Gerda HasselfeldtCDU/CSU - Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine schwierige Entscheidung zu treffen. Niemand in diesem Haus macht sich diese Entscheidung leicht. Wir in der CDU/CSU-Fraktion und in meiner Landesgruppe haben in den letzten Tagen intensiv diskutiert. Wir haben alle Argumente nicht nur angehört, sondern auch ausgetauscht.
Ich habe großes Verständnis für so manche Unsicherheit, auch für Unmut über das Verhalten der griechischen Regierung in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten. Diese Unsicherheit kommt natürlich auch daher, dass man sich fragt: Wird die jetzige griechische Regierung erstens die Kraft haben, zweitens den Mut haben, drittens auch den Willen haben, die notwendigen Maßnahmen auch wirklich umzusetzen, durchzusetzen und nicht nur theoretische Beschlüsse zu fassen? Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Äußerungen so mancher Regierungsmitglieder in Griechenland in den letzten Tagen und Wochen.
Tatsache ist, dass in diesen letzten Wochen und Monaten die griechische Regierung viel Vertrauen der Partner in Europa kaputtgemacht hat.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt leider!)
Das ist das eine. Dazu kommt aber auch noch, dass in den letzten Monaten wertvolle Zeit verstrichen ist, dass die notwendigen Reformen nicht gemacht wurden, dass sogar frühere Reformen, die erfolgreich waren, wieder zurückgenommen wurden. Dazu gehört, dass Wahlversprechen gemacht wurden, von denen von Anfang an klar war, dass sie mit eigenen Mitteln nicht zu finanzieren sind. Das alles hat dazu geführt, dass das Land mittlerweile wieder am Abgrund ist, und die Menschen in Griechenland sind die Leidtragenden.
Dabei hat alles eigentlich einen ganz guten Weg genommen. Ende letzten Jahres war die wirtschaftliche Entwicklung wieder so, dass sogar Wachstum verzeichnet werden konnte, das stärkste Wachstum in allen europäischen Ländern. Die Arbeitslosigkeit ging in der Tendenz zurück. Ja, auch bei der Staatsschuldenquote wurde eine Trendwende erreicht. Aber das alles ist ganz schnell innerhalb weniger Monate durch diese Regierung kaputtgemacht worden. Das gehört zur Wahrheit, und deshalb ist so manche Skepsis durchaus verständlich. Diese Wahrheit ist letztlich das praktische Ergebnis der Politik einer Regierung, die von Links- und Rechtsextremen geführt wird. Bei einer Gelegenheit wie dieser fällt mir immer ein, was Margaret Thatcher vor vielen Jahren, ja Jahrzehnten gesagt hat – ich zitiere sinngemäß –:
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Die Anel war bis vor kurzem Ihre Schwesterpartei!)
Das Problem der Linken ist, dass ihnen irgendwann einmal das Geld anderer Leute ausgeht. – Genau das ist es.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun ist die Frage: Was ist zu tun? Was ist die Zielsetzung? Es wurde in der Debatte schon mehrfach angesprochen: Es geht nicht nur um Griechenland. Es geht bei dieser Debatte und bei dieser Entscheidung um die Stabilität unserer gemeinsamen Währung und um die Stabilität unseres gemeinsamen Europas. Die gemeinsame Währung ist es! Es ist nicht irgendeine Währung. Es ist unsere Währung. Deshalb haben wir alle in Europa das größte Interesse daran, dass diese unsere Währung stabil bleibt und dass dieses Europa zusammenbleibt; denn es ist die größte, die beste Errungenschaft dieses Jahrhunderts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist gut, dass wir über den richtigen Weg ausgiebig diskutieren. Es sind mehrere Vorschläge gemacht worden; die Kanzlerin ist darauf eingegangen, ich brauche das nicht zu vertiefen. Der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, ist einer, der an das anschließt, was wir bisher gemacht haben, und zwar nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa, nämlich an den Grundsatz: Solidarität und Eigenverantwortung gehören zusammen. Solidarität ja, aber für die notwendigen Reformen muss das jeweilige Land sorgen. Nur dann, wenn die Hausaufgaben in den jeweiligen Nationalstaaten gemacht werden, wird dieses Europa wettbewerbsfähig bleiben und werden die einzelnen Nationalstaaten auch wettbewerbsfähig sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dieser Grundsatz – Solidarität und Eigenverantwortung – spiegelt sich in dem wider, was Grundlage der Verhandlungen sein wird, nachdem wir heute die Entscheidung dafür treffen. Er ist sogar in Richtung von noch mehr Eigenverantwortung verstärkt, weil dies notwendig ist. Dazu gehört beispielsweise, dass das griechische Parlament schon vorgestern, vor unserer Entscheidung hier, Beschlüsse gefasst und Gesetze verabschiedet hat. Dazu gehört auch, dass der IWF weiterhin dabei ist. Dazu gehört der Treuhandfonds für die Privatisierungen und vieles mehr.
Ja, es ist strenger. Die Konditionalität ist strenger. Wir brauchen keine Ankündigungen, sondern wir brauchen Beschlüsse.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen keine unverbindlichen Listen, sondern wir brauchen konkrete Gesetze. Wir brauchen nicht Worte, sondern wir brauchen Taten. Das ist die Grundlage.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte dem Bundesfinanzminister für die anstehenden Verhandlungen Folgendes mit auf den Weg geben: Wir wollen Sie in Ihrem Bemühen stärken, die Konditionalität auch in den konkreten Verhandlungen hochzuheben, und zwar nicht, weil wir einfach hart sein wollen, sondern weil es die Situation in Griechenland notwendig macht.
Manche fragen: Ist das nicht vielleicht zu hart? Ist es nicht zu schnell, was wir da erwarten? Meine Damen und Herren, wenn die griechische Regierung in den letzten Monaten ihre Hausaufgaben gemacht hätte, wenn nicht wertvolle Zeit verstrichen wäre und wenn nicht Wahlversprechen gemacht worden wären, die nicht eingehalten werden konnten – von Anfang an nicht eingehalten werden konnten –, dann wäre Griechenland nicht in der Situation, in der es jetzt ist, und dann bräuchten wir diese harten, einschneidenden Maßnahmen auch nicht. Das hat Griechenland selbst zu verantworten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Maßnahmen sind kein Hilfspaket. Diese Maßnahmen sind vielmehr Maßnahmen, in deren Vordergrund die Reformen stehen. Dabei handelt es sich um Strukturreformen, die nach einem doch relativ erkennbaren und schon länger erkennbaren Staatsversagen auch den Staatsaufbau beinhalten, und zwar in der Steuerverwaltung, in der Sozialverwaltung, in der Arbeitsverwaltung, im Katasterwesen und in allem, was dazugehört. Das ist bei diesem Programm sogar ganz wesentlich, und es ist gut, dass dies schon im Vorfeld unserer Entscheidung, vor dem Verhandlungsmandat, erkannt und als Zielsetzung verankert wurde.
Es wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Debatte mehrfach angesprochen: Was wir mit dieser Entscheidung heute machen, hat eine große europapolitische Bedeutung. Eines der wichtigsten Ergebnisse des Gipfels vom vergangenen Wochenende war, dass Europa zusammengeblieben ist, meine Damen und Herren, dass es eben keinen Riss zwischen Deutschland und Frankreich gegeben hat und gibt, dass es keinen Riss in Europa gibt. Trotz der ganz unterschiedlichen nationalstaatlichen Interessen, trotz der unterschiedlichen Befindlichkeiten und Mentalitäten in den einzelnen Nationalstaaten Europas, trotz der unterschiedlichen Parteien, die dort an der Regierung sind: Europa hat einheitlich gehandelt. Das war immer die große Stärke von Europa: dass Kompromisse gefunden wurden, dass es weiterging, dass man nationalstaatliche Interessen zwar immer mit in die Waagschale geworfen hat, ausdiskutiert hat, dass man dann aber um das Gemeinsame gerungen hat; denn nur dann sind wir eine Wertegemeinschaft, eine Währungsunion, eine Schicksalsunion, eine Friedens- und Freiheitsunion, so wie wir dieses Europa verstehen.
Dazu gehört aber – ich möchte ausdrücklich das betonen, was Volker Kauder vorhin gesagt hat –, dass Regeln und Vereinbarungen auch eingehalten werden. Auch das gehört zu diesem Europa! Europa kann nur das sein, was wir wollen, wenn das, was nationalstaatlich oder in den einzelnen europäischen Gremien vereinbart ist, nicht nur auf dem Papier steht und nicht politisch aufgeweicht wird. Vielmehr müssen alle sich bemühen, dieses auch einzuhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute die Entscheidung für ein Verhandlungsmandat für den Bundesfinanzminister treffen, sind wir am Anfang eines Weges, der in den nächsten Wochen noch viel Arbeit abverlangt und uns auch darüber hinaus mit Sicherheit mehrfach beschäftigen wird. Es ist nicht so, dass es einmal eine Entscheidung gibt, und dann läuft das schon. Nach dem, was wir im Plan vor uns haben, wird engmaschig kontrolliert, und deshalb wird uns das immer wieder beschäftigen.
Dabei muss ich ehrlich gestehen: Das Vertrauen in die griechische Regierung muss erst noch erwiesen und aufgebaut werden. Aber ich weiß: Die Bevölkerung in Deutschland, die Menschen in Deutschland haben großes Vertrauen in unsere Bundeskanzlerin und in den Bundesfinanzminister, und dieses Vertrauen ist auch gerechtfertigt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte Ihnen herzlich danken für die Arbeit in den vergangenen Tagen und Wochen, Ihnen aber auch versichern: Das Vertrauen, das Ihnen die deutsche Bevölkerung entgegenbringt, das bringen auch wir Ihnen entgegen. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
Vielen Dank. – Als Nächstes erhält der Kollege Manuel Sarrazin für eine kurze Rede das Wort.
(Zuruf von der LINKEN: Rekordverdächtig kurz!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5438513 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 117 |
Tagesordnungspunkt | Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands |