässt. Das sollte uns aber gelingen.
Wir steuern die Mengenentwicklung; das ist kompliziert genug. Wenn Mengenverlagerungen strukturbedingt stattfinden, zum Beispiel dadurch, dass Krankenhäuser geschlossen werden, dann darf das nach Auffassung einiger nicht zu Fixkostendegressionsabschlägen führen. Auch darüber lässt sich sicherlich diskutieren. Aber Fakt ist, dass auch solche Mengenverlagerungen in der betriebswirtschaftlichen Realität zu einer Fixkostendegression führen. In den weiteren Beratungen müssen wir gründlich prüfen, ob die Instrumente zur Mengensteuerung, die wir verändert haben, in der kumulativen Wirkung zu starke finanzielle Begrenzungen auslösen. Mich irritiert, dass uns einerseits vorgehalten wird, wir kürzten die Budgets um 1 Milliarde Euro – das ist der Ansatz auf der Krankenhausseite –, und dass uns andererseits die Krankenkassen sagen, wir würden für Mehrausgaben in Höhe von 5 Milliarden Euro sorgen. Was denn nun? Aus meiner Sicht passt das nicht zusammen. Das kann so nicht richtig sein.
Das Pflegestellenförderprogramm ist ein wichtiger und entscheidender Bestandteil des Gesetzes. Herr Kollege Lauterbach, natürlich kann man darüber diskutieren, wie sich dieses Programm ausweiten lässt.
(Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man auch mit mir diskutieren!)
Aber die Realität sieht folgendermaßen aus: Laut BA gibt es 7 400 offene Stellen im Pflegebereich, denen gerade einmal 5 800 Arbeitsuchende mit geeigneter Qualifikation gegenüberstehen. Ein frei werdender Arbeitsplatz in diesem Bereich bleibt im Schnitt mehr als vier Monate unbesetzt.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn die Arbeitsbedingungen besser würden, wäre es anders!)
Nur das Programm auszuweiten, ohne dass man weiß, ob es genügend Bewerber gibt, ist zu wenig. Das muss ich in aller Klarheit sagen, bei aller Sympathie, die ich an dieser Stelle habe.
(Beifall des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])
Abschließend möchte ich noch etwas zum Strukturfonds sagen. Wir wollen Überkapazitäten abbauen, aber unter finanzieller Beteiligung der Länder; denn die Länder sind bei den Investitionskosten in der Pflicht und müssen das auch bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sehr geschätzter Herr Kollege Nüßlein, denken Sie an die Redezeit.
Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident. – Daher können die Länder nicht lamentieren, dass wir festgelegt haben, dass in Zukunft die Länder ihre durchschnittlichen Haushaltsansätze der letzten drei Jahre fortschreiben müssen. Natürlich müssen die Länder das tun. Nun sind einige Länder, die in Wahlkampfzeiten ihre Investitionen hoch- und danach heruntergefahren haben, der Meinung, dass sie bei diesem Fonds zu kurz kommen. Dazu kann ich nur sagen: Man sollte sich in Zukunft gut überlegen, wie man sich in Wahlkämpfen zu verhalten hat.
In diesem Sinne: Auf gute Beratungen. Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als Nächste spricht die Kollegin Elisabeth Scharfenberg für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5349183 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung |