Omid NouripourDIE GRÜNEN - Jemen-Konferenz in Genf
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jemen war schon immer ein armes Land; es ist das ärmste Land der Arabischen Liga. Dennoch gab es im Jemen immer Hoffnung. Es ist gerade vier Jahre her, dass Hunderttausende von Menschen friedlich auf die Straße gegangen sind und sich Scharfschützen entgegengestellt haben – in der Hoffnung auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden.
Was ist heute? Just am heutigen Tag hat die UN festgestellt, dass Jemen in die höchste Notstandskategorie gehört. Damit ist Jemen in derselben Kategorie wie Irak und Syrien.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Südsudan! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Südsudan!)
Hunger herrscht vor, Krankheiten grassieren. Fast 1,5 Millionen Menschen im Land sind Vertriebene. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Es gibt eine Flüchtlingswelle aus dem Jemen nach Somalia, weil Somalia für die Menschen sicherer als der Jemen selbst geworden ist. In Dschibuti gibt es einen Aufnahmestopp für jemenitische Flüchtlinge. Fabriken werden zerstört. Es gibt keine einzige Molkerei mehr in dem Land. Es gibt keine Zementfabrik mehr. Es gibt nicht einmal mehr ein Fußballstadion. Es gibt viele Berichte über gezielte Bombardements von Tankstellen und Kinderspielplätzen. Heute ist der 99. Tag des Massenbombardements der Koalition um Saudi-Arabien in diesem Land. Hierdurch werden NGO-Büros getroffen. Hierdurch werden Flüchtlingslager der Vereinten Nationen getroffen. Hierdurch wird Weltkulturerbe zerstört.
Worum geht es denn? Eigentlich geht es um eine innenpolitische Auseinandersetzung. Eigentlich geht es um Ressourcenverteilung. Eigentlich geht es um Machtverteilung. Eigentlich geht es darum, dass in den letzten zehn Jahren sechsmal Massaker an den Huthis verübt worden sind. Eigentlich geht es darum, dass die Huthis sehr große Angst bekommen haben, weil die sunnitische Militanz immer stärker geworden ist. Es war nicht legitim von den Huthis, einen gewählten Präsidenten abzusetzen. Es ist kontraproduktiv, wie sich der Iran in den Konflikt einmischt. Es ist zerstörerisch, wie der ehemalige Präsident und Diktator Salih die Huthis unterstützt. Nichts davon rechtfertigt, dass Saudi-Arabien den Jemen zurzeit – seit 99 Tagen – in die Steinzeit bombt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wer sich wundert, dass die Genfer Gespräche und Verhandlungen gescheitert sind, muss sich auch einmal vergegenwärtigen, dass Saudi-Arabien nicht einmal bereit war, während dieser Verhandlungen von vier oder fünf Tagen nicht zu bomben. Unter Bomben kann man nicht über Frieden verhandeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Was ist aber mit Deutschland? Die Position der Bundesregierung kam vor 97 Tagen in einem lapidar geäußerten Statement des Herrn Außenministers zum Ausdruck, er habe „Verständnis für das Vorgehen Saudi- Arabiens“. Dann kam zwei Monate nichts, ein eiskaltes Schweigen, eine dröhnende Stille dieser Bundesregierung, die einfach nicht bereit war, sich zu äußern. Wochenlang war der UN-Generalsekretär ohne Hilfe Deutschlands mit seiner Forderung nach einem Waffenstillstand. Das ist schlicht skandalös.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
So verhält sich ausgerechnet Deutschland, ein Land, das im Jemen eine Vermittlungsrolle spielen kann, ein Land, das dort jahrelang, jahrzehntelang Entwicklungszusammenarbeit geleistet hat. Man muss sich einmal vorstellen: Unsere Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben jahrzehntelang für den Wiederaufbau eines Landes mitbezahlt, das gerade von Saudi-Arabien zerstört wird, und die Antwort der Bundesregierung ist monatelang: Wir haben nun einmal Verständnis dafür. – Das ist schlicht nicht hinnehmbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist auch nicht hinnehmbar, dass die Saudis zurzeit Tag für Tag Boxen nehmen, lizenzierte deutsche G3- Waffen hineinstecken und diese Boxen über Gebieten abwerfen, die von al-Qaida regiert werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung nicht einmal kommentiert, dass es jetzt Berichte darüber gibt, dass aus Deutschland immer noch Bauteile für Bomben hingebracht werden.
Meine Damen und Herren, wir haben es im Falle Ägyptens erlebt. Vier Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings hat die Bundesregierung beschlossen: Im Nahen Osten geht es nur noch um Stabilität. – Stabilität ist in diesem Fall nur noch Friedhofsruhe. Wir reden über eine Grabesruhe für den früh verstorbenen Aufbruch der Bundesregierung in eine neue Rolle Deutschlands in der Welt. Das, was im Jemen passiert, ist mehr als nur ein Skandal; es ist ein massives Verbrechen, und es tut sich niemand einen Gefallen, dabei zu schweigen, wie es die Bundesregierung monatelang gemacht hat. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland, dass die Europäer endlich die Stimme erheben und nicht die ganze Zeit so tun, als wäre Saudi-Arabien ein – Zitat – Stabilitätsanker. Es gibt im Sand keinen Anker, der hält.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Thorsten Frei, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5351162 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Jemen-Konferenz in Genf |