19.08.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 118 / Tagesordnungspunkt 1

Gerda HasselfeldtCDU/CSU - Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur einige wenige Bemerkungen in die Debatte einwerfen.

Erstens. Die griechische Regierung und das griechische Parlament haben inzwischen offensichtlich den Ernst der Lage erkannt. Sie sind zu Reformen bereit, ja, sie haben mittlerweile sogar im Vorgriff auf das Verhandlungsergebnis eine ganze Reihe von Gesetzen beschlossen. Das alles zeigt: Athen hat begriffen, worum es geht. In Athen wird verstanden, dass es keinen schmerzfreien Weg aus dieser Schuldenkrise in Griechenland gibt. Ich finde, es ist an der Zeit, dass auch die Linke bei uns im Parlament dies endlich begreift.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweite Bemerkung. Es bleibt bei dem wichtigen Grundsatz: Europäische Solidarität kann es nur in Verbindung mit den notwendigen nationalen Reformen geben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das darf nicht nur auf dem Papier stehen; denn dafür gibt es gute Gründe:

Erstens wird das Programm keinen Erfolg haben, wenn nicht auch zügige Reformen durchgeführt werden, Reformen, die dazu geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wiederherzustellen, die aber auch dazu geeignet sind, den Staat wieder in Ordnung zu bringen und effizient zu gestalten.

Zweitens ist Europa keine Schuldenunion.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)

Solidarität bedeutet nicht Übernahme der Schulden und Vergemeinschaftung der Schulden.

(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: 27 Prozent!)

Nicht zuletzt deshalb haben wir uns in unserer Fraktion seit Jahren immer wieder erfolgreich dagegen gewehrt – das haben wir auch europäisch durchgesetzt –, dass es Euro-Bonds und eine Vergemeinschaftung der Schulden gibt. Jedes Land muss seine Hausaufgaben selbst machen. Es erfährt vorübergehende Hilfe von uns, aber die Hausaufgaben müssen selbst gemacht werden. Deshalb kann es keinen Verzicht auf die notwendigen Reformen geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Drittens. Die Ergebnisse in Spanien, in Portugal, in Irland zeigen doch, dass dieser Weg – Solidarität in Verbindung mit den notwendigen nationalen Reformen – richtig und erfolgreich war. Auch die harte Haltung in Griechenland zeigt, dass dies notwendig ist. Wir haben ja in Griechenland erlebt, dass dann, wenn der Reformdruck weg ist, wenn frühere Reformen zurückgenommen werden, die wirtschaftliche Entwicklung und die Stabilität des Landes nachlassen und die Probleme für die Menschen größer werden. Nur durch den Druck, der in den letzten Monaten erzeugt wurde, hat sich auch in Griechenland etwas bewegt. Auszahlungen sind nicht erfolgt, weil Verabredungen nicht eingehalten wurden. Europa hat sich nicht erpressen lassen. Wir haben der griechischen Regierung damals nicht nachgegeben. Nur deshalb war es auch möglich, dass in der griechischen Regierung und im griechischen Parlament das notwendige Umdenken eingesetzt hat, das die Grundlage für dieses Programm ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das trägt eindeutig die deutsche Handschrift. Unser Bundesfinanzminister und unsere Bundeskanzlerin haben hieran maßgeblich mitgewirkt. Sie haben sich deshalb – ich sage das mit voller Überzeugung – um die Stabilität unserer gemeinsamen Währung, um dieses gemeinsame europäische Haus große Verdienste erworben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine weitere Bemerkung, meine Damen und Herren. Dieses Programm ist geprägt von strengeren Auflagen, von strengeren, intensiveren, engmaschigeren Kontrollen. Es wurde in verschiedenen Debattenbeiträgen schon darauf hingewiesen; deshalb brauche ich das nicht zu wiederholen. Ich sage nur: Das war und ist auch notwendig, und zwar deshalb, weil durch die verlorenen sechs Monate in diesem Jahr, durch das bisherige Versäumen von Reformen durch die griechische Regierung die Situation nicht besser, sondern schlechter geworden ist. Es ist auch notwendig, strengere, engmaschigere Kontrollen zu machen, weil das Vertrauen in den letzten Monaten durchaus gestört wurde; da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Dieses Vertrauen, das zerstört wurde, muss jetzt wieder aufgebaut werden. Das ist Sache der griechischen Regierung, und ich hoffe sehr, dass wir da nicht enttäuscht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Eine vierte Bemerkung will ich machen. Sie betrifft die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds. Wir sind fest davon überzeugt, dass der IWF auch künftig mit an Bord sein muss. Der Internationale Währungsfonds hat große, jahrzehntelange Erfahrung in der Bewältigung von Staatsschuldenkrisen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)

Der Internationale Währungsfonds hat eigene Regeln, er hat einen unabhängigeren Blick als die europäischen Beteiligten.

