Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Besuchertribünen! Bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, möchte ich ein Wort zu Ihnen sagen, Herr Dr. Nüßlein. Sie haben beim Thema Parität erklärt, dass wir an der Gesetzgebung zu diesem Thema beteiligt gewesen wären, die CDU/CSU hingegen nicht. – Nein, das stimmt so nicht. Wer bei der Gesetzgebung zu diesem Thema immer dabei war, war die CDU/CSU. Als wir mit Rot-Grün in der Regierungsverantwortung waren, war die Frage, wie wir die Unterstützung des Bundesrates zur Änderung der vollparitätischen Finanzierung bekommen. Sie waren also auch beteiligt. Sie waren also immer mit im Boot, als es um die Frage der Parität ging.
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Wir beklagen sie auch nicht!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden heute über den dritten Haushalt der Großen Koalition. Ich muss sagen: Ich fand es sehr interessant, was die Fachkolleginnen und Fachkollegen gesagt haben. Das, was Sie im zurückliegenden Jahr – ich rede nicht von den letzten zwei Jahren, sondern in der Tat vom zurückliegenden Jahr – hier an Gesetzen verabschiedet und umgesetzt haben, was eine Anhörung und Beratung im Ausschuss voraussetzt, ist eine großartige Leistung. Egal wie Sie abgestimmt haben: Unter dem Strich haben Sie sich mit der gesamten Thematik des Gesundheitswesens beschäftigt. Als Haushälter muss man einfach einmal sagen: Das ist eine großartige Leistung.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herzlichen Dank!)
In den zurückliegenden Haushalten haben wir uns, als zum Beispiel der Haushalt 2014 eingebracht worden ist, die Frage gestellt: Wie gehen wir mit der Finanzierung der AIDS-Stiftung um? Dieser Herausforderung haben wir im Haushalt Rechnung getragen. Nichtsdestotrotz bleibt das Thema auf der Tagesordnung. Wie wird es hier in der Perspektive langfristig weitergehen? In den Haushaltsberatungen stellt sich also die Frage: Welche Gespräche haben Sie dazu geführt?
Erinnern wir uns – auch das hat gerade der Gesundheitsminister, Herr Gröhe, angesprochen – an das Thema Ebola. Im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2015 haben wir uns in wirklich jeder Sitzung des Haushaltsausschusses, aber haben auch Sie sich in den Fachausschüssen mit dem Thema Ebola beschäftigt. Jetzt hört man nichts mehr, sehr wenig oder nur noch punktuell davon, wenn man nachfragt. Was ist aus diesem Thema geworden? Steht jetzt nur noch die Flüchtlingshilfe im Vordergrund? Gibt es das Problem Ebola jetzt nicht mehr? Was passiert in den Krisenregionen? Was ist aus den Maßnahmen geworden, die wir angeschoben haben? Das sind Fragen, die wir im Rahmen der Haushaltsberatungen auf jeden Fall stellen werden.
Da müssen wir auch noch einmal darauf sehen, ob das, was wir in der Krisensituation geleistet haben, tatsächlich auch Bestand für andere Zeiten – über diesen Haushalt hinaus – hat.
Haushalt 2016: Heute ist der erste Tag der Haushaltsberatung mit der Einbringung des Haushaltes. Ich glaube, jeder Rednerin und jedem Redner ist es wirklich ein Herzensanliegen, noch einmal die Situation der Flüchtlinge – der Menschen, die aus der Krise herauskommen – deutlich zu machen und auch deutlich zu machen, wie stark uns das bewegt. Dabei wird jeder sicherlich ganz unterschiedliche Schwerpunkte mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen haben. Unterm Strich aber beschäftigt es uns sehr, und es liegt uns allen insgesamt am Herzen. Das ist vor allem so, wenn man die Kinder sieht, die ohne Familie, ohne Eltern bzw. Erwachsene flüchten, hier stranden und mit ihren Sorgen und Nöten – das geht bis hin zu Traumata – fertig werden müssen. Damit müssen wir umgehen.
Dieses Umgehen heißt für uns auch, in Bezug auf den Einzelplan 15 des Haushalts – er betrifft den Gesundheitsbereich – zu fragen: Wie gehen wir mit den Menschen um, die nach Flucht und Vertreibung aus Krisenregionen hierher kommen? Das sind nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge. Vielmehr ist es so, dass sich die Menschen – das muss man sich einfach noch einmal bewusst machen – in ein Gummiboot setzen, dann über Stunden und Tage hinweg über das offene Meer fahren, um irgendwo zu landen, wo sie Frieden und Sicherheit haben. Da ist die Frage: Wie nehmen wir diese Menschen auf?
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Also, für mich stellt sich in Bezug auf unseren Gesundheitsetat schon die Frage: Wie viel von den 6 Milliarden Euro bleibt denn tatsächlich bei uns im Gesundheitsetat hängen? Wie werden wir das in unserem Etat wiederfinden? Das heißt, dass schon deutlich gesagt werden muss, dass es nicht nur um die Frage des Durchimpfens geht. Auch geht es nicht nur um die Frage, dass wir ihnen – das ist natürlich so – Schutz und im Notfall eine Versorgung bieten. Für mich stellt sich aber – so wie es mein Kollege gerade deutlich gemacht hat – auch die Frage: Was ist mit der Gesundheitskarte? Wir müssen doch eine Antwort auf diese Frage finden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insofern hoffe ich auch, dass im Rahmen des Bund-Länder-Gipfels ein entscheidender Durchbruch kommt. Wir fordern eindeutig, dass es hier eine klare Positionierung zur Gesundheitskarte geben wird.
(Beifall bei der SPD)
Das waren – erst einmal grob dargestellt – die Themen allgemein. Der Haushalt beschäftigt sich aber auch noch mit vielen anderen Dingen. Das haben Sie, liebe Fachkolleginnen und Fachkollegen, in dem zurückliegenden Jahr auch sehr deutlich gemacht.
Was die Größe des Haushalts anbelangt: Wir reden in der Tat nicht über den größten Haushalt, aber über einen, der die Menschen insgesamt betrifft. Gesundheit, Krankheit und Pflege gehen uns alle an. Auch Vorsorge und Prävention sind Themen, die uns insgesamt beschäftigen. Insofern geht es nicht um die Größe des Haushaltes, sondern um die Fragen: Was machen wir mit dem, was uns zur Verfügung steht? Und setzen wir in der Tat da die richtigen Prioritäten?
Wir haben im Haushalt 86,4 Millionen Euro in Bezug auf die Setzung von Schwerpunkten erstens im Bereich von Prävention und Aufklärung bzw. zweitens der Organspendekampagne. Auch da wird noch einmal kritisch nachgefragt werden. Wir haben im Jahr 2014 – als es in den Krankenhäusern den einen oder anderen Missstand im Rahmen der Organvergabe gab – dieses Geld noch einmal aufgestockt. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Dabei ging es – drittens – um die Aids- und Drogenaufklärung sowie – viertens – um die Bekämpfung von Diabetes. In diesem Zusammenhang rede ich nicht nur über den Diabetes Typ 2, Altersdiabetes, sondern, was ja viel schlimmer ist, über Diabetes bei jungen Menschen bzw. Kindern, die aufgrund falscher Ernährung und nicht vorhandener Aktivitäten im Sportbereich – nicht vorhandener Aktivitäten überhaupt – krank werden. Was die Bekämpfung von Diabetes angeht, ist auch der Aspekt von Migration und Integration diesmal im Haushalt nachzulesen.
Fünftens geht es um die Förderung von Maßnahmen im Bereich der Kindergesundheit und sechstens im Bereich der Pflege bzw. Pflegeberufe. Da haben wir – haben Sie –, denke ich, eine ganze Menge auf den Weg gebracht. Das ist so, wenn ich sehe, wie jetzt die Fragen von Pflege und Demenz angegangen werden. Das war längst überfällig und ist jetzt, denke ich, auch zu Recht auf den Weg gebracht worden. Nichtsdestotrotz werden wir auch da nachfragen: Ist das, was mit dem Gesetz auf den Weg gebracht worden ist, das Einzige? Und was ist darüber hinaus noch im Haushalt zu finden? Gibt es da Überschneidungen? Gibt es da möglicherweise Dinge, die verändert werden müssen?
Siebtens geht es um die Frage der internationalen Zusammenarbeit. Auch die haben wir immer wieder sehr deutlich und sehr intensiv diskutiert, wenn es um die Frage ging: Leisten wir genug, wenn wir einen Pflichtbeitrag leisten? Oder soll es darüber hinaus auch freiwillige Maßnahmen geben? Das wird sicherlich auch noch einmal ein Thema dieser Haushaltsberatungen sein.
(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich möchte gerne bezüglich des Haushaltes noch zwei oder drei Punkte aufgreifen. Einmal geht es um Prävention und Kindergesundheit. Das liegt, denke ich, allen Gesundheitspolitikern gerade in dieser Legislatur sehr am Herzen. Wir haben in diesem Bereich den Titel „Kinderprävention“ der letzten Koalition, der eigentlich ausgelaufen wäre, reaktiviert. Wir haben ihn wieder neu mit Geld versehen. Das soll in dieser Form verstetigt werden.
