19.08.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 118 / Tagesordnungspunkt 1

Gesine LötzschDIE LINKE - Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier häufig das Wort „Solidarität“ gebraucht worden. Uns als Linken ist vorgeworfen worden, wir wären nicht solidarisch mit Griechenland.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Zu Recht!)

Ich werde Ihnen einmal sagen, was wirkliche Solidarität mit Griechenland bedeuten würde, nämlich eine echte Schuldenerleichterung; wenn Sie schon das Wort „Schuldenschnitt“ nicht über die Lippen bekommen. Das würde echte Solidarität bedeuten.

(Beifall bei der LINKEN)

Solidarität mit Griechenland bedeutet, echte Investitionen zu ermöglichen, zum Beispiel aus unseren immensen Zinsgewinnen. Das wäre Solidarität.

(Beifall bei der LINKEN)

Solidarität hieße: Respekt vor den demokratischen Institutionen in Griechenland statt Erpressung und Entmündigung. Das ist Solidarität.

(Beifall bei der LINKEN)

Man muss dieser Regierung auch einmal Zeit zum Arbeiten geben. Sie ist seit sechs Monaten im Amt. Am Sonntag war die Wahl, am Montag haben sie angefangen, zu regieren. Gucken Sie sich einmal an, wie das in Deutschland ist: Da fängt eine Regierung nach sechs Monaten im besten Fall an, zu arbeiten. Ich finde, das muss man anerkennen. Man muss ihnen die Gelegenheit geben, ihre Programme durchzusetzen. Man sollte nicht so tun, als müsse man Syriza und Herrn Tsipras überreden, die Reichen im Land zu besteuern. Das war ein zentraler Punkt seines Wahlprogramms. Alles andere, was hier behauptet wird, ist eine Diffamierung dieser Partei und dieser Regierung, und das lassen wir nicht zu.

(Beifall bei der LINKEN – Norbert Spinrath [SPD]: Aber sie haben es nicht gemacht!)

Ich sage Ihnen: Solidarität bedeutet nicht, Griechenland ein Programm aufzuzwingen, das wirtschaftlich fatal ist, das Sozialabbau und Privatisierungen erzwingt. Das ist keine Solidarität, sondern das Gegenteil von europäischer Solidarität.

(Beifall bei der LINKEN)

Bereits mit dem ersten und dem zweiten sogenannten Hilfspaket hat die Bundesregierung Griechenland an den wirtschaftlichen Abgrund geführt. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache – ich nenne Ihnen nur zwei –: Die Kindersterblichkeit in diesem europäischen Land ist um 43 Prozent gestiegen, und über 3 Millionen Menschen haben keine Krankenversicherung. In Griechenland herrscht ein humanitärer Notstand. Dieses Land braucht wirkliche Hilfe und keine Kürzungsdiktate.

(Beifall bei der LINKEN – Petra Hinz [Essen] [SPD]: Deswegen stimmen Sie dagegen!)

Wir hier in Deutschland haben es 2008 doch ganz anders gemacht; das wissen auch Herr Schäuble und Frau Merkel. Wir haben in der Finanzkrise 2008/2009 eine völlig entgegengesetzte Entscheidung getroffen. Auf Vorschlag der Linken – ursprünglich kam er von der Linken, wurde dann aber von anderen übernommen – wurde in Deutschland ein großes Investitionsprogramm gestartet. Hinzu kamen die Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes und die Einführung der Abwrackprämie.

(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das war auch von Ihnen? Ich glaube es ja!)

Ich frage Sie alle: Warum haben die Kanzlerin und der Finanzminister Griechenland eine Medizin verschrieben, die sie für Deutschland nie akzeptiert hätten?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem Misserfolg der ersten beiden Programme hätte sich die Bundesregierung doch sagen müssen: Stopp, das läuft falsch; hier müssen wir etwas tun. Wenn eine Medizin bei einer Krankheit nicht wirkt, dann ist es doch absolut absurd, zu sagen, dass diese Krankheit dadurch bekämpft wird, dass diese Medizin in fünffacher Dosis verschrieben wird. Nein, wir sagen: Diese falsche Medizin muss endlich abgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen noch ein Wort zu unseren Zinsgewinnen: Diese Zinsgewinne haben dazu beigetragen, dass wir hier in Deutschland etwas erreichen konnten, womit sich der Finanzminister gerne schmückt, nämlich die berühmte schwarze Null. Dass diese schwarze Null zu einem großen Teil aus Zinseinsparungen infolge der Schuldenkrise resultiert, haben nicht wir ausgerechnet, sondern das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle berechnet, gewiss keine Vorfeldorganisation der Linken.

Wir haben von der Griechenland-Krise bisher profitiert. Das ist das Gegenteil von Solidarität. Ich finde, wahre Solidarität besteht darin, Programme aufzulegen, die erstens die europäische Idee und den europäischen Zusammenhalt stärken und zweitens dafür sorgen, dass in Griechenland die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Das, was jetzt beschlossen wurde, ist eine große Hilfe für die Banken, die mit Steuergeldern gerettet wurden, und auch eine Hilfe für die herrschende Politik hier in Deutschland. Jeder muss wissen, worüber wir abstimmen. Wir stimmen nicht über Hilfen für Griechenland ab, sondern über ein böses Spiel mit den Menschen in Griechenland, und dagegen wird die Linke immer kämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5629442
Wahlperiode 18
Sitzung 118
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland
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