02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Tagesordnungspunkt 14

Thorsten FreiCDU/CSU - Jemen-Konferenz in Genf

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns in diesem Haus und glücklicherweise auch in der internationalen Staatengemeinschaft darüber einig, dass im Jemen ein Konflikt auf dem Rücken einer gebeutelten Bevölkerung ausgetragen wird. Es ist in der Tat ein Konflikt, bei dem auf der einen Seite der ehemalige Präsident Salih, der zurück in dieses Amt strebt, sowie große Teile der Militärtruppen und -verbände und die Huthi-Rebellen stehen, und auf der anderen Seite der ins Exil geflohene Präsident Hadi und verbliebene Regierungstruppen.

Das, was in diesem kleinen Land im Süden der Arabischen Halbinsel angerichtet wird, ist eine unglaubliche humanitäre Katastrophe.

(Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Etwa vier Fünftel der Bevölkerung sind auf unmittelbare Nothilfe angewiesen. 10 Prozent der Bevölkerung haben Mangelernährung. Viele Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sicheren und sauberen Trinkwasserquellen. Kindersoldaten werden eingesetzt. Die Zahlen sind schockierend: 3 000 Tote, 13 000 Verletzte, 1 Million Binnenflüchtlinge. Es ist eine humanitäre Katastrophe, und es ist klar, dass wir uns in dieser Angelegenheit schon allein wegen dieser humanitären Katastrophe rühren müssen.

Aber es gibt darüber hinaus auch noch ein eigenes Interesse, weil nämlich die Flüchtlingsströme – es ist geschildert worden; die Menschen fliehen gar nach Somalia – mittelfristig auch nach Europa kommen werden. Wenn es darum geht, Fluchtursachen zu bekämpfen, dann ist der Jemen ein klassisches Beispiel dafür, dass wir uns engagieren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sehen, wie im Jemen Staatlichkeit und Stabilität verloren gehen. Dann entsteht ein Machtvakuum, in dem internationaler Terrorismus gedeihen kann, und das tut er dort. Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel beispielsweise hat bereits zwei Provinzen unter seiner Kontrolle. Der „Islamische Staat“ versucht, einen Keil zwischen den schiitischen und den sunnitischen Bevölkerungsteil zu treiben, das auszunutzen, das zu schüren und damit seine eigene Agenda zu verfolgen.

Vor diesem Hintergrund könnte man wirklich den Eindruck haben, dass dieses Knäuel aus verwirrten und verwirrenden Beziehungen kaum aufzulösen ist. Trotzdem glaube ich, lieber Herr Nouripour, dass es durchaus Ansätze gibt, an denen man sehen kann, dass es möglich sein kann, diesen Konflikt zu lösen.

Zum einen ist das die Tatsache, dass es in der Tat kein Religionskonflikt zwischen Sunniten und Schiiten ist. Es ist eigentlich auch kein Stellvertreterkrieg der Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran. Es besteht bei beiden die Gefahr, dass es sich dazu entwickelt.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Saudis sind doch da mit drin!)

Aber es sind vor allen Dingen Machtspiele im Land, und es geht vor allen Dingen um ökonomische Frustration und Benachteiligung von Minderheiten und Bevölkerungsgruppen. Es ist also vor allen Dingen ein jemenitisches Problem, das man tatsächlich im Land lösen kann. Das gibt letztlich Hoffnung.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt gar kein Land mehr!)

Auch wenn die Gespräche in Genf ergebnislos abgebrochen worden sind, spürt man, glaube ich, im Land und in der Region, dass es ein Bewusstsein dafür gibt, dass diese Gespräche wieder aufgenommen werden müssen, weil letztlich jede Seite zu schwach ist, ihre eigene Politik, ihr Blatt zum Guten zu wenden. Das gilt für die Huthi-Rebellen, die ein überdehntes Gebiet haben, die von IS angegriffen werden und nicht in der Lage sind, die Bevölkerung zu versorgen. Allein mit den Luftschlägen der Saudis wird Präsident Hadi auch nicht in den Jemen zurückkehren können. Vor diesem Hintergrund muss es ein allgemeines Interesse geben, zu einer Lösung zu kommen. Es ist ja tatsächlich so, dass die Huthis beispielsweise der Einsetzung der Übergangsregierung unter Hadi zugestimmt haben. Und auch die Nachbarschaft kann helfen; ich denke etwa an den Golfkooperationsrat, an die Aktionen der Nachbarn, an das Engagement des Oman, mit denen derzeit wieder Gespräche stattfinden.

Es gibt ein Interesse in der Region für Stabilität und Sicherheit, weil klar ist, dass das Ganze nicht auf den Jemen begrenzt bleiben würde. Vor diesem Hintergrund bin ich optimistisch, dass es gelingt, die UN-Resolution 2216 zu implementieren. Wenn es gelingt, einen Waffenstillstand unter UN-Aufsicht zu erreichen, wenn es gelingt, dass sich die Huthis aus den größeren Städten des Jemen zurückziehen, Hadi in den Jemen zurückgehen kann

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Saudis aufhören, zu bomben! Sagen Sie doch einen einzigen Satz zu den Saudis, einen!)

– auch das –, dann gibt es die Chance, dass man den nationalen Dialog, der im Januar 2014 zu Ende gegangen ist, wieder aufnehmen kann mit seinen über 2 000 Empfehlungen und vor allen Dingen auch mit dem Verfassungsentwurf, den es dann zu implementieren gilt.

Ich möchte einen letzten Satz dazu sagen, dass wir es im Jemen tatsächlich mit einem gescheiterten Staat zu tun haben. Von daher geht es darum, Vertrauen zurückzugewinnen, eine Regierung der nationalen Einheit zu schaffen und vor allen Dingen mitzuhelfen, dort wieder staatliche Strukturen aufzubauen. Auch das wäre eine Möglichkeit für die Europäische Union, ähnlich wie in Somalia und anderen nordafrikanischen Ländern im Rahmen eines Capacity Building und einer Trainingsmission mitzuhelfen, staatliche Strukturen aufzubauen und damit das Land in eine bessere Zukunft zu begleiten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Christine Buchholz, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5351163
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Jemen-Konferenz in Genf
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