03.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 116 / Tagesordnungspunkt 35

Katja LeikertCDU/CSU - Sichere digitale Kommunikation im Gesundheitswesen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Vor anderthalb Jahren hat der Gesundheitsausschuss seine Arbeit aufgenommen. Da war mit Blick auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch keine größere Bewegung abzusehen. Wenn Frau Zimmermann – wir haben ihr ja gerade zugehört – hier regieren würde, würde sich auf diesem Gebiet auch weiterhin gar nichts tun. Dann gäbe es – vor lauter Rückwärtsgewandtheit, die Sie hier an den Tag gelegt haben – bestimmt auch keinen elektronischen Bankenverkehr.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Pia Zimmermann [DIE LINKE])

Insofern ist es ein ganz großes Verdienst von Bundesminister Gröhe und Staatssekretärin Annette Widmann- Mauz, das Thema aufgenommen und hierzu schnell einen Gesetzesentwurf vorgelegt zu haben. Die Dynamik, die hier ausgelöst wurde, ist wirklich phänomenal – an Ihnen etwas vorbeigegangen –: E-Health ist in aller Munde. Jeder, der die leider unrühmliche Historie der eGK kennt, weiß, dass das ein ganz wichtiger Schritt war, vor allem mit Blick auf die Versorgung der Menschen.

Die elektronische Gesundheitskarte, die wahrscheinlich viele von Ihnen im Portemonnaie haben, kann – das wissen Sie auch – nicht besonders viel bisher, die „weiß“ in der Regel, wo Sie wohnen und bei welcher Krankenkasse Sie versichert sind. Darüber hinaus beinhaltet sie neuerdings auch ein Foto zur Identifizierung; aber sonst, wie gesagt, hat sie keine weitere Anwendung.

Wenn wir uns weiter in unserem Gesundheitswesen umschauen, dann stellen wir fest, dass auch viele andere wichtige Dokumente noch in Papierform vorliegen. Vielleicht kennen Sie die Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „Deutschland sucht den Impfpass“, wo jemand auf der Suche nach dem Impfpass in den Umzugskarton klettert. Das ist das, was wir nicht wollen. Wir wollen, dass die Menschen ihre Impfpässe nicht mehr suchen müssen, sondern diese Daten langfristig vom Smartphone beispielsweise oder am Computer daheim abrufen können. Das ist das, was wir – Frau Klein-Schmeink hat es angesprochen – unter Patientensouveränität auch verstehen.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie bitte: Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder –bemerkung von Frau Vogler?

Ja, gern.

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie meine Zwischenbemerkung zulassen. – Ich konnte jetzt nicht mehr anders, weil ich finde, der Impfpass ist nun wirklich ein ausgesprochen blödes Beispiel für eine mögliche nutzbringende Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte. Den Impfpass benötigt nämlich nicht nur der, der bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, sondern auch, wer privat versichert ist. Man benötigt ihn nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch, wenn man ins Ausland reist. Da nützt es überhaupt nichts, wenn die Daten in Deutschland in einer elektronischen Telematikinfrastruktur gespeichert sind. Damit kann man in anderen EU-Ländern und erst recht im ferneren Ausland überhaupt nichts anfangen.

Es handelt sich aber um wichtige Dokumente, um Urkunden, in denen ein Arzt mir bescheinigt – das muss ich in manchen Ländern bei der Einreise belegen –, dass ich gegen bestimmte Krankheiten geimpft bin. Von daher ist es wirklich ein untaugliches Beispiel.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich denke mal, die Frage spricht für sich selbst. Wenn wir uns gerade die Masernepidemie vor kurzem hier in Berlin vor Augen führen, bin ich mir nicht sicher, ob jeder über seinen Impfstatus auf dem Laufenden ist und ob dieses Heftchen, das so aussieht, als ob es aus den 70er- Jahren stammt, wirklich noch ein aktuelles Medium ist, um sich über den eigenen Impfstatus zu informieren. Insofern kann ich Ihre Argumentation nicht teilen.

(Beifall bei Abgeordneten bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es geht dabei nicht nur darum, dass Dokumente in elektronischer Form vorliegen sollen, sondern es geht auch um telemedizinische Anwendungen. Sie wissen, dass wir hier auch untermotorisiert sind. Wir haben aber eine Verantwortung für chronisch kranke Menschen. In Brandenburg gibt es in einigen Regionen Projekte zur Überwachung von Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz. In meiner Region, im Main-Kinzig-Kreis, gibt es so etwas nicht. Viele dieser Telemedizinprojekte, wie im Bereich Schlaganfall, zeigen einen echten Versorgungsnutzen für die Menschen. Die Menschen müssen weniger oft ins Krankenhaus, es entstehen weniger Komplikationen und sogar weniger Todesfälle. Vielleicht stimmen wir wenigstens in dem Punkt überein, dass Telemedizin ein großer Segen sein kann und wir dafür die Telematikinfrastruktur und auch die elektronische Gesundheitskarte brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das sind nur ganz wenige Beispiele dafür, warum die Digitalisierung unseres Gesundheitswesens Sinn macht.

Annette Widmann-Mauz hat schon ausgeführt, was der Gesetzentwurf im Detail vorsieht. Der schnelle Aufbau der Telematikinfrastruktur ist wichtig, damit es ein sicheres Netz gibt. Die Anwendungen wurden schon skizziert.

Dass wir uns natürlich noch ein paar andere Dinge vorstellen können, haben wir an unterschiedlicher Stelle schon debattiert. Ein ganz zentraler Punkt für uns ist das Thema Interoperabilität. Wir finden, dass wir viel von dem übernehmen können, was schon vorhanden ist. International etablierte Standards für das gesamte System verbindlich festzulegen, macht aus unserer Sicht wirklich Sinn.

Daneben haben wir schon viele andere Anwendungen besprochen, vom E-Rezept – das ich ganz praktisch finde – über den E-Mutterpass bis hin zu den Heften für die Untersuchungen der Kinder; das alles könnte in elektronischer Form vorliegen.

Ganz wichtig ist auch, dass auf der elektronischen Gesundheitskarte – ich bin Berichterstatterin für das Thema Organspende – auch die Organspendebereitschaft vermerkt werden kann. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen, und ich setze mich gerne dafür ein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daneben sind weitere Abrechnungsziffern im Bereich der telemedizinischen Anwendung wichtig. Herr Heidenblut hat das ja schon auf den Punkt gebracht.

Das Herzstück dieses ganzen E-Health-Komplexes und unserer Strategie sollte natürlich die elektronische Patientenakte sein, damit die Menschen einen autonomen Zugriff auf ihre Daten haben. Das ist sehr zentral und momentan noch nicht der Fall.

Ein weiterer wichtiger Punkt – ich möchte das E- Health-Gesetz aber nicht überfrachten; das ist wahrscheinlich eher etwas für E-Health II – ist die Versorgungsforschung. Auch wenn es um diesen Bereich geht, müssen wir dringend – das sollten wir im nächsten Jahr tun – über Big Data sprechen, und wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir die Versorgungsforschung in Deutschland verbessern können. Es nutzt ja nichts, die ganzen Daten zu erfassen und dann keine langfristigen Studien durchführen zu können. Es gibt Daten, die bei den Krankenkassen lagern, und keiner kann sie verwenden. Das halte ich, ehrlich gesagt, für einen mittelgroßen Skandal.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Abschließend – die Präsidentin hat mir ein Zeichen gegeben – noch ein eindringlicher Appell an die Selbstverwaltung – ich habe mit vielen Akteuren gesprochen; an manchen Stellen gibt es aber noch ein gewisses Beharrungsvermögen –: Ich wünsche mir, dass man sich von höchster Stelle aus – alle, die in der Selbstverwaltung Verantwortung tragen – um das Change Management, das wir brauchen, kümmert. Es liegt auf der Hand, welchen Nutzen die Digitalisierung in unserem Gesundheitswesen hat. Hier sind alle gefordert.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Leikert. – Nächster Redner: Dr. Edgar Franke für die SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5355400
Wahlperiode 18
Sitzung 116
Tagesordnungspunkt Sichere digitale Kommunikation im Gesundheitswesen
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