Volker KauderCDU/CSU - Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich ihre Entscheidung, wie sie heute abstimmen will, nicht leicht gemacht.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na, wer hätte das gedacht!)
Ich habe wahrscheinlich noch nie in einer Bundestagsfraktion der CDU/CSU eine solch intensive, aber auch lange Diskussion erlebt, in der die Argumente ausgetauscht wurden. Man kann nur sagen: In der Situation, in der wir jetzt sind, gibt es den einzig hundertprozentig richtigen Weg wahrscheinlich nicht. Weder diejenigen, die dem Antrag zustimmen, noch diejenigen, die dem Antrag nicht zustimmen wollen, können für sich in Anspruch nehmen, hundertprozentig sagen zu können, was das eine und das andere bedeutet. Aber eines ist völlig klar: Es geht heute nicht ausschließlich und vielleicht nicht einmal in erster Linie darum, Griechenland ein Angebot zu machen, sondern es geht darum, dieses Europa zusammenzuhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist die entscheidende Frage, um die wir ringen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dass wir ein starkes Europa haben wollen, ist die klare Position aller in unserer Fraktion. Wenn in dieser konkreten Situation jetzt gesagt wird: „Wir brauchen vielleicht eher mehr als weniger Europa“, dann muss ich sagen: Wir brauchen zunächst einmal die Zusage, dass sich das Europa, das wir haben, an das hält, was miteinander vereinbart worden ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen also ein rechtsstaatliches Europa. Wir erleben, dass in der ganzen Welt, von China bis Afrika, Rechtsstaatsdialoge geführt werden, dass als Teil guter Regierungsführung nicht die Willkür der Politik, sondern die rechtliche Garantie zugrunde gelegt wird. Dies ist in diesem Europa in den letzten Jahren an manchen Stellen immer wieder zu kurz gekommen.
Wir alle haben gewusst, dass die Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone auch eine politische Entscheidung war. Wir haben gewusst, dass die Voraussetzungen wahrscheinlich nicht hundertprozentig erfüllt sind. Deswegen hat die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag dagegen gestimmt. Nachdem die Entscheidung gefallen war, dass Griechenland Teil der Euro-Zone wird, hat man – lieber Thomas Oppermann, das stimmt – nicht mehr hingeschaut. Das war ein entscheidender Fehler. Ich kann nur sagen: Wir verlangen bei den Verhandlungen, die jetzt mit Griechenland geführt werden, dass dies radikal anders gemacht wird, dass nämlich etwas vereinbart und nicht nur etwas geglaubt wird und dass auch kontrolliert wird; denn sonst funktioniert das System nicht mehr.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir Europäer selbstkritisch auf uns selbst blicken, müssen wir sagen: Wir alle wissen, wie wichtig Haushaltsdisziplin für die Stabilität unserer Währung und für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum ist. Damals haben wir Stabilitätskriterien eingeführt, um unserer Bevölkerung sagen zu können: Der Euro wird so stark und stabil wie die D-Mark. – Es ist aber immer wieder der Versuch unternommen worden, diese Stabilitätskriterien nicht einzuhalten bzw. darum herumzukommen. Das darf in Zukunft nicht mehr passieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Bevor ich den schönen Satz „Wir brauchen mehr Europa“ unterstreiche und darunter verstanden wird „neue Institutionen, neue Kompetenzen“, sage ich: Wir brauchen zunächst ein Mehr an Europa, ein stabiles Europa, das sich an die Vereinbarungen hält. Wenn sich die Institutionen in Europa nicht daran halten, was sollen denn dann die Menschen, die an Recht und Gesetz gebunden sind, von diesen Einrichtungen halten, liebe Kolleginnen und Kollegen?
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der LINKEN)
Ich sehe, dass dies jetzt auf den Weg gebracht wird. Deswegen werbe ich sehr dafür, dass wir nun auch die Verhandlungen mit Griechenland aufnehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt natürlich unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der Weg, Griechenland im Euro zu halten, funktioniert. Ich kann nur eines sagen: Wenn man eine Währungsgemeinschaft hat, muss man alles versuchen, sei es auch noch so schwer, um diese Währungsgemeinschaft zusammenzuhalten. Der Euro ist schließlich unsere Währung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Deswegen darf nichts getan werden, was die Einheit der Währungsgemeinschaft nicht stabil hält.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
– Da können die Grünen ruhig klatschen. Aber ich kann Ihnen eines sagen: Damit dies eintritt, sind zwei Voraussetzungen notwendig. Die eine Voraussetzung schaffen wir heute, indem wir Wolfgang Schäuble beauftragen, die Verhandlungen auf der Grundlage dessen, was am letzten Wochenende geschehen ist, weiterzuführen. Die andere Voraussetzung ist, dass Griechenland bereit ist, seinen Teil beizutragen. Wenn ich manchen hier im Deutschen Bundestag höre, bin ich einigermaßen überrascht. Als ob die Rettung Griechenlands nur hier im Deutschen Bundestag geschähe! Da geschieht sie am wenigsten. Sie muss in Griechenland begonnen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will noch einen Hinweis geben zu dem, was von der Linken gesagt worden ist, aber auch zu dem, Frau Göring-Eckardt, was die Grünen gesagt haben. Ich finde, die Frage ist nicht, ob Deutschland die Hilfe nach dem Krieg verdient hat oder nicht. Ich finde, dass die Menschen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, die vielen Frauen, die an dem Unglück nicht schuld waren, die sich als Trümmerfrauen aufgemacht haben,
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Deutschland wieder aufzubauen, es verdient hatten, dass man ihnen half. Aber den Unterschied, wie Hilfe laufen kann, was übrigens ein klassisches Lehrstück für die jetzige Situation ist, haben wir in Deutschland selbst gesehen: Die Menschen im Osten, in der DDR, und die Menschen im Westen waren gleich fleißig, waren gleich kreativ, hatten gleiche Anlagen und Chancen. Die einen konnten sie nutzen, weil das System so war, dass man sie nutzen konnte; deshalb ist Deutschland West gewachsen. Die anderen hatten ein System, das dies nicht begünstigt hat; da konnten die Menschen ihren Beitrag nicht leisten.
(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Deswegen ist die DDR verlottert und nicht gewachsen. Das war der entscheidende Unterschied.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es lag nicht an den Menschen, es lag am System.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Dieses Lehrstück aus unserer jüngsten Vergangenheit zeigt es doch – und genau dies machen wir jetzt miteinander –: Wir wollen den Griechen helfen, Bedingungen zu schaffen, die sie auf genau den Weg führen, den wir in Deutschland erfolgreich gegangen sind. Da war, Frau Göring-Eckardt, auch nicht alles hundertprozentig unsere freie Meinung. Konrad Adenauer und andere haben mit den Besatzungsmächten ringen müssen, ob dieses oder jenes zulässig ist. Die segensreiche Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts zum Beispiel ist nicht allein uns, sondern in erster Linie den Amerikanern eingefallen, weil sie gedacht haben, wir seien nicht zuverlässig genug.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Heute muss man sagen, dass die Entscheidung richtig war. Wir wollen, dass die Griechen mit unserer Hilfe nun endlich so weit kommen, einen Staat zu schaffen, der in diese Euro-Zone passt und der wettbewerbsfähig ist. Das ist der entscheidende Punkt. Das muss geschehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich finde, da hat Wolfgang Schäuble, hat die Bundeskanzlerin, unterstützt von unserem Koalitionspartner, hat die Regierung den richtigen Weg eingeschlagen.
Ich habe mich wie der eine oder andere Kollege in meiner Fraktion manchmal gefragt, ob es wirklich richtig war, dass europäische Institutionen den Eindruck erweckt haben, es bleibe alles so, wie es ist, ohne dass größere Anstrengungen notwendig seien. Da war der Hinweis von Wolfgang Schäuble doch völlig richtig, der da lautet: Leute, wir machen euch ein Angebot, weil wir sehen, dass es nur so geht. Aber die letzte Entscheidung, ob ihr das machen wollt, trefft ihr selber. – Das war nicht Härte, wie immer gesagt worden ist, sondern schlicht und ergreifend politische Vernunft, nämlich der Wunsch, Europa als Rechtsgemeinschaft zusammenzuhalten. Dafür herzlichen Dank, lieber Wolfgang Schäuble.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die große Mehrheit meiner Fraktion wird heute zustimmen und Wolfgang Schäuble den Auftrag zu Verhandlungen erteilen. Es gibt aber auch einige, die sagen, sie könnten dem nicht folgen. Ich finde, die Botschaft nach Europa und die Botschaft nach Griechenland muss heißen: Wir haben den Kurs von Wolfgang Schäuble in der letzten Verhandlungsrunde mitgetragen und unterstützt. Niemand soll sich in Europa täuschen. Auch heute wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Kurs ihres Finanzministers unterstützen und ihn damit stärken auf dem Weg, Griechenland in Europa wettbewerbsfähig zu machen und in eine Zukunft zu führen. Heute muss die Botschaft sein: Unsere Fraktion unterstützt Wolfgang Schäuble in seiner Verhandlungsstrategie, in seiner Verhandlungsarbeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es geht heute nicht allein um die Frage: Griechenland, ja oder nein. Es geht vielmehr um die Zukunft Europas und darum, dass wir allen zeigen, dass wir auf dem Weg vorangehen, die Euro-Zone zusammenzuhalten und Europa wettbewerbsfähig zu machen. Wir müssen der Welt zeigen, dass wir Europäer zusammenhalten. Intern aber müssen wir sagen: Jeder muss seinen Beitrag leisten, um Europa wettbewerbsfähig zu machen. Es reicht nicht aus, dass Deutschland wettbewerbsfähig ist. Auf diesem Weg unterstützen wir diejenigen, die eine Hauptlast der Verhandlungen getragen haben, nämlich Wolfgang Schäuble und Angela Merkel.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dietmar Bartsch, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5438417 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 117 |
Tagesordnungspunkt | Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands |