Jürgen KlimkeCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Sicherheitslage nach islamistischen Anschlägen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, dass die jüngsten Anschläge in Tunesien, in Kuwait, in Frankreich und auch gestern in Ägypten uns nicht nur betroffen machen müssen, sondern dass sie uns auch vor ganz große Herausforderungen stellen, die nicht nur innenpolitischer, sondern auch außenpolitischer Art sind.
Die Anschläge stehen in Verbindung mit dem sogenannten „Islamischen Staat“, dessen Protagonisten – anders als bei al-Qaida – nicht nur morden, sondern brutal für einen Staat in ihrem Sinne kämpfen. Der IS speist sich neben Einzeltätern aus Instabilität und Konflikten. Es sind Failed States, in denen der IS Entwurzelte an sich binden und Kämpfer für seine ideologischen Ziele begeistern kann. Deshalb ist es für unser außenpolitisches Handeln entscheidend, Instabilität zu vermeiden und Stabilität wiederherzustellen.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir als Europäische Union immer die richtigen Konzepte haben und ob wir uns ausreichend engagieren. Das muss man einmal selbstkritisch sagen. So müssen wir zum Beispiel darüber nachdenken, ob wir es wirklich dauerhaft hinnehmen können, dass der IS im libyischen Machtvakuum immer mächtiger wird. Denn die Instabilität Libyens erweist sich als Fanal für die gesamte Region. Das gilt im Übrigen auch für die Flüchtlingsfrage.
Instabilität droht auch andernorts, zum Beispiel in vielen Staaten Afrikas, auch in einigen Balkanstaaten – Kollege Kiesewetter hat es angesprochen –, bei denen wir eigentlich angenommen hatten, dass ihr friedlicher Weg in die europäische Integration vorgezeichnet ist. Es liegen jedoch neue Erkenntnisse vor, dass der IS den Balkan als Einfallstor in die EU nutzt.
Meine Damen und Herren, wir müssen auch erkennen, dass eine mögliche Instabilität Griechenlands – wenn auch wegen anderer Fragen, nämlich in der Folge eines potenziellen Ausscheidens aus dem Euro oder auch aus der EU – gravierende Folgen für Südosteuropa haben und dort Instabilität verursachen könnte. Andererseits wäre die stabilisierende Rolle der Türkei, die Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat und dem IS militärisch Einhalt gebieten kann, gefährdet, wenn es zu keiner Regierungsbildung käme und wieder Neuwahlen notwendig wären. Damit könnte auch dort Instabilität entstehen.
Meine Damen und Herren, wir Europäer können uns angesichts der Bedrohung durch den IS – wie bei der Grundsatzfrage hinsichtlich der Flüchtlinge – nicht in eine Zuschauerrolle begeben. Wir müssen bereit sein, einzugreifen und das zu tun, was erforderlich ist. Wir dürfen uns dabei nicht auf die Vereinigten Staaten verlassen. Wir müssen vielmehr eigene Strategien zur Gewährleistung von Stabilität entwickeln, mit denen wir Krisen vor unserer Haustür verhindern, fragile Staaten stabilisieren und Bürgerkriege bekämpfen können. Deutschland könnte sich hier bei der Erarbeitung einer Roadmap für die Region, aber auch bei der Etablierung multilateraler Sicherheitsstrukturen im arabischen Umfeld der EU einbringen.
Lassen Sie mich einige Sätze zu Tunesien sagen; denn das Land – es wurde mehrfach unterstrichen – ist ein Hoffnungsträger nach dem Arabischen Frühling. Ziel der Anschläge war es, das Land zu schwächen und auch dadurch zu destabilisieren, dass die Reisenden ausbleiben. Deshalb ist es wichtig, Tunesien den Rücken zu stärken. Es war genau die richtige Antwort, dass die Innenminister der betroffenen Staaten an den Strand von Sousse gekommen sind, Arm in Arm beieinanderstanden – trauernd, aber auch den Morden trotzend – und zusammen Stärke gezeigt haben.
Es war auch richtig, dass Bundeskanzlerin Merkel vor wenigen Wochen den tunesischen Präsidenten als Gast zum G-7-Gipfel eingeladen hat. Der erfolgreiche Weg Tunesiens in die Demokratie ist eine Angelegenheit von uns allen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Tunesien scheitert. Das war auch die Botschaft dieser Einladung. Insofern war es völlig richtig, sie auszusprechen.
Natürlich muss man mit den betroffenen Staaten in Sicherheitsfragen kooperieren. Deutschland unterstützt ja die Weiterbildung der Sicherheitskräfte in Tunesien. Wir sollten aber auch im zivilgesellschaftlichen Bereich zusammenarbeiten, Austausch und Partnerschaften fördern, um das gegenseitige Verständnis zu stärken. Das gilt nicht nur für Tunesien.
Meine Damen und Herren, der Terrorismus zielt darauf, Ziele psychologisch zu erreichen, die man im direkten Kampf nicht erreichen kann. Ein wirksames Mittel im Kampf gegen den Terrorismus besteht darin, diesen Kreislauf zu durchbrechen, rational zu sein und manchmal vielleicht auch etwas stur zu sein, nach dem Motto: Jetzt erst recht! – Lassen Sie uns jetzt erst recht für offene, demokratische Gesellschaften überall auf der Welt kämpfen!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat Marian Wendt von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5349788 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Sicherheitslage nach islamistischen Anschlägen |