08.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 119 / Einzelplan 07

Harald PetzoldDIE LINKE - Justiz und Verbraucherschutz

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, für die linke Opposition bleibt es dabei: Der Einzelplan des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wird den Anforderungen, vor denen wir aktuell in der Justiz- und Verbraucherpolitik stehen, nicht gerecht.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Zuspitzend möchte ich sagen: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Ich werde Ihnen das an zwei Beispielen erläutern. Daran ändern auch zahlenakrobatische Spiele vom Kollegen Dr. Sensburg nichts, der uns in atemberaubender Logik vorgerechnet hat – eigentlich hätte er das in Zahlen viel kürzer sagen können –, um wie viel der Haushalt angewachsen ist.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ich wollte es verständlich sagen!)

Natürlich haben wir das nicht übersehen. Aber ich will Ihnen anhand meiner Beispiele deutlich machen, dass es in zentralen Punkten dieses Haushalts keine herausforderungsgerechte Ausfinanzierung gibt.

Ich beginne mit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter in Wiesbaden, die Deutschland auf der Basis des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe errichtet hat. Folter ist ein Grund, warum Menschen aus vielen Ländern nach Deutschland flüchten. Deswegen ist es gut, dass wir die Nationale Stelle haben. Es handelt sich um eine unabhängige nationale Einrichtung zur Prävention von Folter und Misshandlung. Sie erfüllt sehr wichtige Aufgaben und soll regelmäßig Orte des Freiheitsentzugs aufsuchen, um dort zu überprüfen, inwieweit Menschenrechte eingehalten werden bzw. erniedrigende Behandlung von Menschen stattfindet. Sie soll auf Missstände aufmerksam machen, Verbesserungsvorschläge unterbreiten und darüber unter anderem hier im Deutschen Bundestag berichten. Diese Stelle müsste eigentlich unangemeldet die entsprechenden Einrichtungen besuchen. Aber das kann sie aufgrund der personellen Ausstattung leider nicht tun.

An dieser Stelle sage ich: Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass diese Nationale Stelle in finanzieller Hinsicht nicht aufgabengerecht ausgestattet wird. Sie haben sich im vergangenen Jahr, Herr Bundesminister, feiern lassen, als Sie uns erklärten, dass der Bundesanteil auf 180 000 Euro aufgestockt werden soll. Sie legen uns nun erneut einen Haushalt vor, der diese Aufstockung nicht nachvollzieht. Das ermöglicht den Ländern die Ausrede, ihren Anteil nicht aufzustocken. Dabei ist gesetzlich vorgeschrieben, wie die Aufstockung zu erfolgen hat.

Somit ist die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter mit Sitz in Wiesbaden eben nicht ausreichend ausgestattet, und das ist für die Linke nicht akzeptabel. Wir werden beantragen, das zu ändern. Deutschland kritisieren im Übrigen auch die Vereinten Nationen, die in ihrer letzten Überprüfung auf diese finanzielle Ausstattung hingewiesen haben.

Der zweite Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte, ist der Umgang mit Stiftungen. Es gibt in Bonn die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, IRZ. Es ist gut, dass es diese Stiftung gibt; denn diese Stiftung berät unter anderem osteuropäische und südosteuropäische Länder in Sachen Demokratie und in Sachen Marktwirtschaft. Ich sage, auch dabei geht es darum, dass Menschen auf der Flucht nach Deutschland sind, und deswegen brauchen wir diese Beratung. Insofern ist es gut, dass diese Stiftung von der Bundesregierung mit Beträgen in Millionenhöhe gefördert wird und dass es im nächsten Jahr sogar eine Aufstockung der Finanzen dieser Stiftung auf 5,5 Millionen Euro geben wird.

Im Gegensatz dazu steht zum Beispiel die Arbeit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Diese Stiftung ist 2011 gegründet worden und finanziert sich lediglich aus den Erlösen des Stiftungskapitals. Die Zinsen sind im Moment so niedrig, dass die Erlöse, die die Stiftung erzielt, nicht einmal ansatzweise ausreichen, um die vielen Aufgaben, die die Stiftung erfüllt, finanzieren zu können.

Es ist wichtig und sehr gut, dass wir diese Stiftung haben; denn nichtheterosexuelle Orientierung, nichtheterosexuelle Identität stehen in Ländern wie Afghanistan, Irak oder Syrien entweder unter Strafe oder unter erheblicher gesellschaftlicher Ächtung und sind daher Fluchtgründe. Deswegen ist es gut, dass wir eine Stiftung haben, die sich um die Schaffung von Akzeptanz von Menschen mit einer nichtheterosexuellen Orientierung kümmert.

Die Projekte, die diese Stiftung umsetzt, sind unter anderem das Archiv der anderen Erinnerungen, wo das Unrecht durch Verurteilung nach § 175 StGB aufgearbeitet werden soll, zahlreiche Projekte zur Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Diversität sowie die aktive Bekämpfung von Homophobie, beispielsweise im Sport. Das Projekt „Fußball für Vielfalt“ will ich hier nennen. Bekannter Botschafter dieses Projekts ist etwa der ehemalige Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger. Hinzu kommen Hirschfeld-Tage und umfangreiche Publikationen, durch die Bildungs- und Aufklärungsarbeit geleistet wird. Diese Liste ließe sich fortsetzen.

Die Arbeit dieser Stiftung wird lediglich mit einem Geschäftsführer und gegenwärtig drei halben Referenten- bzw. Sachbearbeiterstellen geleistet. Der Rest ist Ehrenamt. Ich finde, das ist eine Ungleichbehandlung, die wir nicht akzeptieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage deutlich: Ich neide der IRZ überhaupt nicht die ihr zur Verfügung stehen Millionen, im Gegenteil. Meine Fraktionskollegin Frau Dr. Lötzsch, die im Kuratorium der IRZ sitzt, würde mir den Kopf abreißen, wenn ich an dieser Stelle etwas anderes sagen würde. Aber ich verlange eine Gleichbehandlung dieser Stiftung und damit entweder eine erhebliche Erhöhung des Stiftungskapitals für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung oder eine auskömmliche institutionelle Förderung.

Erlauben Sie mir, dass ich abschließend dem Geschäftsführer der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Herrn Litwinschuh, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für diese umfangreiche Arbeit für so wenig Geld danke. Ich denke, auch das ist einmal einen Beifall dieses Hauses wert.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Da kann sogar die Union klatschen. – Denn im Kuratorium dieser Stiftung sitzen sehr aktive und engagierte Mitarbeiter.

Last, but not least: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Der Einzelplan 07 wird aus unserer Sicht den Anforderungen nicht gerecht. Die Linke wird in den Ausschüssen entsprechende Änderungsanträge unterbreiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Mechthild Heil.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5752550
Wahlperiode 18
Sitzung 119
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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