02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Tagesordnungspunkt 20

Steffen KanitzCDU/CSU - Umgang mit Atommüll

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Zdebel, wenn man Sie so hört, dann stellt man, glaube ich, fest, dass es Ihnen weniger um das Nationale Entsorgungsprogramm und den Entwurf geht, den die Bundesregierung hier vorgelegt hat, sondern vielmehr um eine umfassende Bewertung sämtlicher Diskussionen, die wir im Moment in der Endlagerkommission führen. Ich finde, da gehören sie auch hin; dort sollten wir sie führen. Man kann sie auch jetzt, um 22 Uhr, noch führen, aber ich glaube, das wird der Bedeutung der Thematik nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Bundesregierung ist es mit dem Nationalen Entsorgungsprogramm erstmalig gelungen, eine umfassende Roadmap für die nukleare Entsorgung vorzulegen. Das hat – das muss man auch hier an dieser Stelle noch einmal sagen – weder der Umweltminister Trittin noch der Umweltminister Gabriel geschafft. Diese Bundesregierung hat es hinbekommen. Insofern ein ausdrückliches Lob und Anerkennung dafür. Herzlichen Dank, dass Sie das hinbekommen haben.

Ich kann dieses Lob aber leider nicht uneingeschränkt auch für den Umgang mit Castoren aussprechen. Ich glaube, es ist völlig richtig, dass das BMUB bei der Frage, wie wir mit den ausstehenden Castortransporten umgehen, tätig wird – auch initiativ. Ich bitte nur dringend darum, dass es zu einer Abstimmung mit den Ländern kommt und wir dieses Schwarze-Peter-Spiel beenden.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt nur ein Land, das da Probleme macht! Ein einziges!)

Der Antrag der Linken ist in jeder Hinsicht ein Rückschritt. Sie alle versuchen gemeinsam, diesen sehr wichtigen Punkt der Atommülllagerung auf den Sankt- Nimmerleins-Tag zu verschieben und das Erreichte schlechtzureden. Ich will einmal einige Punkte aus dem Antrag sehr konkret durchgehen.

Erstens. Sie sprechen den Schacht Konrad an und fordern die Beendigung dieses bereits genehmigten Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Sie wissen, dass Schacht Konrad mit erheblichen Konservativitäten geplant wurde. Der Präsident des BfS hat im Umweltausschuss noch einmal sehr deutlich gesagt, dass Schacht Konrad auch unter heutigen Rahmenbedingungen absolut sicher ist und dass er insofern auch daran festhält.

(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Deswegen funktioniert es ja auch nicht!)

Schacht Konrad, Herr Kollege Zdebel, ist die Achillesferse beim Rückbau der Kernkraftwerke. Kommt Schacht Konrad nicht, dann müssen Sie den Bürgern vor Ort sehr konkret erklären, warum die Zwischenlager zu De-facto-Endlagern werden. Mir ist das aber schon relativ klar: Wenn man keinen Bürgermeister in einer der Gemeinden vor Ort stellt, dann juckt einen das offenbar nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie erwecken in Ihrem Antrag den Eindruck, als hätte sich die Abfallmenge schlagartig verdoppelt. Das geisterte auch mehrmals durch die Medien. Ich will das noch einmal ganz klar von uns weisen. Spätestens seit der Lex Asse, spätestens seit April 2013, ist völlig klar, wie groß die Abfallmenge wird. Wir haben damals gemeinschaftlich die Rückholung der Abfälle aus der Asse vereinbart, sodass wir insofern mindestens mit den zusätzlichen 300 000 Kubikmetern umgehen müssen. Um das hier aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion ganz deutlich zu sagen: Wir wollen keine Erweiterung des Schachtes Konrad durch die Hintertür. Ich glaube, es ist völlig richtig, dass wir in der Endlagerkommission darüber sprechen, wie wir mit diesem Müll umgehen. Wir müssen schon darüber diskutieren, ob es richtig ist, diesen Müll in einem Endlager für hochradioaktive Abfallstoffe zu lagern. Aber in jedem Fall brauchen wir ein transparentes und vernünftiges Verfahren, das objektiv und nachprüfbar ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein zweiter Punkt, der immer wieder angesprochen wird, ist der der zeitlichen Abläufe. Da geistern viele Zahlen durch die Gegend, die man ein bisschen geraderücken muss. Wir unterscheiden in der Endlagerkommission zwischen der Such-, der Errichtungs-, der Inbetriebnahme- und auch der Verschlussphase. Das, was wir als aktuelle Politiker in der Endlagerkommission, die dafür verantwortlich sind, beeinflussen können, ist der Zeitpunkt der Inbetriebnahme, den wir im Moment einigermaßen verlässlich auf 2050 quantifizieren können. Alles andere, etwa die Frage, wie lange die Einlagerungsphase dauert, wie lange das Monitoring dauert, wie lange wir über die Offenhaltungs- und Rückholungsoption sprechen, ist eine andere Sache. Es ist nicht Sache dieser Generation, das zu bewerten. Aber ich finde, es ist unsere Verantwortung, das zu tun, was wir im Moment beeinflussen können. Das ist der schnellstmögliche Bau des Endlagers für hochradioaktive Abfallstoffe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte einen dritten Punkt ansprechen, den Sie in Ihrem Antrag haben, Herr Kollege Zdebel. Das ist das Thema Freimessung. Sie nutzen den Begriff in Ihrem Antrag sehr konkret, um damit Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Dieser Begriff ist zugegebenermaßen sehr unglücklich gewählt. Aber ich möchte schon die Gelegenheit nutzen, um mit dem einen oder anderen Mythos aufzuräumen, etwa mit dem Mythos, dass durch Beimischen von Schutt zulässige Messwerte erreicht werden.

Ich zitiere dazu die Strahlenschutzverordnung, in der es sehr klar heißt:

Um es ganz deutlich zu sagen: Oberflächlich kontaminiertes Material wird gereinigt. Die entstehenden Abfälle kommen ins Endlager. Alles andere, beispielsweise bis zu 90 Prozent des werthaltigen Betons, wird recycelt und wiederverwertet. Es entsteht dabei lediglich 3 Prozent strahlender Abfall. Ich finde, man muss aufhören, bei den Menschen vor Ort Stimmung zu machen, um so die Lagerung von Bauschutt in Deponien zu verhindern. Ein Beispiel dafür ist das Kernkraftwerk Stade.

Ich möchte, um das ein bisschen einzuordnen, bei den Freigabewerten auf einen Punkt hinweisen. Der Bauschutt, der auf die Deponien kommt, darf eine maximale Strahlendosis von 10 Mikrosievert per annum haben. Wenn Sie, Herr Kollege Zdebel, zum Shoppen nach New York fliegen,

(Heiterkeit bei der LINKEN – Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Wann mache ich das denn?)

dann sind Sie einer Strahlenbelastung zwischen 32 und 75 Mikrosievert ausgesetzt,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht der nie! Der fliegt höchstens nach Moskau!)

das heißt dem Drei- bis Siebenfachen dessen, was Sie in einem ganzen Jahr an einer Deponie abbekommen dürfen. Wir sollten das also richtig einordnen, um wieder zu einer sachlichen Diskussion zu kommen. Ich finde, wir sollten das positiv sehen: Deutschland hat im Bereich des Rückbaus eine absolute Vorreiterrolle, die wir gemeinsam ausbauen sollten. Wir sollten daher nicht immer nur zurückschauen, sondern vielmehr nach vorne schauen und die positiven Dinge sehen.

Sie haben das Brunsbütteler Urteil angesprochen. Um auch da mit einem Gerücht aufzuräumen: Das Gericht hat keine Sicherheitsdefizite festgestellt, sondern dem Zwischenlager die Betriebsgenehmigung entzogen, weil sicherheitsrelevante Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt werden konnten. Das ist ein signifikanter Unterschied. Um das an dieser Stelle einmal festzuhalten: Das Zwischenlager ist sicher. Das Justizministerium und das Innenministerium arbeiten im Moment an einer Antwort auf die Frage, wie man zukünftig mit solchen Unterlagen umgehen kann. Sehr plastisch beschrieben: Keiner von Ihnen würde den Bauplan des Tresors offenlegen, wenn die Panzerknacker schon vor der Tür stehen.

In einem weiteren Punkt sprechen Sie das Exportverbot an, dem man durchaus viel abgewinnen kann; das will ich überhaupt nicht bestreiten. Aber Sie haben einen ganz wichtigen Punkt vergessen. Sie haben vergessen, dass wir im Bereich der Medizin durchaus darauf angewiesen sind, Kernbrennstoffe von außerhalb zu bekommen.

