02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Tagesordnungspunkt 5

Marina KermerSPD - Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns allen ist klar, dass bei einer Veränderung von Strukturen zahlreiche widerstrebende Interessen auszugleichen sind. Der Entwurf des Krankenhausstrukturgesetzes liegt jetzt auf dem Tisch, ein Entwurf basierend auf den Ergebnissen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und den Beratungen von Experten. Allen Beteiligten möchte ich an dieser Stelle ein großes Dankeschön sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Kaum ein anderes Thema betrifft so viele Menschen so elementar wie die Gesundheitsversorgung. Die Patientinnen und Patienten haben ein Anrecht auf beste Versorgung und höchste Qualität der Behandlung. Sie brauchen Vertrauen in die Fähigkeit der Ärztinnen und Ärzte und die Fürsorge der Pflegerinnen und Pfleger. Und: Gesundheit muss bezahlbar bleiben. Denn: Es sind vor allem Beitragsmittel, die das Gesundheitssystem tragen, Beitragsgelder, die mit Augenmaß und Sachverstand zu verwalten sind, Beitragsgelder, um die von vielen Beteiligten gerungen wird, in erster Linie von Krankenkassen, Krankenhäusern und Ärztevertretungen. Aber die Planungshoheit haben unsere Länder. Sie tragen die Verantwortung und entscheiden, welches Krankenhaus wo im Land mit welchem medizinischen Schwerpunkt sein soll.

Viele Länder haben in den vergangenen Jahren die Investitionen deutlich zurückgefahren. Die Klagen der Krankenhäuser sind berechtigt. Deshalb hätte auch ich mir von den Ländern konkretere Zusagen über ihre zukünftigen Investitionen gewünscht. Aber wir wissen, dass die finanzielle Lage in den Ländern schwierig ist. Uns bleibt nicht die Zeit. Wir müssen jetzt vorausschauend handeln. Deshalb wollen wir mit dem Krankenhausstrukturgesetz neue, vielfältige, zeitgemäße Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen.

Ja, es ist ein lauter Wettkampf um die Interessen. Zwei Gruppen stehen überwiegend eher leise im Abseits: Das sind die Patientinnen und die Patienten und die Pflegerinnen und Pfleger. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb erheben wir die Stimme und treten ihnen als Politiker mit diesem Gesetzentwurf an die Seite. Wir wollen die Patientenrechte durch mehr Transparenz und Qualität stärken, und wir wollen endlich die Situation der Pflegekräfte verbessern. Mit 660 Millionen Euro können Kliniken mehr Personal einstellen, und zwar speziell für die Pflege am Bett; denn genau da brauchen wir Pflegepersonal.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wenn wir über Geld reden, das investiert werden soll, sollten wir nicht aus den Augen verlieren: Die GKV verzeichnete im Jahr 2014 insgesamt circa 194 Milliarden Euro Ausgaben für Leistungen der Gesundheitsversorger, davon 33 Prozent für Krankenhausbehandlungen. Es fließt viel Geld. Trotzdem sind die Krankenhäuser von Zahlungsunfähigkeit bedroht. Es ist eine Unwucht im System.

Der vorliegende Entwurf ist ein Meilenstein auf dem Weg zu zukunftsfähigen Strukturen, ein Paradigmenwechsel hin zu einer qualitätsorientierten Planung; und das ist nötig. Die Menschen in unserem Land werden immer älter – ein gutes Zeichen. Denn: Ein langes Leben bei guter Gesundheit, wer wünscht sich das nicht? Der Blick auf morgen zeigt: Es steigen die Gesundheitskosten für die Menschen im Alter. Seit Jahrzehnten haben wir einen Geburtenrückgang. Junge Menschen ziehen mehr und mehr in Ballungszentren. Unsere ländlichen Regionen dünnen aus. Die Gesundheitskosten steigen bei immer weniger Beitragszahlern. Ist es da nicht illusorisch, zu glauben, wir könnten langfristig die gleiche Dichte an medizinischer Versorgung wie heute sicherstellen? Dazu fehlt uns auf Dauer nicht nur das Geld; uns fehlen vor allem die Menschen, die dort arbeiten. Deshalb werden wir langfristig vor allem Kapazitäten bündeln und neue Strukturen schaffen müssen. Qualität soll einheitlich definiert, gemessen und gesichert sein. Erfolg soll honoriert werden, weniger gute Leistungen gerade nicht.

Ich verstehe auch so manche Aufregung nicht. Qualitätsmanagement ist nicht neu. Es wird bereits in den Krankenhäusern gelebt, leider nicht überall und nicht vergleichbar. Aber ohne Qualitätsmanagement wird es in Zukunft nicht gehen. Damit wollen wir das Patientenrecht stärken, entscheiden zu können, welcher Klinik man vertraut. Krankenhäuser mit dauerhaft schlechter Qualität werden nicht bestehen können. Sie bekommen die Chance, ihre Mängel wirksam abzustellen.

Bereits heute gibt es Mindestmengenvorgaben bei planbaren Eingriffen. Oder wollen wir beispielsweise ein wertvolles Spenderorgan und damit ein noch wertvolleres Menschenleben riskieren, weil Ärztinnen und Ärzte keine ausreichende Praxis haben können? Da tun wir uns und den Ärzten keinen Gefallen. Deshalb wollen wir die Einhaltung der Mindestmengen sanktionieren.

Auch gibt es einen Zusammenhang zwischen Qualität und Anzahl der Pflegekräfte. Heute haben wir ein Verhältnis von zwei Pflegekräften zu einem Mediziner. Die Pflegekräfte stehen am Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Ich habe mit vielen Personalvertretungen gesprochen. Ich weiß, dass Pflegerinnen und Pfleger zum Teil ganz aus dem Beruf ausscheiden, weil sie die Belastung nicht mehr aushalten oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht möglich ist. Meine Damen und Herren, diese ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erscheinen nicht in einer Statistik der Bundesagentur, weil sie in andere Branchen wechseln. Aus diesem Grund wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion in den Verhandlungen erreichen und erkämpfen, das Pflegestellenförderprogramm zu erweitern, die Mittel zu verdoppeln, also auf 1,3 Milliarden Euro aufzustocken.

Wir wollen nicht nur kurzfristig Personalknappheit beseitigen; Herr Bundesminister Gröhe sagte es bereits. Wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die tragfähige Lösungen finden soll, als Anschlusssicherung nach diesen drei Jahren. Deshalb mein Appell: Langfristig müssen wir Personalstandards festlegen, um zum Beispiel für sensible Stationen eine Mindestzahl von Pflegekräften pro Patienten zu sichern.

Ich komme zum Schluss. Mit dem Krankenhausstrukturgesetz kann es gelingen, die Qualität durch mehr Pflegepersonal zu erhöhen, die Arbeitssituation und damit das Image für die Pflegekräfte auf Dauer zu verbessern und gute Pflege am Bett und damit Patientenzufriedenheit zu sichern. Wir alle tragen Verantwortung, unser Gesundheitssystem zukunftssicher zu gestalten: für uns, unsere Kinder und Enkelkinder. Das wird ohne finanzierbare und effiziente Strukturen nicht funktionieren. Ich lade Sie alle ein, uns auf diesem Weg zu begleiten, mit konstruktiven Diskussionen und Argumenten; aber, meine Damen und Herren, stehen bleiben werden wir nicht.

Danke.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Der Kollege Jens Spahn spricht jetzt für die CDU/ CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5349203
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung
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