Ralf KapschackSPD - Rentenversicherungsrecht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich möchte mich erst einmal bedanken für die bisher sehr konstruktive Debatte. Ich glaube, sie ist auch angemessen, wenn man sich überlegt, dass jeder Zweite über 55 gerne schrittweise in die Rente gehen will und nicht abrupt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei den Frauen liegt dieser Anteil noch höher. Voll durcharbeiten bis 67 wird für die meisten oder für viele jedenfalls kaum möglich sein. Der Bedarf an flexiblen Übergängen ist extrem hoch.
Deshalb ist es gut, dass wir heute darüber reden und dass die Koalition eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat, die Vorschläge vorlegen soll. Wir haben es gehört: Bauarbeiter scheiden im Schnitt mit 58 aus dem Arbeitsleben aus, Beschäftigte im Gesundheitswesen mit 61. Deshalb brauchen wir bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für gleitende und abgesicherte Übergänge von der Arbeit in die Rente. Eine, ich sage mal, kreative und unkomplizierte Kombination von Teilzeitbeschäftigung und Teilrente ab 60 kann dabei aus unserer Sicht ein wichtiger Baustein sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus unserer auch!)
Seit 1992 gibt es die Möglichkeit der Teilrente. Das Problem ist: Kaum jemand weiß davon, und noch weniger nehmen sie in Anspruch. Nur rund 1 000 Beschäftigte pro Jahr nutzen diese Chance, um ihre Arbeitszeit zu reduzieren und über eine echte Altersteilzeit aus dem Berufsleben auszusteigen.
Das derzeitige Modell ist viel zu starr und vor allem viel zu kompliziert. Zumindest darin sind wir uns einig. Wir brauchen mehr Flexibilität bei den Stufen der Teilrente und andere Hinzuverdienstgrenzen; denn die Teilrente wird nur dann attraktiv, wenn sie nicht zu gravierenden Einkommensverlusten führt.
(Beifall bei der SPD)
Ein ganz entscheidender Punkt ist: Wir müssen über die bestehenden Einschränkungen beim Recht auf Teilzeitarbeit sprechen; denn der Rechtsanspruch steht viel zu oft nur auf dem Papier. Dass sich echte Altersteilzeit noch nicht durchgesetzt hat, liegt aber sicher auch daran, dass die Arbeitsplätze oft für nicht teilbar gehalten werden und dass eine Teilzeitbeschäftigung in den Betrieben oft unbeliebt ist. Angesichts des immer wieder beschworenen Fachkräftemangels ist es aber auch im Interesse der Unternehmen, diese Vorbehalte aufzuknacken. Es ist relativ simpel: Wenn ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Belastung reduzieren und im Betrieb bleiben, dann bleiben auch Erfahrungen und Kompetenzen im Betrieb.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Eine Teilrente ab 60 würde aus unserer Sicht anders, als oft behauptet wird – auch heute ist das wieder behauptet worden –, keine Frühverrentungswelle auslösen. Im Gegenteil: Diese Teilrente würde vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überhaupt erst die Möglichkeit geben, das gesetzliche Renteneintrittsalter zu erreichen, und genau das wollen wir.
(Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die CDU offensichtlich nicht!)
Den größten Handlungsbedarf sehen wir aktuell allerdings bei Beschäftigten mit gesundheitlichen Einschränkungen; das ist in der Debatte vielfach schon angesprochen worden. Sie sind oft zu krank, um in Vollzeit bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten, und sie sind oft zu gesund, um Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu haben.
Wir haben hier eine Idee, das Arbeitssicherungsgeld, mit der wir Vorschläge der IG BAU aufgreifen. Wie der Name schon sagt, soll die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten gesichert werden. Es ist keine Rente im eigentlichen Sinne. Mit dem Arbeitssicherungsgeld sollen für bestimmte, besonders belastete Berufsgruppen Anreize gesetzt werden, in Teilzeit weiterzuarbeiten, statt ganz aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und in der Arbeitslosigkeit zu landen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch hier gilt unser Ziel, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Das Arbeitssicherungsgeld kommt für Beschäftigte ab 61 infrage, die im bisherigen Beruf nicht mehr Vollzeit arbeiten können und für die sich keine andere Vollzeitbeschäftigung findet. Das Arbeitssicherungsgeld gleicht maximal für zwei Jahre die Differenz zwischen dem vorigen Nettoentgelt und dem Nettoentgelt der Teilzeitbeschäftigung teilweise aus. Durch das Arbeitssicherungsgeld stehen gesundheitlich eingeschränkte Beschäftigte finanziell besser da, als wenn sie arbeitslos würden, und die Arbeitslosenversicherung würde durch die Teilzeittätigkeit weniger in Anspruch genommen werden als bei der drohenden Arbeitslosigkeit.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt die CDU dazu?)
Unsere Idee ist, das Arbeitssicherungsgeld als Versicherungsleistung im SGB III zu verankern.
(Beifall bei der SPD)
Die Bundesagentur für Arbeit wäre für die Umsetzung zuständig, die Finanzierung würde über Beitragsmittel sichergestellt.
Ganz offen zugegeben: Es gibt noch eine Reihe von Details zu klären. Wir denken aber, das ist ein Vorschlag, über den man intensiv diskutieren kann, und das würden wir gerne tun.
Die Bundeskanzlerin hat gestern gesagt, sie sei zuversichtlich, dass die Koalitionsarbeitsgruppe noch „zu Potte“ kommt. Ich hoffe das sehr.
(Beifall bei der SPD)
Das wäre gut für ältere Beschäftigte, das wäre gut für die Unternehmen, das wäre gut für die Renten- und die Arbeitslosenversicherung, und das wäre auch gut für die öffentlichen Haushalte.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5355127 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 116 |
Tagesordnungspunkt | Rentenversicherungsrecht |