17.07.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 117 / Tagesordnungspunkt 1

Johannes KahrsSPD - Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich bei mir im Wahlkreis über das Thema Griechenland diskutiere, ob bei Hausbesuchen, an Infoständen oder selbst beim Stammtisch, dann sagen ganz viele Menschen: Es ist doch nicht euer Ernst, dass ihr jetzt noch einmal 50, 60, 70, 80 Milliarden Euro nach Griechenland geben wollt. Wir bürgen mit unserem Geld dafür. Seid ihr denn wahnsinnig? – Dann muss man immer lange argumentieren, so wie man auch mit dem Kollegen Willsch argumentieren muss.

Es stellt sich dann aber die Frage: Wie geht man das Problem an? Man muss sagen: Es ist ja nicht so, dass das Geld einfach irgendwohin gepumpt wird und nichts passiert – das ist heute schon einmal dargestellt worden –, hier geht es nicht darum, Dinge zu subventionieren oder zu bezahlen, die verbraucht werden und dann weg sind, sondern hier geht es darum, eine Strukturveränderung hinzubekommen.

Sigmar Gabriel hat gesagt: Es geht darum, Strukturen zu reformieren. Es geht darum, zu investieren, damit Griechenland mit funktionierenden Strukturen eine Chance hat, die Wirtschaft wieder aufgebaut werden kann und die Griechen in die Lage versetzt werden, ihren Lebensstandard selber zu erarbeiten. – Herr Kauder hat hier zu Recht gesagt, dass in der DDR das System nicht funktioniert hat. Wir müssen mit daran arbeiten, dass das System, das in der DDR nicht funktioniert hat, in Griechenland irgendwann zu funktionieren beginnt. Deswegen hat Thomas Oppermann ja vom Staatsversagen gesprochen. Wenn man sich das vor Augen hält und sagt: „Jawohl, wir wollen helfen, dass die Griechen in die Lage versetzt werden, sich irgendwann selbst zu helfen“, dann ist das doch wirklich sinnvoll. Herr Kauder hat gesagt: Die Rettung Griechenlands findet in Griechenland statt. – Genau so ist es. Deswegen müssen wir den Griechen helfen, sich selbst zu helfen.

(Beifall bei der SPD)

Das, was hier heute von vielen gesagt wurde, ist wirklich grober Unfug.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Schick hat gesagt, Herr Schäuble verursache durch die Grexit-Diskussion Mehrkosten von 25 Milliarden Euro. Ehrlich gesagt, Herr Schick, war das nicht Herr Schäuble, sondern Herr Tsipras hat durch sein Hin und Her, durch das Referendum und dadurch, dass er selber die Ablehnung empfohlen hat, dafür gesorgt, dass diese Mehrkosten entstanden sind.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das ist doch Teil der Wahrheit. Das Hin und Her der letzten sechs Monate hat dazu geführt, dass die griechische Wirtschaft eingebrochen ist, dass das Vertrauen verloren gegangen ist, dass die Banken in eine noch instabilere Lage geraten sind. Das ist das Problem. Wir wollen dabei helfen, dass sich die Situation verbessert. Ich glaube, dass man das sagen muss – auch das gehört nämlich zur Wahrheit dazu –, auch unter Freunden.

Wir haben hier heute Reden gehört, die teilweise etwas grenzwertig waren. Die Linke hat alles bemüht und gesagt, wir würden nötigen und die Griechen würden gezwungen werden. Herr Gysi hat es wirklich geschafft, zu sagen: Die Linke wird den Antrag ablehnen; aber sie hat ja empfohlen, dass in Griechenland zugestimmt wird. – Das ist wirklich grober Unfug.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn SPD und CDU/CSU nicht dafür sorgen würden, dass Hilfspakete verabschiedet werden, dann würde es in Griechenland deutlich schlimmer aussehen. Deswegen versteht das, was Sie hier tun, niemand, nicht einmal die Mehrheit Ihrer eigenen Wähler. Das ist doch alles absurd.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben auch Frau Wagenknecht gehört, die ja nur dumpfen Populismus betrieben hat,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

die sich kein einziges Mal bemüht hat, irgendwelche Argumente auf den Tisch zu legen und ein kohärentes Konzept zu entwickeln. Sie hat nur alle möglichen Vorurteile bedient und dumme Stammtischparolen wiederholt. Sie hat es aber nicht geschafft, eine Alternative aufzuzeigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Den Kritikern fehlt ein Gegenkonzept zu dem, was die Bundesregierung macht, also eine Alternative, wie es stattdessen laufen soll. Das Peinliche ist doch, dass Sie sich hierhinstellen, Plattitüden verkünden, dummerhaftes Gewäsch von sich geben, den Menschen, die man auf die Bäume gejagt hat, im Ergebnis aber überhaupt keine Perspektive geben, wie man sie wieder herunterholen möchte. Ich finde, das ist verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es wird hier immer über Rentenkürzungen geredet. Man muss sich auch einmal die Mühe machen, sich das griechische Rentensystem anzusehen. Was ist denn dort passiert? Hier geht es nicht um Rentenkürzungen, sondern darum, dass Vorruhestandsregelungen, die es in Deutschland und vielen anderen EU-Ländern gar nicht gibt, zurückgeführt werden, dass ein Rentensystem, das in sich nicht tragfähig ist, tragfähig gemacht wird. Das ist doch der Sinn. Bisher waren ausgenommen: Mediziner, Juristen, Ingenieure, Journalisten, die Angestellten der Bank von Griechenland und Soldaten. Das kann doch nicht angehen. Entweder gibt es ein Rentensystem für alle, oder es geht nicht. Dass die Linke verhindern will, dass das gemacht wird, ist doch schier absurd. Ein Rentensystem muss funktionieren können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie mit Ihren Fantasien durchkämen, wir alle den Antrag ablehnen und die Griechen eine abgewertete Drachme bekommen würden, dann wäre das für die griechischen Rentner eine Katastrophe. Dann käme es nämlich zu einer realen Rentenkürzung; denn die Kaufkraft würde um 30, 40 Prozent zurückgehen. Wenn es das ist, was die Linke will, dann ist das weder sozial noch gerecht. Mit so etwas wie Ihnen wird es Rot-Rot-Grün nie geben.

(Lachen bei der LINKEN)

Sie sorgen dafür, dass es unmöglich ist, mit Ihnen je auf Bundesebene zu koalieren.

(Beifall der Abg. Christine Lambrecht [SPD] und Jens Spahn [CDU/CSU])

Also: Rot-Grün immer gern. Aber das, was Sie hier abgeliefert haben, geht gar nicht. Sie schließen Rot-Rot-Grün aus. Jedem in der Presse, der noch davon träumt, dass Rot-Rot-Grün eine Idee wäre und eine Chance hätte, –

Herr Kollege.

– sage ich: Die gibt es nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Das muss auch mal gesagt werden, damit es jeder mitbekommt.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Also, Herr Kollege Kahrs, dass diese Debatte auch zur vorläufig abschließenden Klärung künftiger Koalitionsbildung beitragen würde, hätten zu Beginn dieser Debatte die wenigsten für möglich gehalten.

Bevor ich nun dem Kollegen Ralph Brinkhaus als letztem Debattenredner das Wort gebe, weise ich darauf hin, dass anschließend der Kollege Liebich noch Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung hat. Deswegen bitte ich die Kollegen, die sich da oben schon in der Nähe der noch gar nicht vorhandenen Abstimmungsurnen aufhalten, vielleicht noch ein paar Minuten Platz zu nehmen; hinreichend Plätze sind vorhanden.

Jetzt hat der Kollege Brinkhaus das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5438605
Wahlperiode 18
Sitzung 117
Tagesordnungspunkt Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands
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