Ich nenne ein konkretes Beispiel, den FRM II in München. Der Forschungsreaktor FRM II in München produziert mithilfe der Kernenergie Kontrastmittel für die Krebsdiagnostik und die Tumortherapie. Allein in Deutschland sprechen wir von 60 000 Behandlungen pro Woche, 3 Millionen im Jahr. Der Kernbrennstoff für diesen Reaktor kommt aus dem Ausland. Der Grundsatz der Nichtverbreitungspolitik, dem wir uns verpflichtet fühlen, besagt, dass wir in der Lage sein müssen, den Kernbrennstoff an dieser Stelle zurückzuführen. Die Radioisotopen müssen just in time produziert werden. Wir können sie also nicht von irgendwoher aus dem Ausland beziehen. Ab 2018 wird es weltweit nur noch drei Reaktoren geben, die diese Radioisotope herstellen können. Deswegen ist es mein Wunsch und meine dringende Bitte, dass wir, wenn wir über das Thema Exportverbote diskutieren, dafür sorgen, dass wir im Bereich der nuklearen Medizin zum Wohl der Patientinnen und Patienten in Deutschland weiterhin eine Vorreiterrolle haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])

Ich möchte auf einen Punkt hinweisen, der immer wieder diskutiert wird, und zwar die Kosten. Wir sind uneingeschränkt für das Verursacherprinzip. Der Kostenrahmen – das ist der Punkt, der ein bisschen missverständlich ist – wird von uns in der Endlagerkommission ganz maßgeblich determiniert, weil er davon abhängig ist, wie viele Standorte wir oberirdisch und unterirdisch erkunden. Deshalb ist die Frage, ob das, was an Rückstellungen gebildet wurde, reicht, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend zu beurteilen. Die Sicherheit hat für uns absoluten Vorrang. Das ist völlig klar. Das heißt aber nicht, dass wir Wirtschaftlichkeitsaspekte außer Acht lassen können; wir müssen vielmehr den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit wahren.

Wenn wir alle das Interesse haben, dass das Verursacherprinzip durchgesetzt wird, dann müssen wir uns am Ende auch fragen: Was ist verhältnismäßig, um ein Endlager zu finden? Ich glaube, wir müssen eine ganze Menge gemeinschaftlich tun, aber wir dürfen nicht so blauäugig sein, zu glauben, alles würde bezahlt, unabhängig davon, was die Politik entscheidet.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen: die Bürgerbeteiligung. Herr Kollege Zdebel, ich vertrete natürlich andere Wählerinnen und Wähler, als Sie das tun, aber auch die 42 Prozent der CDU- und CSU-Wählerinnen und -Wähler haben einen Anspruch darauf, dass ihre Meinung in Endlagerfragen Berücksichtigung findet, auch wenn sie vielleicht nicht so laut zur Schau gestellt werden wie andere. In Endlagerfragen setzt sich aber nicht derjenige durch, der am lautesten schreit; es geht vielmehr darum, dass wir eine möglichst breite gesellschaftliche Akzeptanz schaffen.

Gorleben wird von Ihnen immer wieder genannt. Das ist völlig klar. Das muss ich sagen: Wer eine objektive und wissenschaftsbasierte Endlagersuche möchte, der muss auch damit leben, dass wir am Ende des Verfahrens der Endlagerkommission einen Kriterienkatalog definiert haben, anhand dessen sich jeder Standort, auch Gorleben, messen lassen muss. Wenn sich dann ergibt, dass der Standort ungeeignet ist, wird er aus dem Verfahren fliegen. Das ist wie besprochen, aber wir werden das nicht im Vorfeld machen.

Zusammengefasst, Herr Kollege Zdebel, bedeutet der Antrag der Linken einen Rückschritt in der Endlagerfrage. Er bedeutet einen Stillstand beim Rückbau, und er bedeutet die Beendigung der medizinischen Nuklearforschung. Insofern werden Sie sich nicht wundern, wenn wir einen solch rückschrittlichen Antrag nicht unterstützen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Sylvia Kotting- Uhl, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5351081
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Umgang mit Atommüll
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