Katja MastSPD - Rentenversicherungsrecht
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Der Unterschied zwischen einer Koalitionsarbeitsgruppe und Oppositionsanträgen ist, dass das, was wir in einer Koalitionsarbeitsgruppe besprechen und beschließen, Realität wird, während Oppositionsanträge nicht umgesetzt werden. Das ist der wichtigste Unterschied an dieser Stelle.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selbst nicht! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann?)
Deshalb können wir es uns auch nicht so leicht machen wie die Grünen und nur Überschriften aufschreiben, ohne zu überlegen, welche Finanztableaus dahinterstehen, sondern beschäftigen wir uns in unserer Arbeitsgruppe sehr ernsthaft damit, wie wir flexible Übergänge in Rente ermöglichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie?)
Aber bevor ich dazu komme, ist mir wichtig, noch einmal zu betonen: Menschen, die über das Renteneintrittsalter hinaus keine Rente beziehen und weiterarbeiten, bekommen pro Monat ein halbes Prozent mehr Rente, das heißt am Ende des Jahres 6 Prozent. Weil sich das Einkommen auch noch rentensteigernd auswirkt, sind es am Ende des Jahres 8 bis 10 Prozent mehr Rente pro Jahr der Weiterbeschäftigung.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt!)
Das ist sehr attraktiv. Allerdings wissen viele Bürgerinnen und Bürger das nicht. Deshalb kann es heute an diesem Rednerpult gar nicht oft genug gesagt werden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat die Kollegin recht!)
Die Koalition hat zum Thema „Flexible Übergänge in Rente“ auch schon gehandelt; der Kollege Weiß hat es vorhin gesagt.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann die Arbeitsgruppe ihre Arbeit ja einstellen!)
Wir haben § 41 SGB VI verändert und Unsicherheiten bei der Weiterbeschäftigung Älterer beseitigt und flexibles Weiterarbeiten ermöglicht, indem das Renteneintrittsalter durch eine gemeinsame Vereinbarung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nach hinten verschoben werden kann. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil es da sehr viel Rechtsunsicherheit gab. Im Übrigen steht in keinem Gesetz, dass man mit 65, 66 oder 67 Jahren aufhören muss.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)
Das ist in der Regel in Arbeits- oder Tarifverträgen geregelt. Deshalb war es so wichtig, das an dieser Stelle noch einmal klarzustellen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich finde, dass das Institut der deutschen Wirtschaft – zugegebenermaßen kein Institut, das in Arbeitnehmerfragen immer an vorderster Front ist – kürzlich in seiner Studie „Fachkräfte 65 plus – Erwerbstätigkeit im Rentenalter“ sehr erhellende Erkenntnisse für unsere Debatte in der Koalition publiziert hat, nämlich dass das Weiterarbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus de facto nur für zwei Gruppen infrage kommt. Die meisten derjenigen, die weiterarbeiten, nämlich über ein Viertel, sind sehr hoch qualifizierte und sehr gut verdienende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)
Meist liegt es daran, dass sie eine individuelle Sinnhaftigkeit in ihrem Job sehen; in der Regel sind sie im Alter von 55 oder 66 Jahren aber auch in einem relativ guten Gesundheitszustand. Für diese Zielgruppe ist die Frage: „Bekomme ich 1,5 Prozent, 2 Prozent oder 3 Prozent mehr?“ am Ende des Tages in der Regel nicht von Relevanz, diese Menschen arbeiten aus ganz anderen Gründen weiter. Die andere Gruppe, eine viel kleinere, sind diejenigen, die Renten deutlich unter 1 100 Euro bekommen, die de facto arbeiten müssen, weil sie sonst mit ihrer Rente nicht klarkommen. – Das sind die zwei großen Gruppen. In der Mittelschicht gibt es kaum Beschäftigung über das Rentenalter hinaus.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber ein bisschen zu einfach!)
Wir haben uns in der Koalition – ich will doch noch auf den Einsetzungsbeschluss für unsere Koalitionsarbeitsgruppe eingehen, weil das bisher nicht gemacht worden ist –
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz wichtig! Einsetzungsbeschluss zu einer Koalitionsarbeitsgruppe!)
drei Ziele vorgenommen: Wir haben flexibleres Arbeiten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart. Wir haben attraktives Weiterarbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart. Wir haben vereinbart, uns über das Thema Zwangsverrentung auszutauschen. – Alle drei Punkte sind Bestandteil des Auftrags unserer Arbeitsgruppe und werden von uns sehr ernsthaft und konsequent verfolgt.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Jahre wollen Sie noch daran arbeiten? – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur drei Punkte, und nach einem Jahr kommt immer noch nichts raus!)
Weil uns von der SPD die Frage „Wie schaffen wir es, dass Menschen gesund und fit und mit guter Arbeit bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können?“ am meisten beschäftigt und wir wissen, dass wir in der Arbeitswelt viel verbessern müssen, will ich einige unserer Leitfragen für diese Arbeitsgruppe noch einmal reflektieren:
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es denn mal mit Antworten statt Fragen?)
Sind alle Menschen, die in Erwerbsminderungsrente sind, zu Recht darin, und müssen sie darin bleiben? Hätte man nicht durch klügeres, früheres Agieren, durch Prävention bei Gesundheit und Qualifizierung viel mehr erreichen können?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt auch Menschen, die für die Erwerbsminderungsrente zu gesund sind, aber zu krank, um Vollzeit weiterzuarbeiten. Ich rede über Bauarbeiter, Pflegekräfte, Krankenschwestern. Diese verlieren häufig im Alter von 55 Jahren ihren Job und bekommen dann 24 Monate lang Arbeitslosengeld. Ist es klug, die Arbeitslosigkeit zu finanzieren, oder finden wir nicht Modelle, die da ansetzen und die Arbeit von Menschen finanzieren, vielleicht auch Teilzeit?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen!)
Ist es richtig, mit der Teilrente so spät anzufangen? Muss sie nicht früher beginnen, muss sie nicht flexibler sein? Muss man nicht besser und klarer hinzuverdienen können? Ist es richtig, dass derjenige, der früher in Rente geht, nur 450 Euro pro Monat hinzuverdienen kann? Wäre es nicht besser, ein bisschen mehr hinzuverdienen zu können? Last but not least: Reha und Prävention zu stärken, ist ein gemeinsames Anliegen. Wir reden immer von „Reha vor Rente“. Brauchen wir in der Politik nicht einen neuen Grundsatz, der lautet: Prävention vor Reha?
(Beifall bei der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur Fragen stellen! Sie sind in der Regierung! Einfach mal was tun!)
Wir wissen, dass das, was wir aufschreiben, für alle Gültigkeit entfaltet. Gut Ding will Weile haben. Wir brauchen nicht nur Überschriften, wie im Antrag der Grünen, ohne ein Finanzierungstableau. Sie werden unsere Ergebnisse noch in diesem Jahr kennenlernen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Matthäus Strebl.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
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Electoral Period | 18 |
Session | 116 |
Agenda Item | Rentenversicherungsrecht |