19.08.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 118 / Tagesordnungspunkt 1

Volker KauderCDU/CSU - Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns an die letzte Sondersitzung und daran, worüber wir da diskutiert haben, um den Weg für Verhandlungen frei zu machen, erinnern, dann stellen wir fest, dass doch bei vielen eine gewisse Unsicherheit herrschte, ob dies tatsächlich zu einem guten Ergebnis führt. Zu viel ist in den Wochen davor an Diskussionen und an Hin und Her der griechischen Regierung geschehen. Man hat deshalb durchaus Verständnis haben können, wenn einige gesagt haben: Dies kann gar nicht zu einem guten Ergebnis führen. – Wenn wir jetzt aber das Ergebnis anschauen, dann zeigt sich rückblickend, dass es richtig war, noch einmal den Versuch zu machen, diese griechische Regierung auf einen richtigen Weg zu führen.

Wenn man das Ergebnis anschaut, bleiben natürlich auch Fragen. Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass die allermeisten Fragen, über die wir zu entscheiden haben – übrigens nicht nur im politischen Bereich, sondern auch in anderen Bereichen –, Abwägungsfragen sind, wo es Gründe dafür und Gründe dagegen gibt und wo es nicht hundert zu null steht. In diese Abwägung müssen die folgenden Fragen einbezogen werden: Welche Konsequenzen hat ein Verhalten, also ob ich so oder anders entscheide? Welche Möglichkeiten bietet eine Entscheidung, dem anderen doch noch einmal zu helfen, über die Hürde zu kommen, die notwendig ist? Vielleicht bietet eine solche Abwägung auch die Möglichkeit, Dinge einzubeziehen, die nicht unmittelbar etwas mit dem Gegenstand zu tun haben, um den es jetzt geht.

Natürlich stimme ich zu, dass alle den Erfolg Europas wollen und dass auch diejenigen, die sagen: „Wir können diesen Weg jetzt nicht mitgehen“, der Meinung sind, dass dies dazu dient, dass Europa vorankommt. Aber zur gleichen Zeit gilt auch, dass wir hier im deutschen Parlament nicht allein im luftleeren Raum entscheiden, sondern dass wir in Europa in einer Gemeinschaft sind, wo die Deutschen zwar ein bedeutendes Wort zu sagen haben, aber nicht allein sind. Hier gilt es abzuwägen, ob das, was wir erreicht haben, so weit trägt, dass wir sagen können: Jawohl, wir gehen diesen Weg mit.

Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass beim letzten Mal die Finanzminister in der Euro-Gruppe zu einem großen Teil anderer Meinung waren. Dieses Mal aber war die Meinung dahin gehend einheitlich, dass jetzt etwas erreicht worden ist, was tragfähig sein könnte. Deshalb kommt es auch darauf an, in diesem Europa zusammenzubleiben. Deswegen glaube ich, dass es viele gute Gründe gibt, diesem Antrag, den Wolfgang Schäuble erläutert hat, jetzt zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt sicher aber auch andere Gründe, zuzustimmen, etwa weil in diesem Europa Aufgaben vor uns liegen, die sich vielleicht als schwerer herausstellen könnten als die Aufgaben, die wir im Augenblick schon als schwer wahrnehmen. Wir sehen, dass Europa mit dieser gemeinsamen Entscheidung für Griechenland einen richtigen Weg beschritten hat, nämlich zusammenzubleiben und eine Lösung zu finden. Für die Menschen – das sage ich aufgrund meiner vielen Begegnungen und Erfahrungen aus meinem eigenen Wahlkreis – ist Griechenland ein Thema. Aber es wird nicht am Thema Griechenland, das für viele abstrakt ist, beurteilt werden, ob wir wirklich die Kraft haben, ein Problem anzupacken und zu lösen, sondern am Thema Flüchtlinge und Asyl, das den Menschen persönlich immer näher kommt. Hier wird es darauf ankommen, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern in Europa eine Lösung finden. Ich finde, Europa muss noch einmal einen energischen Schritt machen. Es kann nicht heißen: Jetzt haben wir uns mit Griechenland beschäftigt und sind froh, dass wir jetzt eine Lösung auf den Tisch gelegt haben, und jetzt ist erst einmal Atempause. – Es muss heißen: Die Gemeinsamkeiten, die wir für Griechenland gefunden haben, sind erst der Anfang, um auch Gemeinsamkeiten bei diesem zentralen und wichtigen Thema des Umgangs mit Flüchtlingen zu finden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es wird immer wieder in die Diskussion hineingebracht, dass die Deutschen in Bezug auf Griechenland besondere Forderungen haben und besonders streng sind. Herr Hofreiter, Sie haben vorhin gesagt, man wäre so streng gewesen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe gesagt: Es ist kein Kriterium! Ob es funktioniert oder nicht, das ist ein Kriterium!)

– Ja, aber ich sage Ihnen einmal: Ich bin felsenfest davon überzeugt, wenn die deutsche Bundesregierung in ihrer Verhandlungsführung nicht so streng gewesen wäre, hätten wir dieses Ergebnis heute nicht erzielt. Deswegen war dieser Weg notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auf der anderen Seite müssen wir sagen: Wir haben einen guten Kompromiss gefunden. Jetzt müssen wir in Europa verlangen, dass wir auch in den Asyl- und Flüchtlingsfragen zu einem Ergebnis kommen. Wenn schon international festgestellt wird, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufnimmt, während andere Länder in Europa dies nicht tun, dann ist das doch eine Herausforderung. Hier muss ich sagen: Europa wird seine Stärke nicht nur dadurch zeigen, dass wir jetzt in der Euro-Zone zusammenbleiben. Die Menschen werden die Stärke Europas suchen, wenn es darum geht, Möglichkeiten zu finden, die Probleme beim Thema Flüchtlinge und Asyl zu lösen, und nicht bei einem anderen Thema.

Hierzu kann ich nur aus leidvoller Erfahrung sagen – es gibt einige Kollegen, die dies miterlebt haben –: Als 1991/92 die Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern enorm gestiegen sind, haben wir uns eine parteipolitische Diskussion geleistet, die zu verheerenden Ergebnissen geführt hat. Erst nachdem wir uns diese Diskussionen geleistet haben, sind wir in die Lage gekommen, miteinander einen guten Kompromiss zu finden.

(Zurufe von der LINKEN)

Deswegen sage ich auch im Hinblick auf die eine oder andere aktuelle Äußerung: Ich rate allen dringend dazu, das Thema Flüchtlinge und Asyl nicht zu einem parteipolitischen Kampffeld zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dazu ermahne ich alle.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal mit der CSU gesprochen? Mit Herrn Seehofer? – Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])

– Es würde mich schon enttäuschen, wenn dieser Appell so endete wie jetzt bei Ihnen, Frau Kollegin. Ich habe doch gerade darauf hingewiesen, dass wir versuchen müssen und sollen, gemeinsame Lösungen zu finden. Das ist nicht nur ein Thema der Bundesregierung, das ist nicht nur ein Thema des Deutschen Bundestages, sondern das ist auch ein Thema des Bundesrates und der Bundesländer. Das ist ein Thema, das uns alle bewegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen setze ich schon darauf – dafür wäre ich sehr dankbar –, dass wir hier, in dieser Demokratie, bei einer Herausforderung, die nicht nur CDU/CSU, SPD und andere betrifft, sondern alle betrifft, die Regierungsverantwortung in diesem Land haben, zu gemeinsamen Lösungen und Beschlüssen kommen und damit Europa zeigen: So wie wir handlungsfähig sind, so muss auch Europa handlungsfähig werden.

Wir haben jetzt beim Thema Griechenland schwierige Diskussionen auch gerade in meiner Fraktion. Aber ich sage Ihnen: Letztlich werden wir daran gemessen, ob wir das Thema Asyl und Flüchtlinge sachgerecht lösen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Carsten Schneider ist der nächste Redner für die SPD- Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5629388
Wahlperiode 18
Sitzung 118
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta