02.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 115 / Tagesordnungspunkt 14

Elisabeth MotschmannCDU/CSU - Jemen-Konferenz in Genf

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Militärische Intervention stoppen“, das ist die erste Forderung im Antrag der Grünen. Natürlich, Herr Nouripour, muss es das Ziel sein, diese Intervention zu stoppen. Niemand kann wollen, dass dort dauerhaft Krieg herrscht oder dass dort gebombt wird, von wem auch immer. Täglich sterben im Jemen Soldaten, Zivilisten und Kinder. Das muss aufhören.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Huthi-Rebellen kämpfen gegen die staatlichen jemenitischen Strukturen und haben diese weitgehend lahmgelegt und zerstört. Al-Qaida-Terroristen kämpfen mal gegen den Staat, mal gegen die Huthis. Zu allem Überfluss sind nun auch noch IS-Terroristen im Land und an den Kämpfen beteiligt. Präsident Hadi ist von Sanaa nach Aden und später nach Saudi-Arabien geflüchtet; das ist ja hier erwähnt worden. Eine Regierung besteht de facto nicht. Es besteht eine große Unsicherheit im Land, eine humanitäre Katastrophe; das haben Sie ja richtig beschrieben. Auch in dieser völlig verfahrenen, desolaten Situation müssen erneut Friedensverhandlungen beginnen. Da sind wir ganz bei Ihnen; niemand wird das ernsthaft bestreiten.

Es stellt sich aber die Frage: Wer soll denn hier eigentlich mit wem verhandeln? Wer erkennt denn den jeweils anderen als Verhandlungspartner an? Das ist die erste Schwierigkeit. Bei den Friedensverhandlungen in Genf war es so, dass der UN-Sonderbeauftragte mehr Zeit mit dem Pendeln zwischen den Hotels verbracht hat als in den Sitzungen selber. So einfach ist das also nicht. Trotzdem müssen diese Verhandlungen möglichst schnell – da würde ich Sie voll unterstützen – wiederaufgenommen werden, um eine politische Lösung, wenn es sie denn gibt – wir hoffen das alle; das ist doch klar –, überhaupt zu ermöglichen.

Ich denke, wir sind uns auch alle einig, dass wir nicht tatenlos zusehen können, wie ein Anschlag nach dem anderen das Land im Chaos versinken lässt. Allein in den letzten Tagen gab es wieder zahlreiche Tote. 17. Juni: 30 Tote, 20. Juni: 3 Tote, 30. Juni: 28 Tote.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Und was machen wir? Wir liefern Waffen!)

Darüber hinaus war der Jemen auch Ausgangspunkt für die feigen Attentäter, die im Januar in Paris die Redaktion von Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt angegriffen haben und dabei 17 unschuldige Menschen töteten.

Der Jemen steht also vor einem totalen Zerfall und wird in seinem jetzigen Zustand natürlich auch zur leichten Beute des sogenannten „Islamischen Staats“ sowie von al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel. Das muss man einfach sehen.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!)

Wir müssen davon ausgehen, dass die Aggressionen der Huthis – Sie haben es auch gesagt – zusätzlich aus dem Iran befeuert, unterstützt und gegebenenfalls sogar gesteuert werden. Saudi-Arabien spielt in der Arabischen Liga und im Golfkooperationsrat eine entscheidende Rolle. Das kann niemand bestreiten. Trotz aller Kritik, die wir alle an diesem Staat haben, brauchen wir sicher die Saudis. Hier denke ich allein an die mittelalterliche Rechtsordnung, die dort herrscht. Sie alle haben noch die tausend Stockschläge für Raif Badawi in Erinnerung und wissen, dass wir es mit einem Staat zu tun haben, der mit unseren demokratischen Maßstäben überhaupt nicht zu messen ist; es gibt auch nichts zu beschönigen. Trotzdem werden wir ohne Saudi-Arabien Sicherheit und Stabilität in der Region schwer herstellen können.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Unsinn!)

Auch das ist die Wahrheit. An dieser Stelle berühren wir ein grundsätzliches Problem der Ethik. Es gibt Konflikte, in denen man sich auf keine Seite stellen möchte.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das macht die Bundesregierung eben nicht!)

Genau das ist hier der Fall. Wir stellen uns auf die Seite der Menschen, die in dem Land leben –

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Sie stellen sich auf die Seite der Saudis!)

– nein, ich stelle mich gar nicht auf irgendeine Seite –

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nicht, aber die Bundesregierung!)

– hören Sie einmal gut zu –, und müssen trotzdem in der Abwägung dann das kleinere Übel wählen; denn ohne Saudis wird es keine Lösung des Konfliktes geben. – Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin.

Entscheidend wird sein, Angriffe auf das Militär und die terroristischen Anschläge auf die Zivilbevölkerung zu beenden. Darin sind wir uns einig.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht die Saudis!)

Dass dies ohne eine militärische Intervention gelingen kann, muss zum jetzigen Zeitpunkt mindestens bezweifelt werden. Das wird sehr schwer, auch wenn das von jedem gewünscht wird. Ich wünschte auch, wir könnten das mit gutem Zureden oder allein mit Verhandlungen schaffen. Befriedete Zonen sind unerlässliche Voraussetzungen zu humanitärer Hilfe.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird es nicht! Es werden Waffen geliefert!)

Das ist das Nächste, was wir tun müssen: humanitäre Hilfe, die dringend erforderlich ist. Hier müssen wir Saudi-Arabien auch fordern. Sie müssen natürlich auch Flüchtlinge aufnehmen.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen erst einmal aufhören, zu bombardieren!)

– Sie müssen humanitär helfen, das wäre besser als bombardieren. Da bin ich ganz bei Ihnen.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Bei diesem Vorhaben dürfen wir keine Zeit vergeuden. Auch das ist richtig. Die menschliche Katastrophe ist in vollem Gange. Sie haben es gesagt: Vier Fünftel der Bevölkerung, so die Vereinten Nationen, sind auf Hilfe angewiesen, unter ihnen etwa 1,8 Millionen Kinder, was uns zutiefst bedrücken muss.

(Lachen des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

– Was lachen Sie eigentlich? Es gibt hier nichts zu lachen.

Frau Kollegin Motschmann.

Die Rede ist zu Ende, Frau Präsidentin.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Doch welche Konsequenzen ziehen Sie mit Ihrer Politik daraus?)

– Ich rede mich hier gar nicht raus. Ich sage nur, wie die Lage ist und wie schwer es ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Welche Konsequenzen ziehen Sie mit Ihrer Politik daraus?)

– Das habe ich Ihnen doch gesagt, aber Sie müssen einmal zuhören. Für Sie gibt es nur eine einfache Lösung. Die gibt es hier aber nicht, gerade hier nicht. Die Lage ist so verworren, und Sie meinen, man könnte mit gutem Zureden oder mit Hände-in-den-Schoß-Legen den Jemen befrieden. So einfach ist das nicht. Deshalb sind wir, die Bundesrepublik Deutschland, verpflichtet, uns hier nach bestem Wissen und Gewissen einzubringen. Aber dass es so einfach wäre, wie es sich manche wünschen – ich übrigens auch, Herr Nouripour –, ist nicht der Fall.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5351168
Wahlperiode 18
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Jemen-Konferenz in Genf
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