Volker BeckDIE GRÜNEN - Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf bleibt im Aufenthaltsgesetz kein Stein auf dem anderen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Burkhard Lischka [SPD]: Oje!)
Es hat schon Gründe, dass wir in diesem Hohen Hause nach 20 Uhr über den vorliegenden Gesetzentwurf diskutieren. Es hat auch Gründe, dass sowohl der Bundesinnenminister als auch du, lieber Rüdiger Veit, kaum etwas zum Inhalt des Gesetzentwurfes gesagt haben. Das hätte ich auch so gemacht, wenn ich den hätte vertreten müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Natürlich ist es richtig, dass die Bleiberechtsregelung ein Fortschritt ist,
(Rüdiger Veit [SPD]: Dafür haben wir gekämpft!)
aber sie ist löchrig, und sie fällt hinter die Vorschläge des Bundesrates zurück. Die überfällige Bleiberechtsregelung wurde von der SPD teuer erkauft: allerlei Haft, viele Grundrechtseingriffe und mögliche Rückschritte für Geduldete in der Ausbildung. Haarsträubend ist der vorliegende Gesetzentwurf insbesondere in drei Punkten. Wir fordern Sie daher auf, Ihren falschen Weg im Rahmen von namentlichen Abstimmungen zu korrigieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Lieber Rüdiger Veit, du hast gesagt, wenn jugendliche Asylbewerber in Ausbildung kommen, dann werde künftig eine Duldung ausgesprochen; das sei ein Fortschritt.
(Rüdiger Veit [SPD]: Ja!)
Ich zitiere deinen Innenminister aus Nordrhein-Westfalen:
(Rüdiger Veit [SPD]: Aber nicht überall!)
Mit diesem Gesetzentwurf – das ist die einzige Änderung – sorgt ihr für mehr rechtliche Unsicherheit für Auszubildende, die mit über 21 Jahren eine Ausbildung aufnehmen. Hier droht eine Verschlechterung.
(Burkhard Lischka [SPD]: Das ist doch Unsinn!)
Wir wollen: Den Geduldeten, die eine Ausbildung beginnen, ist für die Zeit der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen,
(Burkhard Lischka [SPD]: Das ist nie zur Anwendung gekommen! Das ist Blödsinn!)
damit sowohl die auszubildenden Flüchtlinge als auch die Handwerksbetriebe, die sie zur Ausbildung anstellen, Rechtssicherheit haben.
(Zuruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
– Jetzt habe überwiegend ich das Wort, Herr Kollege Lischka. – Die Handwerksbetriebe sollen nicht anderthalb Jahre in jemanden investieren, der dann plötzlich weg ist, ohne Abschluss, ohne dass er die Ausbildung beenden konnte. Das, was Sie hier machen, ist einfach lebensfremd.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das widerspricht auch den Forderungen der Wirtschaftsverbände. Seien Sie human und wirtschaftsfreundlich. Sie hätten die Chance dazu, indem Sie diese falsche Regelung korrigieren.
Zweiter Punkt – Kollegin Dagdelen hat das schon angesprochen –: Beim Ehegattennachzug bestehen Sie weiter auf die unsinnigen Sprachtests.
(Rüdiger Veit [SPD]: Wir eben nicht! Das habe ich gesagt!)
Der Schutz von Ehe und Familie kann nicht unter Sprachvorbehalt stehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das ist ein hohes Gut. Deshalb bringen wir heute hier einen Gesetzentwurf zur Verwirklichung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie – auch für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit – ein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Im Grundgesetz steht nicht: Schutz von Ehe und Familie nur für Deutsche. Das muss für alle gleichermaßen gelten.
(Rüdiger Veit [SPD]: Ich habe etwas dazu gesagt!)
Der Sprachtest ist doch Unsinn sondergleichen.
(Rüdiger Veit [SPD]: Das ist richtig!)
Deutsch lernt man am besten in Deutschland
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Daniela Kolbe [SPD])
und nicht im Ausland, auf dem Land, wo es keine Sprachschule gibt.
Sie setzen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs einfach nicht um. Konsequent nehmen Sie das Urteil nicht zur Kenntnis.
(Sevim Dagdelen [DIE LINKE]: Steinmeier!)
Das ist, wie ich finde, wirklich ein Skandal. Das Ganze ist doch sowieso schon ein Flickenteppich, weil wir mit den einzelnen Ländern verschiedene Abkommen geschlossen haben. Wir behandeln die Menschen unterschiedlich, je nachdem, wo sie herkommen.
Die Änderungen beim Bleiberecht, die von Rüdiger Veit so hoch gelobt werden, werden mit einer Verschärfung der Abschiebehaft erkauft.
(Burkhard Lischka [SPD]: Es wird nichts verschärft! Wo wird denn da was verschärft? – Daniela Kolbe [SPD]: Jetzt mal konkret!)
Indem Sie die rechtlichen Gründe schärfer formulieren, führen Sie eine völlig neue Hintertür ein, nämlich den Ausreisegewahrsam. Haft ohne jeden Haftgrund – das ist so etwas von europarechtswidrig! Wir werden heute im Wege einer namentlichen Abstimmung das Abstimmungsverhalten festhalten, damit wir genau wissen, wer zugestimmt hat, wenn der EuGH oder das Verfassungsgericht sagt, dass das so nicht geht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Kollege Beck.
Darf ich noch einen Gedanken ansprechen?
Wenn Sie dem Kollegen Veit gestatten, eine Frage zu stellen oder eine Bemerkung zu machen, dann haben Sie die Chance dazu.
Ja.
Lieber Kollege Volker Beck, ist dir und anderen bei dieser Kritik am Ausreisegewahrsam, der maximal vier Tage dauert und in der Tat neu ins Gesetz geschrieben wird, vielleicht entgangen, dass wir im gleichen Atemzug die sogenannte kleine Sicherungshaft, die bis zu 14 Tage dauern kann, abgeschafft haben?
(Burkhard Lischka [SPD]: Genau!)
Willst du der Feststellung widersprechen, dass das im Sinne der Betroffenen eine echte Verbesserung ist, nämlich zumindest zehn Tage weniger?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nein. Gegen diesen Ausreisegewahrsam, so wie er ausgestaltet ist, können die Betroffenen keinen Rechtsbehelf einlegen. Das, was da stattfindet, läuft im rechtsstaatlichen Niemandsland ab.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vier Tage ohne Haftprüfung!)
Man kann Leute nicht ohne Haftgrund einsperren, auch nicht vier Tage. Das sind keine Straftäter!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Herr de Maizière, wir sind uns einig – ich sage das, damit hier kein Popanz aufgebaut wird; Rüdiger, bleib ruhig stehen, denn dann habe ich noch ein bisschen mehr Zeit –
Sie müssen zum Ende kommen.
– dass Menschen, die hier keinen Schutzanspruch haben und nicht als Arbeitsmigranten kommen, das Land verlassen müssen. Dafür kann man aber doch nicht auf rechtsstaatswidrige Mittel zurückgreifen. Dabei bleiben wir.
Dieses Gesetz ist am Ende für viele Menschen eine Katastrophe. Für einige wird es eine Verbesserung geben; aber damit wird das Unrecht, das dadurch geschieht, nicht aufgewogen. Denen, denen Unrecht geschieht, geschieht Unrecht, und das darf man nicht hinnehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das Wort hat die Kollegin Andrea Lindholz für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5350718 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung |