02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Zusatzpunkt 6

Günter Krings - Karenzzeit für Regierungsmitglieder

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu vorgerückter Stunde diskutieren wir heute einen Gesetzentwurf, der das Ende einer zehnjährigen Debatte über die Notwendigkeit verbindlicher Regeln für den Wechsel von Regierungsmitgliedern, auch Parlamentarischen Staatssekretären, in die Wirtschaft markiert.

Die vorliegende Karenzzeitregelung schafft ein transparentes Verfahren, indem eine Anzeigeverpflichtung für Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre eingeführt wird, wenn sie eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes aufnehmen möchten. Die beabsichtigte Beschäftigung kann untersagt werden, wenn dadurch öffentliche Interessen beeinträchtigt werden.

Die Karenzzeitregelung – das ist der Kern – schützt das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung. Bereits der bloße Anschein einer voreingenommenen Amtsführung mit Blick auf spätere Karriereaussichten soll ebenso wie die spätere private Verwertung von Amtswissen verhindert werden.

Der Gesetzentwurf ist übrigens von seiner Einbringung in das parlamentarische Verfahren bis zum heutigen Stand weitgehend unverändert geblieben. Selbst der Änderungsantrag der Grünen beinhaltet aus meiner Sicht keine substanzielle, große Änderung, auch wenn Sie sich – das gebe ich zu – Mühe gegeben haben.

(Heiterkeit des Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD])

Wir haben eine Anhörung erlebt, bei der es viel Zustimmung seitens der Experten gab. Natürlich gibt es im Detail immer Verbesserungsvorschläge und Ideen; aber die Anhörung hat wirklich gezeigt: Das ist ein Gesetzentwurf, der ordentlich vorbereitet worden ist und die richtigen Eckpunkte umfasst. Ich will sie in Stichworten nennen:

Amtierende und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung unterliegen in den ersten 18 Monaten nach Ende ihrer Amtszeit einer Anzeigepflicht in Bezug auf Beschäftigungen außerhalb des öffentlichen Dienstes. Auch eine Rückkehr in eine vor dem Regierungsamt ausgeübte Berufstätigkeit ist davon umfasst. Es ist also durchaus eine weitgehende Regelung.

Die Regelung gilt entsprechend – ich habe es eben gesagt – für die Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und schließt natürlich auch die Bundeskanzlerin ein.

Wenn eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen vorliegt – die Gesetzesvorlage ist an dieser Stelle bewusst weit gefasst –, kann die Bundesregierung die Ausübung der Folgetätigkeit untersagen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der angestrebten Beschäftigung und dem ausgeübten Amt besteht. Die Dauer der Untersagung soll in der Regel ein Jahr betragen. Sie kann in Ausnahmefällen auch darunter liegen; in Fällen einer schweren Beeinträchtigung öffentlicher Interessen kann sie auch auf einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten ausgedehnt werden.

Diese Kannregelung lässt aus unserer Sicht ausreichenden Spielraum, um eine im Einzelfall angemessene Entscheidung zu treffen, die zum Beispiel die Länge von Amtszeiten berücksichtigt oder auch das Maß der Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten im Amt, die etwa zwischen Bundesministern und Parlamentarischen Staatssekretären durchaus unterschiedlich sind. Die Bundesregierung orientiert sich damit an bestehenden Regelwerken wie dem Verhaltenskodex der EU-Kommission, der ebenfalls eine bis zu 18-monatige Karenzzeit für ausscheidende Kommissionsmitglieder vorsieht.

Die Transparenz des Verfahrens wird umfassend sichergestellt. Vor einer Entscheidung der Bundesregierung wird diese durch ein beratendes unabhängiges Gremium unterstützt, welches in jedem Einzelfall eine Entscheidungsempfehlung unterbreitet. Das Gremium, das unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes eingesetzt werden soll, setzt sich aus drei Persönlichkeiten zusammen, die über eine ausgewiesene politische Erfahrung an der Spitze gesellschaftlicher oder staatlicher Institutionen verfügen und die maßgeblichen Fälle daher gut beurteilen können. Nachdem eine Entscheidung durch die Bundesregierung getroffen worden ist, soll diese zusammen mit der Empfehlung des beratenden Gremiums veröffentlicht werden. Jedermann kann den Entscheidungsprozess und nicht nur das Entscheidungsergebnis damit vollumfänglich nachvollziehen.

Diese Regelungen ermöglichen eine verantwortungsbewusste Einzelfallprüfung. Schematische Fristvorgaben im Sinne einer stets einzuhaltenden, verpflichtenden Sperrzeit sind dabei wenig hilfreich – das kam in der Anhörung auch sehr deutlich zum Ausdruck –; denn sie lassen außer Acht, worum es bei der Karenzzeitregelung im Kern geht, nämlich um das Ergebnis einer angemessenen Abwägung zwischen dem Berufsausübungsinteresse des Einzelnen und dem Interesse der Allgemeinheit an der Integrität des Regierungshandelns. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt deshalb auf eine flexible, ausfüllungsfähige Rahmenregelung und einen transparenten Entscheidungsprozess.

Würden wir politischen Entscheidungsträgern nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt die Rückkehr in den alten Beruf oder die Aufnahme einer neuen Beschäftigung für zu lange Zeit verwehren, so ließen wir außer Acht, dass politische Ämter Aufgabenübertragungen auf Zeit sind – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Genau das tun wir nicht. Die Karenzzeitregelung ist Ausdruck einer klugen und verantwortungsbewussten Abwägungsentscheidung. Wir können sie Ihnen zur Annahme empfehlen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Herzlichen Dank. – Nächste Rednerin ist Halina Wawzyniak, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5350970
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Karenzzeit für Regierungsmitglieder
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine