Jens KoeppenCDU/CSU - Subventionen für Atomkraftwerke in der EU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Oppositionsanträge empfehlen dem Deutschen Bundestag, gegen den Beschluss von Großbritannien, Atomkraftwerke zu bauen, zu klagen. Ich empfehle Ihnen, vom Ende her zu denken; denn dieser Schuss kann nach hinten losgehen. Ich denke, es ist nicht zulässig. Ich denke auch, es ist eine Sackgasse, und es ist ein Bumerang. Ich werde Ihnen auch erklären, warum das aus meiner Sicht so ist.
Die Gestaltung der Energiepolitik, etwa der Energiewende, liegt in der nationalen Entscheidungshoheit jedes Mitgliedstaats der Europäischen Union. Genau diese Entscheidungshoheit erlaubt es Deutschland, zu sagen: Wir steigen aus der Kernenergieerzeugung aus. – Frau Dr. Scheer, das ist eine Bewertung. Ich will jetzt gar nicht bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Aber Sie haben es gemacht.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben es auch gemacht!)
Das ist in Ordnung. – Wir steigen allerdings nur aus der Kernenergieerzeugung aus; nutzen werden wir die Kernenergie noch einige Jahre oder Jahrzehnte, weil wir die Lücke schließen müssen. – Das dazu.
Durch die souveräne Entscheidung für diesen Mix in Deutschland ist es möglich, in das Zeitalter der erneuerbaren Energien zu kommen. Dieser Weg wird von vielen Nachbarn interessiert, aber auch sehr kritisch beäugt; denn sie wissen nicht, was da passiert. Wird es gelingen? Wird es nicht gelingen?
Natürlich, Frau Kotting-Uhl – Sie werden es nachher sagen; Sie haben es im Ausschuss gesagt –: Jeder Vergleich zu den erneuerbaren Energien hinkt. – Jeder Vergleich hinkt. Ich will mich trotzdem auf die erneuerbaren Energien bei uns konzentrieren, um danach wieder zu Hinkley Point C zu kommen.
Wir setzen auf erneuerbare Energien, und wir geben auch eine starke staatliche Förderung dafür; das ist unbestritten. Wir haben eine Einspeisevergütung über 20 Jahre. Das ist eine starke Subventionierung. Wir haben einen Einspeisevorrang für die erneuerbaren Energien. Das ist auch eine starke staatliche Subventionierung. Wir haben sogar eine Vergütung für nicht abgegebene Leistung. Wenn Energie abgeregelt werden muss, weil es zu viel Energie gibt, weil sie nicht verbraucht wird, wird trotzdem bezahlt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit neuestem haben wir das auch für Kohlekraftwerke!)
Das ist etwas, Herr Krischer, was man natürlich beachten muss. Die Briten oder andere könnten sagen: Das ist ein Markteingriff. Dagegen könnten wir klagen. – Deswegen müssen wir vorsichtig sein, und deswegen müssen wir vom Ende her denken.
(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben ungefähr 195 Gigawatt installierte Netto- Nennleistung. Davon sind 45 Prozent – das sind 90 Gigawatt – aus erneuerbaren Energien. Diese werden natürlich in den europaweit gekoppelten Stromspotmarkt integriert. Das reduziert – da sind wir beieinander – den Börsenstrompreis, und das hat eine direkte Auswirkung auf die Märkte. Jetzt fragen andere: Ist das zulässig? Ist das nicht ein Eingriff? Können wir dagegen nicht klagen? – Deswegen warne ich davor, solche Schritte zu gehen.
Wer gegen Großbritannien und den Mix dort klagt, läuft natürlich Gefahr, dass gegen die 90 Gigawatt geklagt wird. Nur zum Vergleich: Hinkley Point C wird, wenn es fertig ist, 3,3 Gigawatt produzieren. Das sind circa 3,3 Prozent von den 90 Gigawatt installierter Netto-Nennleistung. Jetzt ist die Frage: Wo ist der Markteffekt größer, bei den 90 Gigawatt oder bei den 3,3 Gigawatt? – Deswegen riskieren wir mit einer Klage, die Sie in den beiden Anträgen fordern, europäische Sympathien. Es ist, ganz klar, ein ideologisch geführter Kampf. Wir werden da Widerstand ernten.
