Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf den Tribünen und an den Bildschirmen! Ich habe zuletzt zur Verlängerung von Griechenland II hier gesprochen. Damals habe ich die Vertrauenswürdigkeit von Varoufakis und Tsipras in Zweifel gezogen. Davon habe ich eigentlich nichts zurückzunehmen. In diesem Zusammenhang habe ich auch gesagt, dass wir spätestens im Sommer oder Herbst über ein neues Paket werden reden müssen. Ich habe gesagt: Das werden 40 bis 50 Milliarden Euro sein. Diesbezüglich muss ich mich korrigieren: Wir verhandeln schon im frühen Sommer darüber, und es sind 85 Milliarden Euro. Aber ansonsten war die Treffsicherheit ziemlich groß.
Ich glaube nicht, dass dadurch, dass nach dem bewährten Hausrezept „Viel hilft viel“ immer nur Geld nachgeschoben wird, sich in Griechenland irgendetwas verändert. Wenn Sie ein Fass ohne Boden haben, können Sie versuchen, es mit Wasser zu füllen; aber Sie können so viel hineinschütten, wie Sie wollen, es wird nicht voll.
Blenden wir zurück auf Griechenland I, auf 2010, und vergleichen wir die Lage von damals mit der von heute. Ich erkenne dabei viele Parallelen. Auch damals ist uns gesagt worden: Das ist ein einmaliges Angebot, das letzte Angebot. Es sollte ja überhaupt nur eines sein. Auch damals ist uns gesagt worden: Die Griechen versprechen viel; sie werden Gesetze ändern; sie werden Strukturreformen durchführen; sie werden bei den Steuern etwas ändern; sie werden am Pensionssystem etwas ändern. Auch die Bilder gleichen sich: Wir haben damals Bilder von Aufständen, von gewalttätigen Demonstrationen gesehen. Häuser haben gebrannt, drei Menschen sind sogar zu Tode gekommen. Dieses Mal, am Mittwoch, haben wir die gleichen Bilder gesehen, Bilder von hitzigen Debatten im Parlament und brennenden Autos auf den Straßen. Man hat so ein bisschen ein Déjà-vu-Erlebnis.
Es gibt aber auch Unterschiede: Bei Griechenland I war der IWF mit einem Drittel dabei, jetzt schleicht er sich raus. Ende des ersten Quartals 2016 will er draußen sein.
(Zuruf von der SPD: Abwarten!)
Die Griechen sind nur verpflichtet, einen Antrag zu stellen. Der IWF macht natürlich keine Zusage, dass er dem nachgeben wird.
Es gibt einen weiteren Unterschied: Damals konnte man nur vermuten, dass es schwierig sein würde, solche Reformen in Griechenland umzusetzen, weil man nicht genau wusste, ob der Wille dazu da ist. Jetzt wissen wir es. Es gab zwischenzeitlich ein Referendum, bei dem 61 Prozent zum Ausdruck gebracht haben, dass sie diese Strukturreformen nicht wollen. Und wir haben eine Regierung, die im Parlament laut erklärt, sie sei erpresst worden, nur so seien diese Ergebnisse zustande gekommen, sie habe das alles nicht gewollt. Mir ist völlig schleierhaft, wie man glauben kann, dass jetzt, unter diesen Rahmenbedingungen, das funktionieren soll, was in den letzten fünf Jahren nicht funktioniert hat.
Ein Weiteres, was sich gleicht: Privatisierungen und Privatisierungserlöse. Im ersten Programm, das die damalige griechische Regierung mit der Troika ausgehandelt hat, stand sozusagen als Restabdeckung ein geplanter Privatisierungserlös von 50 Milliarden Euro. Realisiert wurden bis heute 2,6 Milliarden Euro. Jetzt soll wieder mit der gleichen Summe gearbeitet werden. Der Privatisierungsfuror geht jetzt richtig durch mit den Griechen, da sie wissen, dass das in einen Fonds geht, der zum größeren Teil zur Schuldentilgung herangezogen werden soll und den sie nicht einmal alleine verwalten können. Das glaubt doch kein Mensch. Man kann wirklich niemandem erklären, wie das realistisch sein soll.
Wir haben darüber hinaus im Laufe dieser fünf Jahre eines feststellen müssen: Diese Bail-out-Politik, das Herauspauken von Ländern, die Übernahme der Gläubigerposition gegenüber diesen Ländern hat die Verhältnisse zwischen den Völkern in Europa erheblich beschädigt. Nie haben wir so hässlich übereinander reden hören wie in diesen letzten fünf Jahren und ganz besonders wie in den letzten fünf Monaten.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Du beteiligst dich aber auch daran!)
Das ist eine verhängnisvolle Folge dieser Schuldenübernahmepolitik; sie führt mit einer gewissen Zwangsläufigkeit dazu.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Du musst das nicht tun!)
Wie muss sich denn das griechische Parlament vorkommen, dass wir hier im Deutschen Bundestag schon wieder einen ganzen Morgen darüber reden, was es eigentlich für Aufgaben zu erledigen hätte? Das ist doch eine Aufgabe, die im griechischen Parlament erledigt werden muss und nicht hier. Der Grundfehler dort ist doch, dass auch jetzt wieder mit dieser Erpressungsstory versucht wird, einen äußeren Feind zu identifizieren, der schuld ist an allem Unbill in dem Lande. Nie ist die Schuld im eigenen Lande. Die Probleme Griechenlands liegen in Griechenland und können nur in Griechenland gelöst werden. Wenn wir mit klugen Ratschlägen von außen kommen, wird das nicht zum Erfolg führen.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Harsche Kritik an Ihrer Fraktion!)
Ich fordere Sie deshalb auf: Stimmen Sie der Mandatierung nicht zu. Der ESM war auch gar nicht dafür gedacht; er sollte, wenn die Euro-Zone als Ganzes in Gefahr ist, aktiviert werden. Hierfür ist er nicht vorgesehen. Der EFSM, der jetzt zur Brückenfinanzierung vorgesehen ist, war eigentlich einmal für die Bewältigung von Naturkatastrophen vorgesehen.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Lesen Sie den Vertrag: „Naturkatastrophen oder anderen Ereignissen …“!)
So wird hier eine Rechtsposition nach der anderen abgeräumt, und es wird beliebig gestaltet, nur um wieder retten zu können.
Herr Kollege.
Mein letzter Satz, Frau Präsidentin.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Herr Präsident.
Da können Sie einmal sehen, wie lange Sie schon reden.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich meine natürlich: Herr Präsident.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mach jetzt Schluss, und dann ist gut!)
Wir müssen dazu zurückkehren, dass das Recht in Europa gilt, dass die Herrschaft des Rechts Vorrang hat und dass hier nicht Beliebigkeit Einzug hält. Wenn all die pathetischen Worte, die heute gesagt worden sind, wirklich sind, dann ist es doch völlig egal, wie es ausgeht. Das wiegt doch dann so schwer, dass damit natürlich auch Griechenland IV und Griechenland V begründet werden kann. Ich gehe davon aus, dass das auf uns zukommt. Denn es ist nicht zu erkennen, dass dieser Weg ein erfolgreicher ist. Im Gegenteil: Durch Zeitablauf ist erwiesen, dass es ein erfolgloser Weg ist. Deshalb sollten wir ihn heute beenden.
Danke schön.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Johannes Kahrs erhält nun das Wort für die SPD- Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5438537 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 117 |
Tagesordnungspunkt | Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands |