Annette Widmann-Mauz - Sichere digitale Kommunikation im Gesundheitswesen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich freue mich, dass wir als vorletzten Tagesordnungspunkt vor der Sommerpause über den Regierungsentwurf eines E-Health-Gesetzes sprechen. Es mag zwar der vorletzte Tagesordnungspunkt sein, aber das ist eher Understatement; denn in Wirklichkeit geht es um eines der anspruchsvollsten IT-Projekte der Gegenwart. Manche sprechen sogar vom größten IT-Projekt weltweit, und das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, aus gutem Grund; denn wir wollen in Deutschland eine umfassende Infrastruktur schaffen, die einen sicheren elektronischen Datenaustausch im Gesundheitswesen ermöglicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Eine solche Infrastruktur ist auch dringend nötig. Fast alle Praxen und Krankenhäuser nutzen digitale Daten auf hohem Niveau, und das bei rund 1,5 Milliarden Behandlungen pro Jahr. Aber wenn dann die rund 5 Milliarden Behandlungsdokumente ausgetauscht werden müssen, läuft das bei uns im Land meist noch per Fax oder gar per Post. Wie schrieb die FAZ neulich so treffend über diese analoge Insel im digitalen Zeitalter? „ Gesundheit 1.0“. Das können wir uns nicht länger leisten, und das wollen wir uns auch nicht länger leisten.
Klar ist: Wir haben kein Anwendungsproblem, aber ein erhebliches Vernetzungsproblem, weil die Datenautobahn fehlt. Das ist so, als hätte man lauter Sportwagen, aber nur Feldwege, auf denen man fahren kann.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Und wer ist seit zehn Jahren durchgehend an der Regierung?)
Wir brauchen endlich die Autobahnen, damit die Wagen auch zeigen können, was in ihnen steckt.
Daher stellen wir jetzt mit dem E-Health-Gesetz die Weichen für den Aufbau einer Telematikinfrastruktur. Wir schaffen damit Voraussetzungen für eine schnellere und sicherere Kommunikation, für mehr Patientensicherheit und für mehr Wirtschaftlichkeit in unserem Gesundheitswesen. Es geht dabei nicht nur um Fragen besserer Kommunikation und höherer wirtschaftlicher Effizienz. Nein, meine Damen und Herren, es geht um bessere Medizin; denn digitale Vernetzung kann Leben retten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn es zum Beispiel nach einem Unfall schnell gehen muss, dann soll der Arzt künftig wichtige Notfalldaten direkt von der elektronischen Gesundheitskarte abrufen können. Das geht nur mit der elektronischen Speicherung grundlegender Daten zum Beispiel zu bestehenden Allergien oder Vorerkrankungen. Ab 2018 wird es möglich sein, wenn der Patient es wünscht, dass diese Daten abgespeichert werden. Ärzte bekommen dann eine Vergütung, wenn sie die entsprechenden Datensätze erstellen. Es geht also um elektronische Notfalldaten und ein modernes Versichertenstammdatenmanagement. Dafür setzt das E-Health-Gesetz Fristen fest, setzt Anreize und legt Sanktionen fest.
In Deutschland sterben leider noch immer viel zu viele Menschen an gefährlichen Wechselwirkungen von Arzneimitteln. Auch hier kann und wird die digitale Vernetzung einen echten Fortschritt und einen echten Mehrwehrt bringen. Wir schaffen jetzt schnellstmöglich die Grundlage dafür, dass ein Medikationsplan mit der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden kann. Ab Oktober 2016 soll er den Patientinnen und Patienten, die drei oder mehr Medikamente nehmen, ausgehändigt werden. Der Arzt kann dann direkt sehen, welche Medikamente gerade eingenommen werden, und so gefährliche Wechselwirkungen verhindern. Das hilft insbesondere älteren und allein lebenden Menschen. Uns ist wichtig, dass ein solcher Medikationsplan mittelfristig über die elektronische Gesundheitskarte abrufbar sein wird.
Liebe Kollegen, digitale Vernetzung stärkt die Patienten. Wer seine eigenen Daten kennt und gelernt hat, verantwortlich damit umzugehen, der wird zum mündigen Patienten. Die elektronische Gesundheitskarte ist der erste Schritt zu einer elektronischen Patientenakte. Damit werden die Patienten über die Diagnose und über die Therapie viel genauer und umfassender informiert, und sie können auch besser in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Jeder von uns weiß: Was in gemeinsamer Entscheidung und Verantwortung gemacht wird, ist in der Medizin am Ende erfolgreicher. Das Stichwort „Compliance“ spielt hier eine ganz wichtige Rolle. Außerdem werden die Zugriffsverfahren auf das Patientenfach erleichtert, sodass Versicherte dort wichtige Dokumente, zum Beispiel einen elektronischen Impfausweis, ablegen können. Auch das stärkt die Patientenautonomie.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Digitalisierung ist ein echter Fortschritt für mündige und selbstbestimmte Patienten, aber nur dann, wenn der Datenschutz so umfassend wie möglich gewahrt ist. Darum erfüllt die geplante Telematikinfrastruktur die höchsten Sicherheitsstandards. Das ist der dritte große Fortschritt dieses Gesetzes. Der Zugriff der Ärzte auf die Daten wird protokolliert. Krankenkassen sind zur Information verpflichtet. Medizinische Daten werden verschlüsselt. Der Patient kann auch Daten löschen lassen. Der Patient ist jederzeit Herr über seine Daten und bestimmt selbst, ob und welche medizinischen Daten gespeichert werden und wer sie lesen darf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das sind im Übrigen höhere Sicherheitsstandards als bei der EC-Bankkarte, und wir werden sie noch einmal verschärfen. Es drohen strafrechtliche Konsequenzen für unberechtigte Zugriffe. Das ist echte Patientensouveränität. Und vor allem: Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bleibt unangetastet, und das ist das Wichtigste. Das wollen wir auch bewahren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nicht umsonst hat der Präsident des BSI das E- Health-Gesetz als „Meilenstein für die IT-Sicherheit im Gesundheitswesen“ bezeichnet. Das immer wieder zu hörende Argument, es gebe zu wenig Datenschutz, ist also nicht nur vorgeschoben, sondern es ist schlichtweg falsch. Mit solchen Argumenten sind Fortschritte viel zu lange blockiert worden. Das darf wirklich nicht mehr sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Mit dem E- Health-Gesetz muss jetzt der Durchbruch erreicht werden. Dazu muss auch die Selbstverwaltung ihren Beitrag leisten. Ich habe kein Verständnis dafür, dass es zu Verzögerungen im Bewertungsausschuss kommt. Dieses interessenpolitische Klein-Klein können wir uns nicht mehr leisten. Ich erwarte von allen Akteuren – und hier beziehe ich die Industrie explizit mit ein –, dass sie ihren Beitrag liefern. Ausreden, warum es immer wieder zu Verzögerungen gekommen ist – wie wir sie in den letzten Jahren immer wieder gehört haben –, werden wir und wollen wir nicht mehr hinnehmen. Wir werden die Sanktionen durchsetzen.
Uns ist es ernst. Wir wollen mit diesem E-Health-Gesetz einen Durchbruch erreichen. Ich werbe um Ihre Unterstützung für dieses einzigartige Projekt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin Widmann-Mauz. – Einen schönen Nachmittag von meiner Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Gleichfalls, Frau Präsidentin!)
Endspurt! Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Stunde. Wenn wir uns anstrengen und uns an die Zeiten halten, dann kommen wir auch pünktlich zum Ende.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wir können auch ganz schnell fertig werden!)
– Das hängt jetzt ganz von Ihnen ab.
Pia Zimmermann ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5355305 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 116 |
Tagesordnungspunkt | Sichere digitale Kommunikation im Gesundheitswesen |