19.08.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 118 / Tagesordnungspunkt 1

Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland

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Ich habe mich erst einmal vergewissert, wer hinter mir sitzt. – Herr Präsident! Liebe Kollegen! Der Grundtenor der Debatte, die wir heute führen, von all denen, die sich für das dritte Rettungspaket aussprechen, lautet: Athen hat verstanden.

(Johannes Kahrs [SPD]: Herr Willsch nicht!)

Nun glaube ich, dass man keine große Mühe braucht, um da ein bisschen Wasser in den Wein zu schütten. Ich bin bei diesem Freitag nicht dabei gewesen, Herr Finanzminister, als es ja wohl so eine Art Pfingsterlebnis gegeben hat. Es ist zwar nicht der Heilige Geist, aber offenbar der stabilitätspolitische Geist ausgegossen worden. Nun müssen wir einmal überprüfen, ob das wirklich eine breite Erscheinung ist oder ob das ein Momenteindruck war.

Ich höre nach wie vor von Tsipras, dass er gegen das spricht, was vereinbart worden ist; er sei dazu erpresst worden. Ich lese in der Zeitung von seinem Vertrauten – das ist also keiner von denen, die sich jetzt abspalten wollen, sondern sein Vertrauter, Staatsminister Nikos Pappas –:

Dann geht es weiter:

Es ist uns als wichtiger Erfolg verkauft worden, dass diese Reform durchgeführt worden ist; hier wird angekündigt, dass sie wieder konterkariert werden wird. – Dann geht es weiter:

Ein dankbarer Schuldner klingt in meinen Ohren ein bisschen anders, und dass hier wirklich der Reformwille mit Gewalt um sich gegriffen hätte, kann ich daraus auch nicht ablesen.

Kollege Stübgen hat es dankenswerterweise angesprochen: Wir erwarten die Vertrauensabstimmung in Kürze, vielleicht schon morgen, wenn hier alles in trockenen Tüchern ist und die ersten Milliarden überwiesen sind. Sie wird Herr Tsipras nach allen Vorhersagen, die man aus Griechenland so hört, verlieren, und dann gehen wir in den Wahlkampf.

Was Wahlkampf in Griechenland heißt, das haben wir dieses Jahr doch schon zweimal erlebt, einmal beim Wahlkampf für das Referendum, das im Übrigen zum Gegenstand hatte, dass Herr Tsipras die Bevölkerung aufgerufen hat, Nein zu sagen zu einem Reformpaket, und auch im Januar/Februar, als das Parlament neu gewählt wurde. Auch da ging es nicht gerade schonend und mit weichen Bandagen zu, sondern es wurde hart gekämpft.

Das liegt auch ein wenig im Wesen des politischen Systems von Griechenland. Im Wahlkampf muss man eine Mehrheit für sich gewinnen, um danach Regierungsämter zu bekommen und seine Hintersassen mit Regierungsposten und Posten in der staatlichen Industrie zu versorgen.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was ist das für ein Verständnis, wie Sie das übersetzen!)

Deshalb ist das immer eine entscheidende Phase. Dass in dieser Zeit der IWF überprüfen soll, ob in Griechenland alles gut läuft: Mit Verlaub, da fehlt mir wirklich der Glaube, dass das realistisch ist.

Wir alle – Sie genauso wie ich – werden doch von vielen Menschen angeschrieben und angesprochen, die dafür nur noch ein Kopfschütteln übrig haben. Ich meine auch: Wenn man – jetzt übertrage ich die normale Lebenserfahrung auf die Politik – zweimal mit Anlauf mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist, dann sollte man einmal gucken, ob es nicht irgendwo eine Tür gibt. In diesem Fall ist die Tür der Grexit. Das haben Sie, Herr Finanzminister, vor den Verhandlungen am letzten Freitag erfreulicherweise sehr ordentlich vorgetragen.

Griechenland wird es im Euro-Raum nicht schaffen. Wir werden es nicht schaffen, die Euro-Zone mit Gewalt gegen den Willen der Bevölkerungen zusammenzuhalten, wenn wir es nicht zulassen, dass die Euro-Zone atmen kann. Das heißt, dass Griechenland den Euro-Raum verlässt und mit einer eigenen Währung die notwendigen Strukturanpassungen währungspolitisch flankieren kann. Nach einer harten Anpassung und Rezession wird es ein Wachstum erleben, weil der Import zurückgeht und der Export anzieht. Viele Touristen werden kommen, da der Urlaub in Griechenland günstiger wird. Anders wird es nicht funktionieren.

Ich will noch eines zu der Frage sagen: Wer zahlt das alles? In diesem Zusammenhang ist die neue Definition von Schuldentragfähigkeit ziemlich gefährlich. Wenn wir eine Grenze von 15 Prozent für Ausgaben für akzeptabel halten, dann haben wir es in der Hand, immer neue Kredite zu geben. Durch eine beliebige Verlängerung des tilgungsfreien Zeitraums können wir die Schuldentragfähigkeit von außen mit Pseudokrediten herstellen.

Was wir wirklich machen, wenn wir Kredite gewähren und Laufzeiten um 30 oder 50 Jahre erhöhen, ist eine Schenkung und nichts anderes. Das ist natürlich ein Verstoß gegen das, was wir den Menschen versprochen haben: Jeder in der Währungsunion muss für seine Schulden selbst aufkommen. Es gibt kein Bail-out.

Herr Kollege.

Zahlen – das ist der letzte Satz, Herr Präsident – werden das nicht einmal mehr unsere Kinder, sondern deren Kinder und Enkel. Über 2 Billionen Euro an Schulden haben diese Menschen abzutragen, und jetzt packen wir noch Schulden anderer drauf. Das ist den nachfolgenden Generationen gegenüber unverantwortlich. Sagen Sie bitte Nein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Letzter Redner in der Aussprache ist der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5631517
Wahlperiode 18
Sitzung 118
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung Stabilitätshilfe für Griechenland
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