02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Tagesordnungspunkt 20

Hiltrud LotzeSPD - Umgang mit Atommüll

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag greift eine wichtige Frage auf, nämlich die Frage nach dem Umgang mit Atommüll, zieht aber zum Teil falsche Konsequenzen; dazu sage ich später noch etwas.

Erst am vergangenen Samstag wurde das erste Atomkraftwerk nach dem neuen, endgültigen Atomausstieg abgeschaltet. Wie der Zufall es will, liegt es in Bayern. Es ist das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld. Das macht die Frage nach dem Umgang mit dem Atommüll mehr als tagesaktuell.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle wissen, dass wir in dieser so wichtigen Frage sehr viel weiter sein könnten, wenn nicht in der letzten Legislaturperiode von 2009 bis 2013 der Atomausstieg von der Union rückgängig gemacht worden wäre.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist Unsinn!)

Das waren in der Tat verlorene Jahre.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir steigen früher aus als Rot-Grün!)

Umso wichtiger ist, dass wir jetzt konsequent vorangehen und die Fehler der vergangenen Jahrzehnte nicht wiederholen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist die Arbeit der Endlagerkommission – das hat die Kollegin Kotting-Uhl schon gesagt – so grundlegend und entscheidend.

Die Folgen des geradezu fahrlässigen Umgangs mit der Atomkraft sind uns gegenwärtig, zum Beispiel in Form der 26 Castoren, die noch aus dem Ausland zurückkommen. Es kann doch nicht sein – das muss ich an dieser Stelle einfach sagen –, dass sich diejenigen, die jahrzehntelang die Atomkraft befürwortet haben und besonders viel Atomstrom und damit auch Atommüll erzeugt haben, der Verantwortung in dieser Frage verweigern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wie ist das mit Niedersachsen? Die verweigern sich auch!)

– Zu Niedersachsen komme ich gleich noch, was Sie sicherlich nicht verwundern wird.

Das ist unverständlich, zumal wenn dort mit dem Gedanken gespielt wird, weiterhin auf diese Hochrisikotechnologie zu setzen, weil Leitungen oder Windräder das Panorama verschandeln könnten.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das tun sie auch!)

Ich komme aus dem Wahlkreis, in dem Gorleben liegt. Mich hat es – genauso wie die meisten Menschen im Wendland – sprachlos gemacht, als ich gehört und gelesen habe, dass Bayern es strikt ablehnt, die auch mit bayerischem Atommüll befüllten Castoren zurückzunehmen, und das mit der Begründung, man könne das der Bevölkerung nicht zumuten.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ein Unsinn! Völliger Quatsch!)

Das war harter Tobak.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich finde es schade, welche Wertschätzung für die Menschen außerhalb Bayerns damit zum Ausdruck kommt.

Ich lade Sie alle, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der CSU, in das Wendland nach Gorleben ein.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Da war ich schon!)

– Wunderbar! Kommen Sie noch einmal. – Dort stehen in einem oberirdischen Zwischenlager 113 Castoren. Ich vermittle sehr gerne direkt am Zwischenlager einen Austausch mit der Bevölkerung und den örtlichen Kommunalpolitikern. Sagen Sie einfach Bescheid. Dann bereite ich alles Notwendige vor.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich darf Sie bitten, vielleicht auch gleich die Unionsbürgermeister aus Baden-Württemberg mitzubringen, die jetzt in das gleiche Horn stoßen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umweltministerin Hendricks hat absolut richtig entschieden, als sie festgelegt hat, dass auch Bayern einige Castoren übernehmen muss.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dabei muss es auch bleiben!)

– Genau, dabei muss es auch bleiben. – Es handelt sich im Übrigen auch nur um die bescheidene Zahl von sechs bis neun Castoren. Herr Kanitz, die Länder hatten lange genug Zeit, sich freiwillig dazu zu äußern. Das war auch Grundlage der gesetzlichen Entscheidung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern war es richtig, an dieser Stelle jetzt eine klare Regelung zu treffen.

Nach dem Nationalen Entsorgungsprogramm, das im Übrigen fristgerecht vorgelegt worden ist, hat die Bundesregierung einen Plan aufgezeigt, wie sie in Zukunft verfahren wird. Sie hat eine offene und ehrliche Bestandsaufnahme des vorhandenen und noch anfallenden Mülls gemacht, und sie hat gesagt, wie wir vorgehen wollen, und vor allen Dingen, dass wir den Ergebnissen der Endlagerkommission nicht vorgreifen wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich mache jetzt einmal mit Blick auf die Uhr ein bisschen schneller.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie können auch aufhören!)

– Das tue ich nicht, tut mir leid. – Der Antrag der Linken weist noch auf ein anderes Problem hin, auch wenn er da falsche Konsequenzen zieht. Auch das ist eben schon angesprochen worden. Es geht um die Kosten für Rückbau und Endlagerung und um die Frage, wie sicher diese sind. Es ist gut, dass Minister Gabriel in dieser Sache die Initiative ergriffen hat. Sie alle wissen: Es gibt eine Studie, die auf Schwachpunkte hingewiesen hat. Dazu hat es in der letzten Nacht eine Verständigung in der Koalition gegeben. Die Verantwortung bleibt bei den Unternehmen, die den Atomstrom produzieren. Es wird keine Verkleinerung des Haftungsvermögens erfolgen. Es gibt Stresstests für die Unternehmen, mit denen die Sicherheit der Rückstellungen geprüft wird. In einer Kommission soll die Frage geklärt werden, auf welchem Weg die Absicherung der finanziellen Verantwortung für Rückbau, Stilllegung und Endlagerung am besten erfolgen kann. Für die SPD sage ich hier noch einmal ganz deutlich: Wir werden keine Lösung akzeptieren, die da lautet: Gewinne privatisieren, Verluste – in diesem Fall Folgekosten – sozialisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann man einfach den Empfehlungen des Gutachtens folgen!)

– Ja.

Was den vorliegenden Antrag angeht, so können wir diesen nicht unterstützen, unter anderem deswegen – darauf hat Frau Kotting-Uhl schon hingewiesen –, weil diesem mindestens ein grundsätzlicher Denkfehler zugrunde liegt. Sie fordern nämlich, dass der Auftrag der Endlagerkommission dem Nationalen Entsorgungsprogramm angepasst werden muss. Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus; denn es besteht beim NaPro ein Revisionsvorbehalt. Das Nationale Aktionsprogramm zur Entsorgung des Atommülls steht völlig zu Recht unter Vorbehalt der Ergebnisse der Endlagerkommission; denn es sollen nicht schon wieder Fakten geschaffen werden, bevor es einen breiten Diskurs gegeben hat.

Unser Fazit: Der Antrag enthält einige richtige Ansätze. Die Konsequenzen, die daraus gezogen werden, sind jedoch zum großen Teil falsch.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5351143
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Umgang mit Atommüll
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