(Lachen des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus all diesen Gründen ist die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds auch künftig notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Bundesfinanzminister hat vorhin auf die verfahrensmäßigen und rechtlichen Probleme hingewiesen. Der IWF war an allen Verhandlungen beteiligt, und er hat das Verhandlungsergebnis auch begrüßt. Das ist eine ganz wesentliche Grundlage für alles, was weiterhin kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir werden das, was Griechenland zu erledigen hat, bei der ersten Überprüfung im Herbst gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds sehr genau überprüfen und bei dieser Gelegenheit auch über mögliche Schuldenerleichterungen sprechen. Man kann über Fristen, über Laufzeiten sicherlich reden; aber ein nominaler Schuldenschnitt verbietet sich nicht nur rechtlich, sondern ist auch politisch nicht geboten. Wir wollen und wir brauchen keine Schuldenunion in Europa.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nun bleibt – das ist meine letzte Bemerkung – die Frage: Behindert dieses Programm eventuell Investitionen und Wachstum? Trägt es dazu bei oder nicht? Ich will zunächst einmal feststellen: Ein solches europäisches Rettungsprogramm – das gilt nicht nur für dieses hier – ist kein Investitionsprogramm, sondern ein Programm, das dazu dient, dass sich das jeweilige Land wieder am Kapitalmarkt finanzieren kann. Der Zugang zu den Kapitalmärkten ist das Ziel dieses Programms,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)

und dazu wird befristete Hilfestellung geleistet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nun frage ich Sie: Wer wird denn in einem Land investieren, in dem der Staat nicht funktioniert, in dem die rechtsstaatlichen Fundamente nicht vorhanden sind, in einem Land, das verschuldet ist? Ich sage Ihnen: Niemand!

Das hat auch die Situation in Griechenland in den letzten sechs Monaten gezeigt. Die Grundvoraussetzung für Investitionen sind doch nicht irgendwelche Programme, sondern die Grundvoraussetzung für Investitionen ist, dass der Staat funktioniert, dass er verlässlich ist, dass es einen verlässlichen, funktionierenden Staatsaufbau und ein Staatswesen gibt, durch das sich auch wettbewerbsfähige Wirtschaft entfalten kann.

Genau da setzt dieses Programm mit an, nämlich durch Auflagen hinsichtlich verschiedener Reformen im Arbeitsmarktbereich, im Steuerbereich, im Verwaltungsbereich, im Rentenbereich und in vielen Bereichen mehr. Das – und nicht allein irgendein Programm – ist der Schlüssel zu Investitionen. Die Strukturen müssen wieder so gesetzt werden, dass sich Investitionstätigkeit abspielt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand hier im Haus macht sich die Entscheidung leicht. Wir haben ja nicht nur gestern und heute gerungen, sondern wir diskutieren seit langem immer wieder über die Frage: Wie können wir die Probleme in Griechenland gemeinsam lösen?

Für mich gilt:

Erstens. Das Prinzip Solidarität und Eigenverantwortung ist in diesem Programm nicht nur gewahrt, sondern besonders stark ausgeprägt.

Zweitens. Die Auflagen sind strenger, stringenter. Die Kontrolle ist engmaschiger, was auch notwendig ist.

Drittens. Die Hartnäckigkeit der Bundesregierung hat sich bewährt. Sie hat dazu geführt, dass in Griechenland ein Umdenken stattgefunden hat.

Viertens. Dieses Programm ist ein gemeinsames, europäisches Programm, dem alle europäischen Länder zustimmen.

Mit all seinen Maßnahmen bietet dieses Programm eine gute Chance für Griechenland, die Staatsschuldenkrise zu bewältigen. Es ist eine gute Grundlage für eine weitere positive wirtschaftliche und politische Entwicklung in Europa, ja, für weitere wirtschaftliche und politische Stabilität in Europa. Dies brauchen wir, wenn wir die anderen Probleme, die gerade angesprochen wurden, wie beispielsweise die Asylproblematik, gemeinsam lösen wollen. Deshalb empfehle ich Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Ruhig bleiben, Sven!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5631346
Wahlperiode 18
Sitzung 118
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland
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