Volker KauderCDU/CSU - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Haushaltsplanberatungen für den Haushalt 2016 stehen ganz im Zeichen der vielleicht größten Herausforderungen, die wir im Nachkriegsdeutschland zu bewältigen haben. Der Bundesfinanzminister hat gestern darauf hingewiesen, dass dies nun die Priorität der nächsten Zeit ist, der wir uns zuwenden müssen. In der Vergangenheit wurde er manchmal kritisiert: Er sehe nur die schwarze Null, er sehe nur Haushaltskonsolidierung. Aber heute, auch in dieser Debatte, nehme ich wahr, dass alle froh sind, dass wir in dieser Koalition die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, jetzt nicht kleinkariert über das notwendige Geld reden zu müssen, sondern das Geld zu haben, das notwendig ist, und zwar als Ergebnis einer hervorragenden Haushalts- und auch Wirtschaftspolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Gestern habe ich die eine oder andere Stimme gehört, die sagte, das sei das Ergebnis einer gut laufenden Wirtschaft. Dazu muss ich sagen: Ja, wir haben eine stabile Konjunktur, und die Wirtschaft ist stark. Aber: Wenn wir einen Blick in die Welt werfen, dann sehen wir: Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, dann kann die Wirtschaft auch keine richtigen Ergebnisse produzieren. Wenn daher der Satz fällt, ein Teil des Ergebnisses, das wir haben, sei bedingt durch eine florierende Wirtschaft, dann möchte ich, dass wir auch in Zukunft und gerade jetzt, da die Herausforderungen groß sind und wo es nicht nur eine gesamtpolitische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe gibt, zu der die Wirtschaft gehört, alles dafür tun, dass diese Wirtschaft entsprechende Rahmenbedingungen hat und dass sie weiter so erfolgreich arbeiten kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das heißt, dass es nun ernst wird mit dem von uns auf den Weg gebrachten Bürokratieabbau. Da sollten wir jetzt die Chance nutzen, die diese Herausforderung bietet, und überlegen, ob alles, was wir in der Vergangenheit an Bürokratie aufgebaut haben, tatsächlich notwendig ist. Bei den jetzt anstehenden Gesetzesvorhaben – es sind ja einige bereits angekündigt: aus dem Arbeitsministerium, aus anderen Ministerien – werde ich schon noch mal darauf hinweisen: Wir haben den Grundsatz mit dem schönen, neuen deutschen Wort „One in, one out“ beschlossen. Wenn ein neues Gesetz mehr Bürokratie bringt, muss sie an anderer Stelle abgebaut werden. Da bin ich mal sehr gespannt, liebe Kolleginnen und Kollegen in der Großen Koalition, ob wir dazu die Kraft haben. Wir müssen sie haben, damit der Satz auch in Zukunft stimmt: Jawohl, es ist ein Gesamtergebnis – gute Haushaltspolitik und eine funktionierende Wirtschaft –, das uns zum Erfolg bringt und uns jetzt die Aufgaben lösen lässt, die wir haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Also: Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, bleibt ein zentrales Thema.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich habe schon in meiner letzten Rede darauf hingewiesen: Das, was Griechenland anbelangt, ist schon eine Aufgabe, aber das, was bei der Flüchtlingsthematik auf uns zukommt, könnte eine noch wesentlich größere Herausforderung werden. – Dies trifft jetzt ja auch zu. Aber wir können es schaffen. Ja, ich bin sicher, dass wir dies in der Großen Koalition zusammen mit den Bundesländern und der Opposition – ich finde, bei den ganz großen Fragen sollte sich auch eine Opposition nicht verweigern, wenn es um eine gesamtpolitische, gesamtgesellschaftliche Aufgabe geht – schaffen können.
Ich finde, es müssen ein paar zentrale Botschaften gesagt werden:
Erstens. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, einen Asylgrund haben und damit über eine längere Zeit in unserem Land bleiben werden, müssen nicht nur menschenwürdig in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden, sondern es muss auch alles getan werden, damit sie sehr schnell den Weg mitten in unsere Gesellschaft und auf den Arbeitsmarkt schaffen. Das ist die große Herausforderung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die zweite Botschaft. Thomas Oppermann hat es auch klar gesagt: Man kann ja aus persönlichen Gründen verstehen, wenn der eine oder andere sagt: Ich suche mir ein Land, in dem ich mit meiner Familie größere Chancen habe als in meiner Heimat. – Ich weiß, wovon ich rede: Vor über 100 Jahren sind die Menschen aus der Schwäbischen Alb nach Amerika ausgewandert, weil die Scholle sie nicht mehr ernährt hat. Aber es ist auch klar, dass wir sagen müssen: Diejenigen, die keinen Asylgrund haben und trotzdem kommen, müssen so schnell als möglich wieder in ihre Heimat zurückkehren. – Diese Botschaft muss klar sein, und da darf man auch keine Kompromisse machen. Um diejenigen, die einen Grund haben, zu bleiben, kümmern wir uns mit ganzer Kraft, und die anderen können eben nicht in diesem Land bleiben. –
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das ist eine weitere Botschaft.
Drittens. Europa steht mit dieser Aufgabe vor einer noch größeren Herausforderung als wir in Deutschland. Denn da geht es nicht nur darum, ob Europa jetzt eine Aufgabe lösen kann, sondern es geht ganz konkret darum, ob wir alle den Eindruck gewinnen, dass Europa nicht nur stark ist, wenn es um kleine Fragen geht, sondern dass Europa auch gerade dann stark ist, wenn es um große Herausforderungen geht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich kann nicht erkennen, dass sich bisher in Europa etwas signifikant geändert hat. Jede kleinkarierte Frage, ob nun etwas in einem Nationalstaat in Ordnung ist oder nicht, wird von den Kommissaren verfolgt und vor Gericht gebracht. Ich finde aber, dass es jetzt nicht um die Frage geht, ob da ein bisschen mehr oder weniger an Bürokratie oder an Konsequenzen zu fordern ist, sondern darum, dass wir uns alle miteinander sagen: Dieses Europa ist nicht nur die größte Friedenssicherung, sondern dieses Europa ist auch in der Lage, größte Herausforderungen zu bewältigen, für die der eine oder andere Nationalstaat vielleicht tatsächlich zu klein ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Und darum sage ich, dass es bei Europa um die Frage geht, ob die Menschen den Eindruck gewinnen: Wenn es wirklich ernst und schwierig wird, dann ist dieses Europa tatsächlich da.
Viertens. Wir alle erkennen in diesen Tagen, dass außenpolitische Konflikte und außenpolitische Fragen, die wir als weit weg betrachtet haben, für die wir uns nicht zuständig fühlten, auf einmal ganz nah an uns heranrücken und wir uns deshalb mehr um diese Fragen kümmern müssen. – Um diese vier Botschaften geht es in der nächsten Zeit.
Lassen Sie mich auf die erste Botschaft zurückkommen: für die da zu sein, die ein Bleiberecht haben und über längere Zeit in Deutschland bleiben werden. Hier geht es darum, dass wir die notwendigen Aufgaben gemeinsam lösen, und zwar jeder die Aufgabe, die er hat. Wir haben uns in der Großen Koalition zunächst einmal darauf verständigt, darüber zu sprechen: Was muss getan werden? Wer muss es tun? Welche Instrumente brauchen wir? Erst dann reden wir über das Geld. Ich muss schon sagen: Vor diesem Hintergrund kann ich manche Einlassung aus dem einen oder anderen Bundesland nicht nachvollziehen. Wir wollen uns doch auf dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern darüber verständigen, welche Aufgaben von wem erledigt werden müssen. Aber bevor darüber überhaupt eine Einigung erzielt ist, kommen schon einige und sagen: Die 3 Milliarden Euro reichen nicht aus. – Ja, woher wollen die das denn wissen? Wir müssen uns doch erst darüber verständigen, was gemeinsam zu tun ist. Im Übrigen: Nicht nur der Bund hat Steuermehreinnahmen, auch die Länder und Kommunen. Wenn es heißt: „Wir alle müssen uns konzentrieren“, dann gilt das nicht nur für den Bund, sondern auch für Länder und Kommunen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD] – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Bundesländer machen das schon! Die Länder machen das jeden Tag!)