Ich möchte zum Thema Prävention und Kindergesundheit hervorheben, dass die Drogenbeauftragte, Frau Mortler, in der Sommerpause Schulklassen bereist hat, die an dem Programm Klasse 2000 teilnehmen. Unter anderem war sie auch in meinem Wahlkreis. Wir haben uns angesehen, was unter dem Stichwort „Klasse 2000“ umgesetzt wird. Ich muss sagen: Großartiges.
Die Grundschule in meinem Wahlkreis hat uns in ganz großartiger Weise gezeigt, wie wichtig das für die Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse ist. Ich weiß, dass es auch im Kitabereich Projekte gibt. Aber was ist mit den jungen Erwachsenen danach, wenn sie zur weiterführenden Schule gehen und Fragen im Zusammenhang mit der Pubertät usw. dazukommen?
Es gibt also noch eine ganze Menge Punkte, wo wir im Rahmen der Haushaltsberatungen genau hinsehen werden. Den Punkt Suchthilfe, Methadontherapie und sonstige Programme will ich aus Zeitgründen nicht ansprechen.
Ein weiterer Schwerpunkt, der mir auch sehr am Herzen liegt, sind Menschen mit Behinderung.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Wenn man als gesunder Mensch krank wird, ist das schon schlimm. Aber wenn man behindert ist, ist das noch eine sehr viel größere Herausforderung, der wir uns stellen. Wir haben in dem aktuellen Haushalt für 2015 Gelder für den Bereich Special Olympics bereitgestellt. Ich habe in diesem Zusammenhang genauer hingesehen und auch mit Ärzten gesprochen. Dabei habe ich gelernt, dass intellektuell behinderte Menschen bzw. Menschen mit Downsyndrom fast nie einer Augenuntersuchung unterzogen werden. 80 Prozent der Kinder und jungen Erwachsenen unter den Menschen mit intellektueller Behinderung werden gar nicht untersucht. Das heißt, sie können teilweise nicht etwa deshalb nicht arbeiten, weil sie nicht arbeiten könnten, sondern weil sie nicht gut sehen.
Im Rahmen der Special Olympics sind täglich 250 Athletinnen und Athleten untersucht worden. Rund 100 Brillen sind jeden Tag angefertigt worden. Das sollte uns auf jeden Fall interessieren, und da sollten wir genauer hinsehen.
(Beifall im ganzen Hause)
Ich möchte gerne noch einen anderen Punkt ansprechen, und zwar die Pflege im Umgang mit behinderten Menschen, die ins Krankenhaus kommen. Das gilt für Kinder wie für ältere Menschen, aber nehmen wir zunächst die Kinder, weil sie unseren besonderen Schutz benötigen. Zurzeit fehlt es noch an Assistenz. Die jungen Eltern können nicht jeden Tag der Arbeit fernbleiben, um beim Kind zu sein. Die Eltern müssen sicher sein, dass sie in diesem Bereich auf jeden Fall eine Assistenz haben, die dann, wenn sie zur Arbeit gehen oder anderen Aktivitäten nachgehen müssen, dafür sorgt, dass das Kind oder auch der ältere Mensch gut versorgt ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
All dies sind Themen, die wir im Rahmen dieser Haushaltsberatungen sicherlich aufgreifen werden.
Zum Schluss möchte ich unserer Staatsministerin Aydan Özoğuz ganz herzlich danken, die im Frühjahr dieses Jahres ins Kanzleramt eingeladen und dazu aufgerufen hat, die Charta der Vielfalt zu unterzeichnen. Im Rahmen dieser Veranstaltung sind sehr viele Maßnahmen gerade im Bereich der Migration und Integration besprochen worden, die wir jetzt in diesem Haushalt suchen werden. Wir werden darauf achten, ob sie tatsächlich in dieser Form umgesetzt werden.
Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Präsidentin. Mein Kollege Dirk Heidenblut und ich haben in der zurückliegenden Woche das Thema Hospiz und Palliativversorgung in unseren Wahlkreisen angesprochen. Es war eine großartige Veranstaltung, aber ganz zum Schluss hat uns eine Palliativmedizinerin mit auf den Weg gegeben: Wir müssen hier vor Ort in Berlin im Rahmen unserer politischen Aufgabe und Verantwortung darüber diskutieren, was uns der Mensch insgesamt im Bereich der Gesundheit und der Pflege wert ist. Es geht nicht darum, was es uns kostet, sondern darum, was uns Gesundheit und Pflege wert sind.
(Beifall bei der SPD)
Vor diesem Hintergrund werden wir insgesamt die Haushaltsberatungen durchführen, und ich möchte Sie, liebe Fachkolleginnen und Fachkollegen, dazu aufrufen, uns als Haushälterinnen und Haushälter in dieser Frage zu unterstützen.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als Nächste hat Elisabeth Scharfenberg, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5752210 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |