03.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 116 / Tagesordnungspunkt 33

Cemile GiousoufCDU/CSU - Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Brüssel können dieser Tage auch gute Nachrichten kommen. Am 10. Juni, also an dem Tag, als der vorliegende Bericht vom Bundeskabinett beschlossen wurde, hat der Brüsseler Thinktank Migration Policy Group eine Studie vorgestellt, in der die Integrationspolitik von 38 Ländern verglichen wurde. Nach dieser Studie ist Deutschland in die Top Ten der besten Integrationsländer aufgestiegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mehr noch: Deutschland wird inzwischen von anderen Ländern in der Integrationspolitik als Vorbild gesehen.

Besonders gut gefiel den internationalen Forschern, dass Einwanderer in Deutschland leicht Zugang zum Arbeitsmarkt finden.

(René Röspel [SPD]: Das hat auch lange genug gedauert!)

Demnach haben 78 Prozent von ihnen Arbeit. Nur in wenigen Ländern ist die Beschäftigungsquote höher.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Vor allem aber wird unser Anerkennungsgesetz gelobt. Dieses Gesetz habe seit 2012 die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse deutlich erleichtert. Hier sei Deutschland europaweit führend. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für die Politik des BMBF eine glatte Eins!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der eingebrachte Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Anerkennungsgesetzes, den wir diskutieren, dient dazu, Vorgaben der novellierten EU-Richtlinie zur Berufsanerkennung in deutsches Recht umzusetzen. Durch die vorgesehenen Änderungen werden ein einfacherer Zugang zur Anerkennung und raschere Verfahren ermöglicht, wodurch die Hürden für den Wechsel in einen anderen EU-Mitgliedstaat sinken. Dies betrifft einerseits die Einführung der Option einer elektronischen Übermittlung von Unterlagen innerhalb der EU, und andererseits gibt es nunmehr einen einheitlichen Ansprechpartner, der das Anerkennungsverfahren betreut.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quod erat demonstrandum!)

Lieber Herr Kollege Karamba Diaby, Sie haben eben in Ihrer Rede Punkte angesprochen, die wir in der Berichterstatterrunde eigentlich schon abgestimmt hatten. Deswegen wundert es mich, dass Sie diese Punkte hier noch einmal aufwerfen.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Für die Zunkunft! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gründet mal wieder eine Arbeitsgruppe!)

Aber ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass wir es einerseits geschafft haben, ein historisches Gesetz, das hochkomplex und hochkompliziert ist, auf den Weg zu bringen,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vereinfachen Sie es!)

und dass wir andererseits natürlich Dinge noch verbessern können. Aber man muss natürlich gut unterscheiden, wer die Dinge verbessern kann. Und da möchte ich auf Punkte eingehen, die bereits Staatssekretär Müller angesprochen hat.

Erstens. Eine große Herausforderung liegt natürlich in der Vereinheitlichung des Gesetzesvollzugs durch die Länder. Mittlerweile – das ist erfreulich – gibt es in jedem Bundesland ein Anerkennungsgesetz. Allerdings liegt die Umsetzung auch der Bundesregelungen in Länderzuständigkeit. Es gilt, diese weiter zu vereinheitlichen, beispielsweise durch die dringend benötigte zentrale Gutachtenstelle für die Gesundheitsberufe. Wir sind sehr froh, dass sich die Länder endlich bewegen konnten, diese bei der KMK einzurichten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn es kann nicht sein, dass ein ausgebildeter Mediziner für jedes einzelne Bundesland gesonderte Anträge stellen muss, die alle unterschiedlich beschieden werden können. So ist jedenfalls die derzeitige Rechtslage.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wieder die Länder schuld! Immer, wenn ihr nicht weiterwisst, sind die Länder schuld! – Gegenruf des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie hat doch recht!)

Die Gutachtenstelle muss selbstverständlich auch zentrale Antragstelle für ganz Deutschland sein.

Das gilt auch für den Bereich Pflege. Hier stehen wir einerseits vor einem gravierenden Fachkräftemangel. Im Jahr 2030 werden uns wahrscheinlich 466 000 Pflegekräfte fehlen. Dabei sind die Altenpflegeeinrichtungen nicht berücksichtigt. Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die sich gerade mit Qualifikationen im Gesundheitsbereich bei uns vorstellen. Aber es hapert eben an der Umsetzung vor Ort.

Vor diesem Hintergrund ist die Praxis der einzelnen Länderbehörden, was Pflegekräfte angeht, einfach unverständlich, zum Beispiel wenn das Landesamt für soziale Dienste in Schleswig-Holstein die philippinischen Nursing Curricula abqualifiziert oder wenn vom Regierungspräsidium Darmstadt trotz sechsjähriger Berufserfahrung ein Katalog von Anpassungsmaßnahmen gefordert wird. Der Kern des Problems ist: Die Bedingungen für die Anerkennung scheinen oft nicht klar ersichtlich. Behörden behelfen sich dann, indem sie bei der nächsthöheren Dienststelle nachfragen oder den Fall restriktiv behandeln. Mit dem Anerkennungsgesetz wollen wir gerade das verhindern: Mit dem Anerkennungsgesetz wollen wir klare Bedingungen schaffen, den Bürokratieabbau fördern und es gleichzeitig als Instrument gegen den Fachkräftemangel nutzen und ein Zeichen der Willkommenskultur in Deutschland setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Noch etwas: Es gibt leider bei den Gesundheitsberufen unterschiedliche Sprachanforderungen in den einzelnen Bundesländern. Auch das führt eben zum Anerkennungstourismus.

Der zweite Punkt betrifft den Verwaltungsvollzug in den Länderbehörden jenseits der Gesundheitsberufe, etwa beim Lehramt. Es ist sehr bedauerlich, dass manche Länder, darunter auch Nordrhein-Westfalen, den Beruf des Lehrers erst gar nicht aufgenommen haben.

Drittens. Wir haben mit dem Beratungsnetzwerk „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ sehr gute Informations- und Beratungsstrukturen aufgebaut. Ich finde es sehr gut, dass das IQ-Netzwerk jetzt auch in Richtung kostenloser Nachqualifizierungsangebote weiterentwickelt wird. Zudem werden verstärkt Angebote für Anpassungsqualifizierungen bei festgestellten Defiziten bereitgestellt. Wir wollen ja nicht nur, dass die Menschen sich bei uns beraten lassen, sondern wir wollen ihnen auch helfen, die volle Anerkennung zu erreichen, indem sie sich ihre Qualifikationen anerkennen lassen und sich bei fehlenden Qualifikationen nachqualifizieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Viertens. Als notwendige Verbesserung nennt der Bericht auch eine Vereinheitlichung der Verfahrensgebühren. Im Bericht ist von einer Varianz von einem zweistelligen Betrag bis hin zu einer vierstelligen Summe die Rede. Da geht es natürlich auch um die unterschiedlichen Kosten der Nachqualifizierung – keine Frage. Keine Frage ist auch, dass der Bund nicht alles dirigistisch vorgeben kann. Aber im Bereich der Kammern sollten schon verbindliche, einheitliche Sätze erhoben werden. Darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir tatsächlich noch mehr insistieren.

Fünftens. Es wurde auch untersucht, welche Meinung deutsche Arbeitgeber zur Rekrutierung von Zugewanderten mit ausländischen Berufsabschlüssen haben. Lediglich etwas über 40 Prozent der Befragten kennen inzwischen die noch relativ neuen Anerkennungsregeln. Gerade für die KMUs ist das Anerkennungsgesetz eine gute Möglichkeit, Fachkräfte zu gewinnen. Deswegen appelliere ich auch an meine Bundestagskollegen, in ihren Wahlkreisen mit den Betriebsräten, mit den Kammern vor Ort mehr über das Anerkennungsgesetz zu sprechen und es noch bekannter zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sprechen viel über Zahlen, Fakten und Daten, aber eines sollten wir dabei nicht vergessen: Für die Menschen, die aus freien Stücken zu uns kommen, aber auch für die, die aus den Krisengebieten dieser Welt zu uns flüchten, bedeutet die Möglichkeit zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses in Deutschland eine ganz wichtige Hilfestellung. Eine wachsende Herausforderung in den kommenden Jahren wird es sein, gut qualifizierten Flüchtlingen, die häufig ohne Papiere einreisen, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu eröffnen. Wo formale Nachweise fehlen, können praktische Prüfungen eine gute Lösung sein. Diese Möglichkeit bietet das Anerkennungsgesetz. Darüber bin ich sehr froh. Dass wir damit Menschen schneller eine Möglichkeit geben, sich in unserer Gesellschaft zu integrieren, hilft der Gesamtgesellschaft.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon sollten Sie Herrn de Maizière auch mal überzeugen!)

Unsere Aufgabe ist es nunmehr, bei den Menschen mit einer hohen Bleibeperspektive frühzeitig die berufliche Kompetenz abzufragen. Im Pilotprojekt „Early Intervention“, bei dem BA und BAMF kooperieren, geschieht dies bereits. Das Anerkennungsgesetz ist hierfür – das sieht man ganz eindeutig an dieser Stelle – eben genau das richtige Instrument.

Jetzt ist es Aufgabe – damit komme ich zum Schluss – aller Beteiligten, die Anwendung der Anerkennungsregelungen weiter zu vereinheitlichen und sie im Sinne einer gelebten Willkommenskultur auszugestalten. Das wäre im Geiste dieses Gesetzes, oder, um die Worte aufzugreifen, die mir ein Unternehmer aus meinem Wahlkreis vor kurzem sagte: Wir suchen doch händeringend Menschen, die bei uns arbeiten. Macht uns das Leben nicht so schwer!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das war eine Kritik an Ihrer Politik!)

Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die Kollegin Dr. Daniela De Ridder, SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5355231
Wahlperiode 18
Sitzung 116
Tagesordnungspunkt Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz
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