Ich bin mir sicher, dass wir darüber in den nächsten Tagen eine Verständigung erzielen werden.
Frau Göring-Eckardt, Sie haben darauf hingewiesen, dass alles viel schneller gehen müsse.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Da kann ich nur sagen: Ihre Partei ist in den vergangenen Jahren nicht gerade als diejenige Partei aufgefallen, die alles viel schneller gemacht hat. Sie haben davon gesprochen, dass wir einen Investitionsstau haben.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Das stimmt; das wissen wir. Deswegen wollen wir mehr Geld für Investitionen ausgeben, die notwendig sind, um unseren Wirtschaftsstandort voranzubringen. Aber ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass Investitionen von Ihrer Partei geradezu aufgehalten worden sind. Alle Plätze für die Schnecke, und der Rest bleibt auf der Strecke – so hieß es doch immer, wenn wir über den Straßenbau gesprochen haben.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen bin ich froh, dass Sie jetzt von diesem Pult aus anmahnen, dass Investitionen schneller vorangetrieben werden müssen. Richtig! Ich hoffe, dass Sie bei den Planungen für den Straßenbau und den Leitungsbau für schnelles Internet mit mir an der Spitze stehen,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vergessen Sie nicht die Schiene, Herr Kauder!)
und zwar nicht, um die Proteste zu unterstützen, sondern die Investitionen. Herzlichen Dank für diese Bereitschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege Kauder, die Kollegin Hänsel brennt darauf, Ihnen eine Frage zu stellen.
Nein.
Nein. – Gut. Dann haben wir das geklärt.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen, nicht nur Bürokratie abbauen, sondern auch Standards senken müssen. Als ich vor 35 Jahren im Landratsamt tätig war, stand ich vor einer großen Aufgabe, als Hunderttausende von Menschen zu uns gekommen sind. Auch damals mussten konkrete Aufgaben gelöst werden. Wir haben nicht danach gefragt, ob jemand hundertprozentig qualifiziert ist, etwa durch ein pädagogisches Studium, um Kinder zu betreuen oder Sprachkurse durchzuführen. Gestern Abend habe ich gehört, wir müssten schnellstens 20 000, 30 000 Lehrer ausbilden. Ich kann nur sagen: So lange, bis diese Lehrer ausgebildet sind, können die Menschen, die jetzt Hilfe brauchen, nicht warten. Menschen, die bisher qualifizierten Sprachunterricht an einer Volkshochschule gegeben haben, können doch auch Deutschunterricht in Integrationskursen geben. Sie müssen kein akademisches Studium absolviert haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])
Ich bitte darum, dass wir die Standards auch in diesem Bereich reduzieren; denn wir brauchen jetzt eine große Kraftanstrengung.
Herr Kollege Oppermann, ja, wenn es um die Stärkung der Wirtschaft geht, muss auch die Frage „Wo bekomme ich qualifizierte Arbeitskräfte her?“ beantwortet werden. Jetzt muss ich aber einmal Folgendes sagen: Ich kann nicht verstehen, wenn jetzt, da in diesem Jahr 800 000 Menschen erwartet werden – im letzten Jahr sind 400 000 gekommen –, so getan wird, als seien unter diesen 800 000 Menschen keine 10 000, 20 000, 30 000 oder 40 000 Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Bevor wir uns lange Diskussionen und Kraftanstrengungen leisten, um auf der Welt Arbeitskräfte zu suchen, ist es zuvörderst unsere Pflicht und Aufgabe, uns darum zu kümmern, dass von den jungen Menschen, die jetzt in unser Land gekommen sind, so viele wie möglich in Arbeit kommen und qualifiziert werden. Das ist die Aufgabe der Stunde. Darüber sind wir uns einig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sicher sind wir uns auch darüber einig, dass noch eine andere Aufgabe angepackt werden muss, die ich seit Jahren anmahne und bei der es im Ergebnis nicht zu Verbesserungen gekommen ist – und dafür ist, um es sehr vorsichtig zu formulieren, nicht der Bund zuständig. Ich finde, dass wir es nicht hinnehmen können, dass Jahr für Jahr etwa 70 000 junge Menschen aus unseren Schulen ohne Abschluss in die Gesellschaft entlassen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Jeder weiß: Wer bei uns keinen qualifizierten Abschluss hat, hat bei uns kaum eine Chance. Das können Sie in Thüringen ja jetzt besser machen.
(Zuruf von der LINKEN: Das machen wir auch!)
Deswegen kann ich nur sagen: Bevor wir über Einwanderung reden, sollten wir über diese 70 000 und über die Tausende, die jetzt in unser Land gekommen sind, reden. Sie brauchen eine Chance, um auf eigenen Füßen stehen zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir darüber reden, wer einen Beitrag leisten kann, bin ich immer einigermaßen erstaunt darüber, dass die reichen arabischen Länder bisher nur einen geringen Beitrag leisten.
(Ulrike Gottschalck [SPD]: Ja!)
In einem Filmbericht gestern Abend sagten Muslime in Ägypten: Gott sei Dank gibt es das christliche Deutschland; denn von unseren Glaubensbrüdern in der arabischen Welt werden wir nicht aufgenommen. – Dazu muss ich sagen: Da müssen sich die islamischen Staaten einmal etwas überlegen. Das ist kein gutes Bild in der Welt. Wenn ihre Glaubensbrüder sagen: „Außer dem christlichen Europa hilft uns niemand in dieser Welt“, dann muss in der arabischen Welt einmal darüber nachgedacht werden, ob das der richtige Weg ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich nehme die Meldung nicht besonders ernst; trotzdem möchte ich darauf hinweisen, damit nicht etwas Falsches auf den Weg gebracht wird: Ein Hilfsangebot aus der arabischen Welt, das da lautet: „Wir bauen in Deutschland 200 Moscheen“, können wir als Hilfe nicht akzeptieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir brauchen schon ein bisschen mehr als so etwas.
Eine Ausnahme muss man allerdings machen: Jordanien leistet einen großartigen Beitrag. Wir hatten in der letzten Woche den jordanischen Außenminister bei uns zu Gast. Er hat gesagt, was Jordanien trägt. Dieses Land mit 6 Millionen Einwohnern hat dauerhaft bereits 2,5 Millionen Palästinenser im Land und nimmt jetzt noch 1,5 bis 2 Millionen Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, auf. Das ist ein großartiges Beispiel dafür, dass auch ein kleines Land – zwei Drittel des Landes sind Wüste – in der Lage ist, Flüchtlinge aufzunehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt. Als ISIS letztes Jahr im August die große Stadt Mosul gestürmt und eingenommen hat, als die Menschen zu Hunderttausenden geflohen sind, als sie vertrieben wurden, vor allem Christen und Jesiden – sie sind nach Kurdistan, insbesondere nach Erbil und Dohuk, gegangen –, war ich in dieser Region. Ich habe Tausende von Menschen in der katholischen Kirche und noch viel mehr in den Regionen vor Dohuk gesehen. Diese Menschen – Sie saßen dort in Zelten bei Hitze – haben gesagt, dass sie ganz genau wissen, dass sie in absehbarer Zeit nicht in ihre Heimat zurückkönnen. Sie haben gesagt, sie wünschten sich so sehr, dass sie eines Tages wieder in ihre Heimat können. Da war nicht pauschal die Rede von „Wir hauen alle ab“, sondern eher: Vielleicht können wir in unsere Dörfer zurück. – Viele Fragen wurden diskutiert, auch Flugverbotszonen. Aber sie haben auch gesagt – ich habe es hier im Deutschen Bundestag gesagt; das war ein schwerfälliger Gang –: Wenn wir in unseren Flüchtlingslagern keine Perspektive für ein einigermaßen angemessenes Leben sehen, dann machen wir uns auf den Weg.
Ich war in Jordanien in dem großen Flüchtlingslager, in dem schon einige andere Kolleginnen und Kollegen waren. Dort sind 80 000 bis 100 000 Menschen, viele aus dem Süden Syriens, einfache Bauern, die sagen: Wir können mit unserer Qualifikation in Europa gar nicht viel anfangen. Wir möchten wieder zurück. Wir warten hier jetzt einmal. – Aber wenn die erkennen, dass die Versorgung von Tag zu Tag schlechter wird, dann werden sie nicht dort bleiben. Deswegen kann ich nur sagen: Flüchtlingspolitik, die wir in unserem Land betreiben, kann sich nicht darin erschöpfen, denen zu helfen, die da sind. Vielmehr müssen wir alle, die Weltgemeinschaft und Europa, stärker als bisher dafür sorgen, dass die Menschen, die zu Millionen in den Lagern sitzen, eine Perspektive haben und sich nicht auch noch auf den Weg machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch dafür muss Geld zur Verfügung gestellt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
In wenigen Tagen, Frau Bundeskanzlerin, tagt die Vollversammlung der UNO in New York. Vielleicht wäre es auch einmal ein Thema, sich damit zu beschäftigen, dass die Weltgemeinschaft hier Unterstützung leistet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich müssen wir uns auch darum kümmern – deswegen wird Außenpolitik so wichtig –, dass die Bedingungen in einzelnen Staaten besser werden. Ich finde, wir dürfen nicht mehr schweigen, wenn in Ländern, denen wir Entwicklungshilfe geben, die Bedingungen so miserabel sind, dass die Menschen das Land verlassen. Da müssen wir sagen: Jede Regierung, jeder Staatschef eines Landes, aus dem die Menschen weggehen, weil sie keine Perspektive haben, muss sich dafür schämen, dass das Land in einem solchen Zustand ist. Das muss einmal gesagt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen glaube ich schon, dass wir jetzt nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt vor einer großen Herausforderung stehen. Ich bin sicher, dass wir sie meistern werden.
Zur Zeit der letzten Großen Koalition haben in einer Phase wie heute viele gefragt: Was macht ihr eigentlich noch in den nächsten zwei Jahren? Jetzt ist Halbzeit, und ihr habt den Koalitionsvertrag abgearbeitet. – Als wenn sich eine Regierungskoalition ausschließlich darauf verständigt, einen Koalitionsvertrag abzuarbeiten! Während der letzten Großen Koalition kam die Finanz- und Wirtschaftskrise, und wir mussten handeln und haben, ohne dass es im Koalitionsvertrag stand, gemacht, was richtig war und Deutschland wieder auf den Weg gebracht hat. Jetzt haben wir wieder eine Aufgabe, die wir uns nicht gesucht haben, aber annehmen. Ich habe so manchen Koalitionsausschuss erlebt, nicht nur in der letzten Großen Koalition, sondern auch in der letzten kleinen Koalition, auch schon in dieser Großen Koalition, und ich muss sagen: Selten waren wir uns so einig wie am vergangenen Wochenende, was gemacht werden muss. Wenn dies in Zukunft so weitergeht, Thomas, dann bin ich ganz sicher, dass wir sagen können: Wir schaffen es.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Die Kollegin Hänsel hat jetzt das Wort zu einer Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 120 |
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