08.09.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 119 / Einzelplan 07

Volker UllrichCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Was sagt der Tacho?)

Die Debatte um die Rechtspolitik steht im Mittelpunkt der Diskussion um den Einzelplan 07, und sie ist auch stets eine Standortbestimmung in der Frage: Welche Defizite haben wir in der Rechtsetzung, und wo muss der wertgebundene und wehrhafte Rechtsstaat nachsteuern, um ein wesentliches Ordnungsmerkmal unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bewahren, nämlich Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten? Dazu gehört, dass wir in der nächsten Sitzungswoche bereits den Gesetzentwurf über die Speicherung von Verbindungsdaten verabschieden.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird den Rechtsstaat retten!)

Wir haben stets darauf hingewiesen, dass zur Aufklärung schwerer und schwerster Straftaten der wehrhafte Rechtsstaat Ermittlungsansätze nutzen muss, die sich in der digitalen Sphäre befinden, weil oftmals digitale Spuren der einzige Ermittlungsansatz sind und wir den Strafverfolgungsbehörden zumindest Waffengleichheit mit den Straftätern und damit Chancengleichheit zugestehen müssen. Das ist eine wesentliche Kernforderung unserer Justizpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Debatte darf aber auch heute nicht geführt werden, ohne auf die Vorkommnisse der letzten Wochen und Monate hinzuweisen. Es ist in vielerlei Umständen zu unerträglichen Ausschreitungen und Äußerungen von Hass, zu Hetze und zu Gewaltaufrufen gekommen. Es ist richtig – und da sind wir uns hier in diesem Hohen Hause einig –, dass der wehrhafte Rechtsstaat, alle demokratischen Parteien in diesem Bundestag, Gewalt, Hetze und Hass gegen Schwache und Verstöße gegen die Würde des Menschen auf das Schärfste verurteilen. Dazu gibt und darf es keine Alternative geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben im Frühjahr dieses Jahres den § 46 des Strafgesetzbuches reformiert und deutlich gemacht, dass rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende Beweggründe strafschärfend zu berücksichtigen sind. Einige haben damals angeführt, das sei doch nur Symbolpolitik, man bräuchte diese Regelung gar nicht.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab sie vorher schon!)

Aber die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben bewiesen, dass der wehrhafte Rechtsstaat auch diese Strafzumessungsvorschriften braucht, weil er damit ein klares Signal aussendet, dass wir diese Umtriebe in diesem Land nicht dulden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon einmal ins Strafgesetzbuch geschaut?)

In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen, Herr Bundesminister Maas, für unsere Fraktion die vollste Unterstützung zusagen, wenn es darum geht, gegenüber Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken klar und deutlich zu sagen, dass Hass und Hetze sowie Aufrufe zu Gewalt in diesem Bereich nichts verloren haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sicherlich ist festzustellen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist und dass es auch in diesem Land erlaubt sein mag, unsinnige oder gar absurde Meinungen zu äußern. Aber die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen im Recht des anderen, dort, wo die Ehre, die Würde des Menschen durch Straftatbestände verletzt sind. Soziale Netzwerke mögen in einem anderen Land, aus einem anderen Rechtskreis heraus betrieben werden; sie stehen aber nicht außerhalb des Rechts, sondern müssen sich an das halten, was sie selbst in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorschreiben und was letzten Endes der Anstand gebietet: dass diese Kommentare ohne weitere Umstände gelöscht werden und dass das Internet kein Raum sein darf, in dem Hass und Gewaltfantasien ausgelebt werden.

Wir dürfen es aber nicht bei Appellen belassen. Wir dürfen nicht nur die sozialen Netzwerke bitten, entsprechende Stellen zu löschen, sondern müssen auch dafür Sorge tragen, dass die Strafverfolgungsbehörden entsprechenden Hinweisen nachgehen können, dass in den Ländern bei Polizei und Justiz eine ordentliche Ausstattung vorhanden ist, um diese Umtriebe zu verfolgen und abzustellen. Auch das gebietet der wehrhafte Rechtsstaat.

Ich glaube, wir müssen noch weiter gehen. Aus meiner Sicht brauchen wir auch die Wiedereinführung der Strafbarkeit der Sympathiewerbung für Terrororganisationen. Diese Strafvorschrift ist vor 13 Jahren aus dem Strafgesetzbuch getilgt worden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich!)

Man muss aber feststellen, dass die Umstände dieser Tilgung möglicherweise nicht mehr in dem Maße tragen, dass wir sie auch heute als notwendig ansehen müssen. Meine Damen und Herren, Menschen strömen zu uns, weil sie vor dem „Islamischen Staat“ fliehen. Diese Menschen sollten nicht in ein Land kommen, welches Sympathiewerbung für diese Terrorbande nicht bestraft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer Werbung für terroristische Organisationen betreibt, soll zukünftig wieder mit dem Staatsanwalt zu tun bekommen.

Wichtig ist für uns auch der Kampf gegen die Schleuserkriminalität.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Legale Zugangswege gibt es ja nicht mehr!)

Allein in Bayern sind 2 500 entsprechende Ermittlungsverfahren anhängig. Fast 700 Tatverdächtige in Sachen Schleuserkriminalität befinden sich in Haft.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schaffen Sie endlich legale Einreisemöglichkeiten!)

Wir haben einen überproportionalen Anstieg von Vorfällen, der zwischen 2010 und 2015 mittlerweile 250 Prozent beträgt. Der wehrhafte Rechtsstaat muss sich fragen: Wie gehen wir mit einem Kriminalitätsfeld um, welches mittlerweile zu Recht in die Nähe organisierter Kriminalität wie Drogenhandel, Waffenhandel und Menschenhandel gerückt wird? Wie gehen wir mit skrupellosen Banden um, die ihre Geschäfte auf dem Rücken der ärmsten Menschen machen?

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen machen wir die Grenzen dicht? – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist das Beste!)

Es ist ein richtiges Signal, wenn man fordert – –

Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wawzyniak?

Ja.

Keine Angst, ich frage nicht nach dem Tacho, sondern ich frage etwas zu dem Punkt, den Sie gerade angesprochen haben, nämlich zur Schleuserkriminalität. Sehen Sie es möglicherweise so, dass man den Schleusern das Geschäftsfeld entziehen könnte, indem man legale Zugangswege für Geflüchtete nach Deutschland schafft?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Alle zu uns, oder? – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Was für eine naive Vorstellung! Das ist der Wahnsinn! Das ist so naiv!)

Frau Kollegin Wawzyniak, wir bekämpfen diese terroristischen Gruppen, die mit den Ängsten und mit den Nöten der Menschen ein Geschäft machen. Wir kämpfen gegen die Menschen, die für viele Tausend Euros und Dollars die Ärmsten in Lastwagen sperren und über die Grenzen bringen oder Menschen auf Booten über das Mittelmeer schicken.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn die Alternative? Was ist denn mit dem legalen Zugang?)

Deswegen brauchen wir eine Strafschärfung in diesem Bereich. § 96 des Aufenthaltsgesetzes sieht als Mindeststrafe lediglich eine Geldstrafe oder eine Strafe von einem Monat Freiheitsentzug vor. Das ist viel zu wenig.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Richtig!)

Wir brauchen ein deutliches rechtspolitisches Signal, dass Schleuserkriminalität zur Schwerkriminalität gehört. Deswegen brauchen wir hier eine klare und deutliche Strafschärfung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege, Frau Kollegin Maisch möchte ebenfalls eine Zwischenfrage stellen.

(Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Und die blöden Mehrheiten beschimpfen!)

Danke, Herr Kollege, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. – Ich würde gerne die Frage der Kollegin Wawzyniak wiederholen, weil ich glaube, dass sie nicht beantwortet wurde.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was sagen Sie denn zu der Alternative zum Schleu­serunwesen, indem man legale Zuwege für die schafft, die nach Deutschland flüchten wollen?

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Die haben wir doch! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir haben doch legale Wege, Frau Kollegin!)

Frau Kollegin Maisch, man geht davon aus, dass dieses Jahr etwa 800 000 Menschen zu uns kommen, bei uns Zuflucht finden und bei uns aufgenommen werden, und zwar in einer Art und Weise, wie das kein anderes Land auf dieser Welt tut.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie über Schlepper hierhergeschleppt worden sind!)

Die Menschen können über die Blaue Karte oder über die Beschäftigungsverordnung zu uns kommen. Wir gewähren Hunderttausenden Menschen Asyl und Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Es gibt genügend legale Wege, nach Deutschland, nach Europa zu kommen.

(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was wir nicht brauchen, sind die Auswüchse des Schleuserunwesens. Wir bekämpfen diese Kriminalität, weil wir die Menschen schützen wollen.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist doch wirklich zynisch! – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kommen die über das Mittelmeer?)

Ich möchte auf den Umgang mit dem Thema „Asyl und Migration“ aus rechtspolitischer Sicht zu sprechen kommen. Das Grundrecht auf Asyl steht vor dem Hintergrund unserer Geschichte, vor dem Hintergrund der christlichen Nächstenliebe und Humanität in keiner Weise zur Disposition.

(Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind Sie groß bei der CDU/CSU!)

Wer aus politischen Gründen, aus rassischen Gründen oder aus religiösen Gründen verfolgt wird, der kann zu uns kommen, und er bekommt Schutz und Aufnahme.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn er es über das Mittelmeer schafft! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn er einen Schleuser findet!)

Die Wahrheit ist allerdings auch, dass nicht jeder, der zu uns kommen möchte, auch zu uns kommen kann. Nicht jeder, der bei uns ist, wird auf Dauer ein Bleiberecht haben. Wir müssen die rechtlichen Regelungen in Bezug auf den Aufenthalt und die Gewährung von Asyl und Zuflucht auf den Prüfstand stellen und dafür sorgen, dass unser Land genügend Kapazitäten hat, um den wirklich Schutzbedürftigen und den Menschen mit Bleibeperspektive zu helfen. Das heißt auch, dass wir diejenigen, die keine Bleibeperspektive und keinen Asylgrund haben, bitten, in ihre Heimat zurückzukehren. Nur so können wir das Grundrecht auf Asyl auf Dauer aufrechterhalten. Das ist die Kehrseite der Medaille.

(Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Deutschland ist im Augenblick für viele Menschen auf der Welt ein Sehnsuchtsort und ein Ort der Hoffnung, ein Ort der Weltoffenheit und der Toleranz. Dazu trägt auch unsere Verfassungsordnung bei, der ein freiheitlicher Gedanke zugrunde liegt, die Menschen akzeptiert, ihnen Würde und Mitgestaltung bietet, die aber auch durch ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit geprägt ist. Es ist unsere Aufgabe, diese Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten und mit den notwendigen Maßnahmen zukunftsfest zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die SPD spricht jetzt die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/5752645
Wahlperiode 18
Sitzung 119
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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