Was macht Großbritannien? Sie wissen, dass Großbritannien ein sehr ehrgeiziges Klimaschutzziel hat; das ist unbestritten. Bis zum Jahr 2050 will Großbritannien 80 Prozent CO 2 einsparen. Welchen Weg geht man dort? Man substituiert mit Hinkley Point C alte Kernenergiekraftwerke. Man hat Offshoreprojekte, bei denen die Megawattstunde 188 Euro kosten wird bzw. entsprechend subventioniert wird. Dagegen wollen Sie übrigens nicht klagen. Das ist auch bemerkenswert. Das ist um 70 Prozent höher als in Deutschland. Außerdem hat Großbritannien die CCS-Technologie angewandt, um die CO 2 -Emissionen aus Kohle, Gas und Industrie zu senken. Das sind Wege, die Großbritannien festlegen kann, und zwar ganz allein, ohne dass in irgendeiner Art und Weise geklagt wird. Jetzt können Sie und auch die Sachverständigen doch nicht sagen: Das ist ein Rundum-sorglos-Paket. – Das ist nicht in Ordnung.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 35 Jahre Freistellung von Entsorgungskosten, von Inflationskosten!)
Wir sagen: Das geht so nicht. Denn viele in Europa sagen: Das EEG ist ein Rundum-sorglos-Paket. – Und das wollen wir natürlich vermeiden.
Der Weg von Großbritannien ist in der Tat nicht unser Weg; Frau Dr. Scheer, Sie haben es gesagt. Es ist aber die Frage: Sind wir gute Europäer, wenn wir andere Länder, Partner, befreundete Länder mit Klagen überziehen für eine Sache, dessen alleinige Gestaltungshoheit in den Mitgliedstaaten liegt? Ich glaube, das ist der falsche Weg.
Was die Souveränität angeht, werden Sie ja wieder damit kommen, dass das europäisch gelöst werden muss, Frau Kotting-Uhl. Das haben Sie ja bereits im Ausschuss gesagt. Was wäre denn, wenn eine europäische Lösung so aussähe, dass durch irgendeinen Kommissar festgelegt wird, dass ein Mix aus 30 Prozent Erneuerbaren, 30 Prozent Kernenergie und 30 Prozent Kohle zu installieren ist? Wäre das der bessere Weg, oder ist es doch besser, dass die Souveränität bei den Mitgliedstaaten liegt?
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mal was von europäischen Zielen gehört?)
– Ich sagte doch gerade: Wenn es festgelegt würde, dann müssten wir die Kernenergie weiterführen und dürften die Reaktoren nicht abschalten. Ist das dann der bessere Weg? Ich denke, nein. Deswegen gehen wir diesen Weg nicht mit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So einen Quatsch habe ich noch gar nicht gehört! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht so!)
Was wir machen müssen, ist, für unseren Weg zu werben. Das können Sie ja nicht, Herr Krischer; Sie kreischen ja nur herum. Wir müssen für unseren Weg werben. Wir müssen zeigen, dass er erfolgreich ist. Noch ist er ja nicht erfolgreich. Noch sind wir ja auf dem Weg. Was wir machen müssen, ist: Wir müssen zeigen, dass es funktioniert. Denn Lösungen sind immer besser als Klagen,
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wird es nicht funktionieren!)
schon gar unter Freunden.
Deswegen: Es bleibt dabei, dass Europa eine Wertegemeinschaft ist, bei der natürlich die Mitgliedstaaten untereinander im Wettbewerb stehen. Wir müssen zeigen, dass wir den Wettbewerb gewinnen, dass wir das bessere Konzept haben. Das ist die richtige Lösung. Klagen ist aus meiner Sicht eine Sackgasse. Es kann ein Bumerang sein, der schmerzhaft zurückkommen kann. Deswegen sage ich: Werfen wir ihn erst gar nicht! Daher sind Ihre beiden Anträge abzulehnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Sylvia Kotting- Uhl, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5350879 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Subventionen für Atomkraftwerke in der EU |