Mechthild HeilCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute Politik muss nicht immer viel kosten. Mit rund 736 Millionen Euro hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den kleinsten Etat aller Ministerien. Ich sage „klein, aber fein“; denn gute Verbraucherpolitik hängt nicht immer von einem großen Budget ab. Sie hängt ab von einer guten Gesetzgebung – klar, gute Gesetzgebung; das hilft immer –; aber wir haben auch andere Mittel, um die Position der Verbraucher in Deutschland zu stärken. Das tun wir im Verbund mit vielen Initiativen aus der Zivilgesellschaft, von Verbänden und der Wirtschaft. Gemeinsam kommen wir da ein gutes Stück voran. Deswegen an dieser Stelle ihnen allen, die sie dabei helfen, einmal ein herzliches Dankeschön für ihre Arbeit und die wichtigen Beiträge, die sie uns im Bereich der Verbraucherpolitik liefern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])
Aber: Schuster, bleib bei deinem Leisten. – Wie sieht es mit unseren Aufgaben aus? Als Gesetzgeber haben wir die Weichen für mehr Verbraucherschutz gestellt. Wir haben die Marktwächter eingeführt, digitalen und finanziellen Verbraucherschutz damit auf den Weg gebracht. Das haben wir im Koalitionsvertrag so festgeschrieben, und so haben wir das auch umgesetzt. Heute stehen im Haushaltsplan dafür immerhin 10 Millionen Euro zur Verfügung. Und: Das Kleinanlegerschutzgesetz haben wir schon verabschiedet. Praktiken, wie sie Prokon in der Öffentlichkeit betrieben hat, wollen wir nicht mehr sehen. Auf manchen Märkten müssen Verbraucher halt mehr geschützt werden als auf anderen Märkten.
Die Umsetzung der ADR-Richtlinie – das Schlichtungsverfahren in Verbraucherangelegenheiten – steht noch vor uns. Mit der außergerichtlichen Streitschlichtung wollen wir aufwendige Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen und Verbrauchern vermeiden. Gerichte werden entlastet, und Kunden kommen unbürokratisch und kostengünstig zu ihrem Recht. Der Aufbau und der Betrieb der Schlichtungsstellen ist Sache der Länder. Inwieweit der Bund an dieser Stelle koordinierend eingreifen sollte, werden wir im weiteren Verfahren zu diskutieren haben. Mir liegt daran, im Sinne der Verbraucher bundesweit einheitliche Strukturen zu schaffen und die Schlichtungsstellen so schnell wie möglich und auch so flächendeckend, wie es irgend geht, ans Arbeiten zu bringen.
Welche Themen sind derzeit für Verbraucher interessant? Ich möchte Ihnen vier Themen nennen, die aktuell auch auf meiner Agenda stehen:
Da wäre zunächst einmal die Tachomanipulation zu nennen, die Tachomanipulation auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Nach Schätzungen vom ADAC ist jeder dritte Tacho manipuliert. Der dadurch entstandene Schaden beläuft sich jährlich auf rund 8 Milliarden Euro – 8 Milliarden Euro, die die Kunden zu viel bezahlen.
Was können wir dagegen unternehmen? Wie können wir die Verbraucher vor dieser offenbar weitverbreiteten Praxis besser schützen? Ich habe dazu die verschiedenen Akteure – Hersteller, Werkstätten, TÜV, Dekra und viele andere mehr – zu einem runden Tisch eingeladen, und gemeinsam haben wir darüber diskutiert und auch Maßnahmen erarbeitet.
An erster Stelle zu nennen sind härtere Strafen für die Manipulierer, aber auch eine Verpflichtung der Hersteller, sichere Chips einzubauen. Die Hersteller könnten das, aber seit Jahren und Jahrzehnten tun sie es nicht.
Das wichtigste Instrument: die Einführung einer Datenbank für die Laufleistung der Autos auf freiwilliger Basis. In Ländern wie Belgien oder den USA hat sich die Zahl der Missbrauchsfälle dadurch deutlich reduziert. Wie soll das genau funktionieren? Sobald man in eine Werkstatt fährt, zum TÜV, zur ASU, die Reifen wechseln lässt, eine Scheibe reparieren lässt, abgeschleppt wird, eine Panne hat, sich bei der Versicherung meldet oder was auch immer mit seinem Auto macht: Der Kilometerstand wird erfasst, und es wird freiwillig der Lebenslauf des Wagens gespeichert. Wenn der Wagen dann verkauft werden soll, hat man eine lückenlose Dokumentation. Eine Manipulation am Kilometerzähler wird deutlich erschwert.
Die CDU/CSU-Arbeitsgruppe Verkehr erarbeitet deshalb aktuell einen Gesetzentwurf oder eine Gesetzesänderung. Da kann ich als verbraucherpolitische Sprecherin nur sagen: Das ist eine klasse Zusammenarbeit mit den Kollegen. Vielen Dank dafür! Es ist auch wirklich eine gute Verbraucherpolitik, die wir da machen. Sie hilft den Verbrauchern direkt. Sie hilft den redlichen Händlern, sorgt für einen fairen Wettbewerb und verhindert natürlich auch Schäden an der Volkswirtschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich bin deswegen auch wirklich zuversichtlich, dass so den Käufern von Gebrauchtwagen oder Nutzern von Leasingfahrzeugen – in dem Bereich ist das auch ein großes Problem – konkret geholfen werden kann.
Ein weiteres Thema, das mich umtreibt, möchte ich gern ansprechen: die mangelnde Augenhöhe zwischen Anbietern und Kunden im Finanzmarkt. Wir haben in den letzten Jahren viele Maßnahmen ergriffen, um für die Verbraucher Licht ins Dunkel der Finanzanlagen zu bringen. Wir haben Informations- und Dokumentationspflichten für Unternehmen eingeführt. Wir haben über deren Haftung gesprochen. Das ging hin bis zur Einführung des Finanzmarktwächters oder des Kleinanlegerschutzgesetzes.
Ich möchte auf diesem Weg weitergehen, aber an einer anderen Stelle ansetzen, nämlich einen Schritt vorher, beim Verbraucher selbst. Die Altersvorsorge und sichere Geldanlagen sind von zentraler Bedeutung für jeden Verbraucher. Damit jeder Verbraucher entscheiden kann, was für ihn eine gute und sinnvolle Geldanlage oder Altersvorsorge ist, benötigt er gute und strukturierte Informationen.
Aber er muss auch mit den Informationen umgehen können, er muss sie verstehen und bewerten können. Verbraucherfinanzbildung – so möchte ich es einmal nennen – wird in den kommenden Jahren ein wichtiges Thema sein. Es gibt bereits viele Initiativen: von Finanzinstituten über Präventionsnetzwerke bis zu Schuldnerhilfen, die die Kompetenz der Verbraucher, insbesondere der jungen Verbraucher, stärken sollen und wollen. Das finde ich toll. Aber wer findet sich bei diesen ganzen Initiativen noch zurecht? Ich möchte deshalb – dafür werbe ich an dieser Stelle – eine zentrale Anlaufstelle im Internet schaffen, auf der man auf einen Blick die für seine Altersgruppe oder Lebensphase relevanten und vorhandenen Angebote finden kann. Das Ganze könnte FiWiKo heißen: Bundesnetzwerk Finanz- und Wirtschaftskompetenz. Wer könnte ein solches Portal betreiben? Ich denke, die Stiftung Warentest, Finanztest, wäre hierfür ein guter Ort, und ich finde, die Haushaltsberatungen sind eine gute Stelle, darüber zu diskutieren und nachzudenken.
Die Idee hat auch Einzug in ein Papier der CDU, in das Papier der Kommission für Nachhaltigkeit, gefunden. Unter der Leitung von Julia Klöckner wurde es erarbeitet und soll im Dezember auf dem Bundesparteitag verabschiedet werden. Ich hoffe, dass es so beschlossen wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte Ihnen einen dritten Bereich in der Verbraucherpolitik nennen, der mir wichtig ist. Er gehört zwar nicht direkt zum Einzelplan 07, ist aber Kern der Verbraucherpolitik. Das ist die Ernährungspolitik. Ich hatte vorhin gesagt, dass sich gute Politik nicht an der Höhe der Haushaltsmittel bemessen lässt. Gute Politik besteht auch nicht nur darin, Gesetze zu machen. Ich stimme deshalb Bundesernährungsminister Christian Schmidt zu, wenn er sagt, er wolle den Teller nicht mit Gesetzen vollpacken.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das lustig!)
Wir können unsere ernährungs- und gesundheitspolitischen Herausforderungen nicht nur mit Gesetzen und Verboten lösen. Werbeverbote, sei es für Kindernahrung oder für Genussmittel, sind für mich eindeutig der falsche Weg. Stattdessen wollen wir die Ernährungskompetenz stärken. Bundesminister Schmidt hat angekündigt, seine Bildungsinitiative im Bereich Ernährung für Kinder und Jugendliche auszubauen. Nur so können wir sie zu einem gesunden Lebensstil motivieren.
(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wir sind beim Einzelplan 07!)
Als vierten und letzten Bereich möchte ich den Bereich Digitalisierung ansprechen. Die Digitalisierung schreitet voran. Wir sehen einen Trend weg vom Eigentum hin zur Nutzung. Es wird verliehen, geteilt und wieder verkauft. Der Bereich der Share Economy wächst. Das Internet macht das Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern so leicht wie nie zuvor. So sind Carsharing oder Unterkunftsbörsen Modelle, die bereits heute von vielen Menschen genutzt werden. Das bringt viele Vorteile mit sich. So habe ich heute mehr Wahlmöglichkeiten, um von A nach B zu kommen. Aber es birgt auch Risiken. Uber und Co. stellen uns vor neue Fragen: Ist der Nachweis von Ortskenntnis notwendig, wenn ich ein Navigationsgerät habe? Wie muss der Sachkundenachweis gestaltet werden? Wie sind die Insassen im Schadensfall abgesichert? Wem gehören die erfassten Daten, und wie werden sie genutzt? Ganz neue Fragen stellen sich auch bei den Unterkunftsbörsen, die sich neben den traditionellen Hotels und Jugendherbergen etabliert haben: Ab wann handelt es sich um eine gewerbliche Nutzung? Wie sieht es im Schadensfall mit der Versicherung aus? – Uns als CDU/CSU-Fraktion sind diese Fragen wichtig. Sie müssen immer im Ausgleich der Interessen von Verbrauchern und Wirtschaft gelöst werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an den von mir genannten vier Beispielen können Sie sehen: Die Bereiche, die Verbraucherpolitik im 21. Jahrhundert umfasst, sind sehr vielfältig. Es gibt Themen, an die wir vor einigen Jahren überhaupt noch nicht gedacht haben. So befindet sich unsere Verbraucherpolitik in einem stetigen Wandel, bei dem wir immer abwägen müssen, wo Regulierung sinnvoll und notwendig ist und wo die Freiheitsrechte des Einzelnen zu stark beschränkt werden. Das gilt im Finanzmarkt genauso wie im Ernährungsbereich. Gute Verbraucherpolitik ist mehr als nur Verordnung, Gesetz und Haushaltsmittel. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Verbraucher und ihre Rechte zu stärken. Wir nutzen all diese Möglichkeiten. Wir nutzen sie erfolgreich. So sieht nachhaltige Verbraucherpolitik aus.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Maisch für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/5752573 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |