Astrid FreudensteinCDU/CSU - Arbeit für Menschen mit Behinderungen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ob man Arbeit als Last oder als Freude empfindet, das ist sehr unterschiedlich und hängt sehr stark von persönlichen Erfahrungen ab. Eines aber – so meine ich – verbindet behinderte und nicht behinderte Menschen, Manager und Hilfsarbeiter: Wir alle haben eine Vorstellung von unserem Traumberuf. Er soll uns soziale Kontakte, Anerkennung und ein anständiges Einkommen verschaffen und meistens Freude machen. Das ist der Anspruch, den wir alle zu Recht an die Arbeit haben. Es ist klar, dass Menschen mit Behinderung an der Verwirklichung ihrer beruflichen Träume genauso interessiert sind wie Menschen ohne Behinderung. Der Knackpunkt ist – über diesen Punkt diskutieren wir nun –, dass die Ausgangslage für Menschen mit Handicap ungleich schwieriger ist.
In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, schreiben Sie, dass derzeit 10 000 schwerbehinderte Menschen mehr arbeitslos seien als noch 2010. Das ist auch richtig. Aber damit diese Zahl richtig eingeordnet werden kann – der Kollege Schummer hat schon darauf hingewiesen –, muss man auch erwähnen, dass im gleichen Zeitraum die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen in Deutschland um mehr als eine halbe Million gestiegen ist und dass heute auch mehr als 100 000 schwerbehinderte Menschen mehr beschäftigt sind als noch vor fünf Jahren. Das zeigt einerseits eine ganz ordentliche Entwicklung, zeigt aber andererseits, dass es noch viel zu tun gibt, und natürlich auch, dass Menschen mit Behinderung nicht so am Aufschwung teilhaben wie Nichtbehinderte.
Wie also verbessern wir die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben? Diese Frage beschäftigt uns schon sehr lange, und wir haben sie in der Koalitionsvereinbarung auch ganz weit oben auf die politische Agenda gesetzt.
Parlamente, Ministerien, Kommunen, Behindertenverbände und Betroffene beschäftigen sich seit gut einem Jahr verstärkt mit dieser Frage. Wir haben mittlerweile auch Antworten darauf bekommen. Einige kann man in den langen Protokollen der AG Bundesteilhabegesetz des BMAS nachlesen. Andere Antworten bekommen wir einfach bei den Begegnungen in unseren Wahlkreisen.
Sicher müssen wir zunächst einmal den Blick dafür schärfen, was der Einzelne eigentlich kann, was er mitbringt, was er einbringen kann, was er für ein Unternehmen leisten kann. Das ist tatsächlich ein gewisser Paradigmenwechsel. Viel mehr als bisher müssen wir die Stärken der Menschen beurteilen und dürfen nicht nach dem schauen, was sie nicht können.
Darüber hinaus präsentieren Sie nun in Ihrem Antrag eine ganze Reihe von Ideen, wie man die Situation der Betroffenen verbessern kann. Ich fange jetzt einmal bei dem Guten in Ihrem Antrag an: beim Budget für Arbeit, das Sie vorschlagen. Das ist in der Tat ein erfolgreiches Modellprojekt. Es spielt auch in unseren Planungen für ein Bundesteilhabegesetz eine wichtige Rolle. Ich bin auch überzeugt davon, dass dieses Budget für Arbeit viel mehr Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt ermöglichen kann.
Das Gleiche gilt für Ihre Ausführungen zu den Integrationsunternehmen, über die wir heute nicht mehr diskutieren.
(Katrin Werner [DIE LINKE]: Schade!)
Aber auch wir wollen sie stärken. Wir haben dazu einen Antrag. Die Idee, sie gerade in der Gründungsphase mehr zu fördern, finde ich gut. Ich finde auch gut, sie mehr als bisher als Ausbildungsbetriebe zu gewinnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin auch ganz bei Ihnen, wenn Sie schreiben, dass es einen Aufklärungsbedarf für Unternehmen gibt, was die Fördermöglichkeiten angeht. Es stimmt: Viel zu viele Unternehmen in Deutschland beschäftigen noch immer gar keinen Schwerbehinderten. Dafür gibt es einmal mehr, einmal weniger plausible Gründe.
Der Kündigungsschutz und der Zusatzurlaub sind zwei Punkte, die oft genannt werden. Sie sind für die Betroffenen ganz wichtige Elemente, aber sie sind eben auch für Unternehmer oft ein Hemmschuh mehr, einen Menschen mit Behinderung einzustellen. Ich bin aber auch sicher, dass man, wenn man mehr aufklären würde, den einen oder anderen oder auch viele davon überzeugen könnte, einen Menschen mit Behinderung einzustellen.
Es gibt aber dann schon auch eine Reihe von Punkten in Ihrem Antrag, die ich für falsch und sogar kontraproduktiv halte. Sie fordern die Anhebung der Beschäftigungsquote auf 6 Prozent, und Sie fordern eine deutliche Erhöhung der Ausgleichsabgabe. Beide Maßnahmen tragen sicher nicht zu mehr Offenheit und Verständnis der Unternehmerschaft für unser Anliegen bei. Ich bin überzeugt davon, dass die inklusive Arbeitswelt nur dann funktionieren kann, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn Unternehmen und Beschäftigte aus voller Überzeugung Ja zum Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten sagen. Wenn wir irgendwann einmal gar keine Beschäftigungsquoten und gar keine Ausgleichsabgaben mehr brauchen, dann sind wir tatsächlich in der inklusiven Arbeitswelt angekommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich halte nichts von zusätzlichen Zwängen und höheren Abgaben für die Unternehmen. Ich glaube, es ist, ohne Unternehmer mit Kindern gleichsetzen zu wollen, ein bisschen wie in der Kindererziehung: Positive Anreize bewirken viel mehr als Strafen. Wir müssen aufklären, informieren, Bürokratie abbauen und Unterstützung anbieten. Schauen Sie sich doch die positiven Beispiele an, die es schon gibt, zum Beispiel den Aktionsplan eines großen deutschen Softwareherstellers. Diese Entwicklungen gab es sicher nicht wegen der Ausgleichsabgabe. Ich bin ganz sicher, dass wir einen Bewusstseinswandel nur dann hinbekommen, wenn wir zusammenarbeiten.
Eines ist mir tatsächlich ein persönliches Anliegen. Ich habe es hier schon öfter gesagt: Hören Sie bitte mit dieser diskriminierenden Sonderweltenrhetorik auf. Was meinen Sie eigentlich, wie sich die fast 300 000 Menschen in den Werkstätten fühlen, wenn sie sich immer wieder anhören müssen, dass ihre Welt nicht zum Rest der Welt gehört?
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Viele von diesen Menschen haben sich durchaus selbstbestimmt und selbstbewusst für diesen geschützten Raum entschieden. Zur Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsleben gehört es wirklich auch, Respekt und Wertschätzung füreinander und für jeden Weg zu haben. Ich glaube, wir sollten für Wahlfreiheit sorgen und sicherstellen, dass jeder den Weg gehen kann, den er für sich als richtig empfindet.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5350593 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit für Menschen mit Behinderungen |